Häupl und Pröll in Doku: "Ist so viel Sympathie überhaupt zulässig?"

Häupl und Pröll in Doku: "Ist so viel Sympathie überhaupt zulässig?"
In der ORF-Doku "Dein Land, mein Land" präsentierten Michael Häupl und Erwin Pröll die prägenden Orte ihres Werdegangs in Wien und Niederösterreich.

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

„Wem da das Herz ned aufgeht“ sagt Erwin Pröll mit Blick auf die Wachau, „der hat ka Herz“. Häupl stimmt ihm zu, wie meistens in der ORF-Doku „Dein Land, mein Land“, in der die früheren Landeshauptleute von Niederösterreich und Wien ihre legendär gewordene Freundschaft am Donnerstagabend zelebrieren durften. Zu den „letzten Landesfürsten“ werden Pröll und Häupl landläufig gezählt, rund ein Vierteljahrhundert waren beide in „ihren Ländern“ am Ruder.

Die beiden sitzen in einem Weingarten, und „der Erwin“ schildert „dem Michl“ den Beginn einer Männerfreundschaft. Der eine gerade Umweltstadtrat von Wien geworden, der andere Landeshauptmann-Stellvertreter in NÖ, beide im Umweltbereich tätig. Das erste Zusammentreffen sei bereits „getragen von unheimlicher Sympathie“ gewesen, er, Pröll (ÖVP), habe „nicht gewusst, ob das überhaupt zulässig ist.“ Schließlich war man in politischer Funktion und nicht in derselben Partei. Auch Häupl (SPÖ) bestätigt eine „sofortig eintretende Sympathie, ist ja nicht so selbstverständlich.“

Heimat als prägender Raum

„Dein Land, mein Land“ wird in Felix Breisachs Film nicht politisch gedacht, sondern im Sinne von Herkunft und Zugehörigkeit. Beide sind in Niederösterreich aufgewachsen, beide haben in Wien studiert, kennen also den Einflussbereich des jeweils anderen sehr gut.

Die beiden sprechen an einer Stelle über den Heimatbegriff. Für Pröll ist es „die Emotion eines Menschen zu einem Raum, der letzten Endes das Leben prägt.“ Häupl meint, er sei „völlig dagegen, den Begriff Heimat den Ultrarechten oder den Nationalsozialisten zu überlassen.“

Die beiden spazieren mit Breisach durch die Orte ihrer Kindheit. Häupl wuchs südlich der Donau, in St. Christophen, auf. Dort gab es große Autoweihen, einen Adeg, ein Kriegerdenkmal. Er war wie Pröll Ministrant, das sei „alternativlos“ gewesen. meint Häupl.

Wann er zuletzt die Kirche im Ort aufgesucht, fragt Breisach, der sich lediglich als Stichwortgeber für das wortgewaltige Duo versteht.

Häupl, noch immer ganz Politiker, antwortet ausweichend: „No ned so lang her.“

Pröll schmunzelt wissend.

Als man die Kirche (Höhepunkt: spätgotische Madonna) wieder verlässt, fragt Breisach Häupl, ob er ein braves Kind gewesen sei.

Häupl: „Das glaub ich ned.“

Breisach: "Was heißt 'glauben'?"

Pröll: "Er glaubt ja an nix..."

Häupl präzisiert: „Ich weiß, dass ich kein braves Kind war.“

Häupl und Pröll in Doku: "Ist so viel Sympathie überhaupt zulässig?"

Häupl, Pröll und Breisach in St. Christophen

Nahtoderfahrung in Radlbrunn

Pröll wuchs rund fünfzig Kilometer weiter nördlich auf, in Radlbrunn, wo er noch immer lebt. An einem 24. Dezember kam er kurz nach dem Krieg zur Welt, es war ein strenger Winter. Der Vater hat mit dem Pferdefuhrwerk eine Hebamme geholt, es war eine Hausgeburt.

Auch über eine Art Wunder kann Pröll berichten. Als er als Kind vom Fuhrwerk fiel, wurde er von einem der vier Räder überrollt, erzählt er. Im Krankenhaus sei es zwischen Leben und Tod gegangen. Als er wenigstens wieder dazu fähig gewesen sei, Dinge zu fantasieren, habe man gewusst: „Ich bin über’n Berg.“

Man sieht Bilder aus dem nahe gelegenen Ziersdorf, früher Schauplatz spektakulärer Motorradrennen und jener Ort, den Pröll mit dem Zug, teilweise noch mit der Dampflok, ansteuerte, um in die Schule zu kommen.

Pröll berichtet von Versuchen, die Schule zu schwänzen, von Strohröhrln und Papierkügelchen, und von seinem großen Traum: Bahnhofsvorstand zu werden.

Kein Witz

Der Bahnhof blieb aber nicht die Endstation. Beide führte der Weg in die Bundeshauptstadt. Pröll berichtet von seiner Zeit an der Universität für Bodenkultur, wo er im „Türkenwirt“, bei der Tante Mariza auch seine spätere Frau Elisabeth kennengelernt habe.

Damenbesuche im Studentenheim seien allerdings „strengstens verboten gewesen“, berichtet er. Garant dafür sei die gestrenge Heimleiterin Frau Dr. Witz geheißen, dass der Name "kein Witz" sei, amüsiert Pröll sichtlich noch immer.

Breisach: „Wie haben Sie das dann gelöst?

Häupl scherzt: „Die Heimleiterin abgesetzt und ein revolutionäres Komitee eingesetzt.“

Pröll: „Die Frau Dr. Witz so oft als möglich weggelockt.“

Ex-Landeshauptleute Pröll und Häupl im Porträt

Die Luft voll Politik

Beim Gedanken an die Studenzeit wird Pröll „sentimental“. Häupl hat kein Problem damit, dass die Zeiten vorbei sind. Sein Credo: „ Besser ist, wir san zufrieden als unzufrieden.“

Häupl studierte an der Universität Wien Zoologie, er wollte Meeresbiologe werden. Davon sei ihm unter anderem ein Tauchschein und ein Motorbootführerschein geblieben, aber auch die Fähigkeit „zwischen richtig und falsch“ zu unterscheiden. In der Politik ein wichtiges Instrumentarium, für die Details gebe es Experten. In der Studienzeit wurde er auch politisiert, Häupl machte im VSStÖ Studentenpolitik.

Es sei die Kreiskyzeit gewesen, „die ganze Luft war voll Politik“, sagt Häupl.

Wenn Häupl durch sein Ottakring spaziert, gerät er am Yppenplatz ins Schwärmen über den "Nukleus des Miteinanders". Die Zeit eines „wüdn“ Stadtviertels sei lange vorbei. Damals sei er auch im vom damaligen Profiboxer  Hans Orsolics geführten „Tschocherl am Gürtel“ gesessen. Wenn einer reinkam, und Orsolics` Mutter beschimpfte, „dem hat er halt ane ang'schobn“ ,sagt Häupl.

"Ich musste die Stadt erst lernen“, erklärt Häupl, „die ersten fünf, sechs Semester sind sehr flott gegangen.“

Der Altbürgermeister lobt dann indirekt seine Grätzelpolitik, freut sich über gestiegene Mietpreise am Brunnenmarkt. Dass dieses Phänomen mitunter auch als Gentrifizierung kritisiert wird, bleibt unerwähnt.

Auch Pröll zeigt sich bewundernd und lobt das „italienische Flair“ in den Gastgärten.

Das Politische rückt in den Hintergrund, am Ende schnapsen sich die beiden, wieder im Weingarten, lediglich aus, wer das Bummerl kriegt.

Der Wein

Heimat sei ein „Gefühl“ sagt Proll einmal, auch ein Geruch. Wenn er nach Radlbrunn komme, dann „spür ich das direkt in der Nas‘n, auch wenn kein Weingeruch dabei ist.“

Jaja, der Wein. Immer wieder kommen die beiden darauf zurück. Wenn die beiden über den Weinskandal in den 1980er Jahre berichten, der letztlich in Österreich zu einer Erhöhung der Qualität geführt habe, wenn Pröll die Bewässerung in der Wachau hervorhebt, Häupl ein Loblied auf Wiens Weingärten und den „G’mischten Satz“ anstimmt, dann hat man das Gefühl, die beiden hätten ihr politisches Schaffen vor allem der Verbesserung der Vinifizierung gewidmet.

Mit dem Fährboot geht es bei Dürnstein über die Donau. „Ein edles Tröpferl“ – offenbar nicht gerade Spritzweingeeignet – steht gut gekühlt an Bord bereit.

„Da hamma was zu tun“, sagt Häupl.

„Michl, das war uns noch nie z'vü Arbeit“, sagt Pröll.

Häupl und Pröll in Doku: "Ist so viel Sympathie überhaupt zulässig?"

Beim Anblick der Donau denkt Pröll auch an Auseinandersetzungen während seiner politischen Vita, den Kampf gegen Kraftwerk und Schwerverkehr in der Wachau, und gegen das große Hochwasser im Jahr 2002.

Bei der Kraftwerksache sei er, Häupl, auf derselben Seite gestanden, mit der Wachau-Bewässerung habe er allerdings nichts zu tun gehabt.

Pröll widerspricht: „Indirekt“ schon, über den Konsum des Weins.

Zu Schrammelklängen spazieren die beiden durch Dürnstein, freilich sind Menschen zu begrüßen (Pröll: „Wir sind bekannt wie das falsche Geld!“)

Wenn er sagt, er habe mit der (Hochwasser führenden) Donau „so manchen Kampf ausfechten müssen“,  kann einem die Donau fast leid tun. Geübt hat er schon in der Kindheit, beim Pegelstand notieren in der Schule und beim Sandsäcke schlichten vor der Hofeinfahrt, wenn der starke Regen kam.

"Heute kann man's ja erzählen"

Hier in der Wachau treffe man sich auch „das eine oder andere Mal, um ein Achterl zu genießen“, sagt Pröll.

Und dann kommt doch noch ein Seitenhieb auf den ehemaligen Landesfürstenstatus: „Vor manchen Landeshauptleute-Konferenzen sind da Entscheidungen gefallen, von denen die anderen noch nix g‘wusst haben,“ erinnert sich Häupl. „Heut kann man’s ja erzählen“, meint er und Pröll pflichtet bei: „Mittlerweile ist das jüngere Geschichte.“

Noch immer ist es scheinbar so: Man häckelt sich, aber man tut einander nicht weh.

Als Häupl am Wilhelminenberg den Blick über Wien schweifen lässt, kommentiert Pröll: „Der Michl genießt noch immer den Blick von Wien nach Niederösterreich …“

Zum Nachschauen: "Dein Land, mein Land" in der ORF TVThek

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