Peter Turrini und Erwin Pröll: Plaudereien beim Guglhupf
Es begab sich im März 2016, dass Peter Turrini und Erwin Pröll, damals noch Landeshauptmann, gemeinsam die Ausstellung „Die Siebziger“ auf der Schallaburg eröffneten – und dabei über glorreiche Zeiten plauderten.
Das Gespräch entwickelte sich, so Pröll, „zu einem spannenden Dialog über persönliche Wertvorstellungen, politische Überzeugungen und gesellschaftliche Auffassungen“. Die beiden beschlossen, die „Debatte“ auf Buchlänge auszudehnen. Es dauerte allerdings noch zwei Jahre, bis das Projekt, moderiert vom Journalisten Herbert Lackner, in Angriff genommen wurde. Doch dann, in der zweiten Hälfte 2018, gab es drei Doppelinterviews – je eines in Radlbrunn bei Pröll, in Kleinriedenthal bei Turrini, in Weistrach bei Lackner.
Von echten Streitgesprächen kann man nicht reden: Lackner steckte eher einen chronologischen Parallelslalom aus. Schließlich sind die Protagonisten ähnlich alt: Peter Turrini wurde am 26. September 1944 im Lavanttal geboren, Erwin Pröll am 24. Dezember 1946 in Radlbrunn. Sie wuchsen auf dem Land auf, waren Ministranten, leisteten widerwillig den Militärdienst ab – und dann gingen sie, von den Ansichten her Don Camillo und Peppone, in völlig andere Richtungen. Der eine arbeitete zunächst für den Bauernbund, der andere wurde Dramatiker mit sozialem Gewissen.
„Zu Teufeln stilisiert“
Mitte der 70er krachten sie zusammen – wegen der ORF-Serie „Alpensaga“, die Turrini mit Willi Pevny schrieb: „Der Bauernstand kam damals ja hauptsächlich in Fernsehaufzeichnungen der ,Löwinger-Bühne‘ vor, und zwar als eine Ansammlung von sexualisierten Trotteln. Und die offizielle Geschichtsschreibung über den Bauernstand unterschlug den Kampf zwischen Groß- und Kleinbauern, die Ausbeutung von Knechten und Mägden und so weiter. Wir wollten diese verlogenen Maskeraden beenden, hinter die Masken schauen, ein unverstelltes Gesicht des Bauernstandes zeichnen.“ Doch, so Turrini: „Die Zeitung Der Bauernbündler hat uns allwöchentlich zu Teufeln stilisiert.“ Und: „Das Schlimme für uns war der Versuch, die Dreharbeiten zu verhindern.“
Das Problem war, so Pröll: „Die sogenannten ,Alpensagler‘, wie sie im Bauernbund genannt wurden, haben einfach sämtliche Klischees aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts bedient und am Ende kam der Bauernstand erst wieder einfältig, rückständig und hinterwäldlerisch rüber – nur eben nicht auf der komödiantischen Ebene einer ,Löwinger-Bühne‘, sondern auf einer literarisch anderen. Dieses Retrodenken stand gegen unser Zukunftsdenken. Wir haben damals gerade einen vollkommen neuen Ansatz der Agrarpolitik versucht.“ Da sei die „Alpensaga“ einfach ein „unglaubliches Störmanöver“ gewesen.
Damals, sagt Pröll, hätte er sich „nicht gedacht, dass wir jemals Freunde werden könnten“. Und Turrini hätte sich, sagt dieser Seiten später, nicht gedacht, dass er als alter Linker einmal „einen ÖVP-Landeshauptmann verteidigen würde“ – ob dessen Eintreten für Hermann Nitsch und dessen Kulturpolitik. Und nun schnabulieren sie gemeinsam Guglhupf.
Der größte Unterschied ist, dass es bei Pröll keine Brüche, keine Krisen gab – und angeblich auch keine Abgründe: „Ich musste nicht mit der Tradition brechen, um neue Wege zu gehen. Ich konnte auf Traditionen aufbauen.“ Und: „Ich hatte das Glück, wachsen zu können, ohne Verwerfungen, in Geborgenheit, familiärer Wärme und Obhut.“ Und: „Ich hatte immer das Gefühl, ein fest integriertes Mitglied der Dorfjugend zu sein.“
„Ins Wohltemperierte“
Dieser „Hang zur Glorifizierung“ und die „Heiligsprechung des Landlebens“ nerven Turrini, bei Prölls „unheimlich tiefem Heimatgefühl“ wird ihm gar mulmig.
Solcherart geht es weiter im Buch „Zwei Lebenswege, eine Debatte“: Der Politiker schildert fröhlich-frei sein Leben, der Dramatiker äußert seine Zweifel. In Kurzform: „An welchen Schweinereien politischer Natur warst du beteiligt?“ – „Für den Hinterhalt war ich nie die richtige Adresse.“ – „Aber ein aufrichtiger, gesunder, dörflicher Mörder bist du wenigstens ab und an gewesen?“ – „Nein, auch das nicht.“ So sehr sich Turrini bemüht: Pröll entwischt ihm immer „ins Wohltemperierte“, er bleibt das „Unschuldslamm“.
Die Fragen, über die man wirklich debattieren könnte, werden nur gestreift, darunter zum Beispiel die Grenzen des Wohlfahrtsstaates und die Auswirkungen der Automatisierung quer durch alle Lebensbereiche. Vielleicht kommt es ja noch dazu – bei der Buchpräsentation am 10. März um 11 Uhr im Theater in der Josefstadt.
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