Gerhard Polt: "Mich interessiert nicht das Aktuelle, sondern das, was akut ist"

Für „Die Vroni aus Kawasaki“ setzte sich Polt ins Tonstudio und sprach den Opa Huber (kl. Bild)  und andere Rollen ein 
Gerhard Polt, Kabarett-Altmeister aus Bayern, über ein TV-Projekt, für das eine japanische Soap im alpenländischen Dialekt witzig synchronisiert wurde. Über seinen 80. Geburtstag will er lieber nicht reden.

Viele gute Geschichten beginnen an einer Bar.

Martin Polt saß vor Jahren in einer Tokioter Hotelbar, noch gezeichnet vom Jetlag. Dort liefen japanische TV-Serien im Hintergrund. „Da hast du dann nur Bilder im Kopf, weil du die Sprache nicht verstehst. Irgendwann hab ich dann versucht, mir die Handlung zu dichten“, sagt Polt. Und weil er der Sohn des bayerischen Kult-Kabarettisten Gerhard Polt ist, stellte er sich das Ganze auf Münchnerisch vor.

Sein Vater fand die Idee „einfach schräg“, wie dieser im Interview sagt, aber weil er, Gisela Schneeberger und Michael Ostrowski mit ihren markanten Stimmen aufsprangen, wurde daraus Realität. Das Resultat, zehn Folgen „Die Vroni aus Kawasaki“, wird derzeit auf ServusTV On gestreamt, und ab Samstag, 14.5., 22 Uhr, auch im linearen ServusTV ausgestrahlt.

Vorbild ist die beliebte japanische Frühstücks-Soap „Hanbun, Aoi“ („Halb blau“) Sie begleitet den Alltag von Suzume (hier: Vroni), die in einer japanischen Stadt der 80er-Jahre als Tochter von Wirtsleuten aufwächst.

Ochs vorm Berg

„Die Frage war: Was machst du mit diesem Stoff? Du stehst da vor einer vollkommen fremden Welt wie der Ochs vorm Berg“, sagt Gerhard Polt. Er habe mit der japanischen Kultur zuvor null zu tun gehabt und korrigiert dann auf: „unter null“.

Der Witz an der Sache sei für ihn: „Na ja, wir haben hier eine Welt, die so direkt schwer übertragbar ist, wir liefern ja eine behauptete Übertragung, die entspricht nicht der Wirklichkeit, oder vielleicht doch – wir wissen es ja nicht. Keiner von uns kann Japanisch. Es sind Unbekannte, die sich treffen.“

Im Tonstudio habe es jedenfalls eine ziemliche Gaudi gegeben, „die hat uns getragen und beflügelt. Da kommst du vom einem zum anderen. Du hast zwar das Dialogbuch als Vorlage, aber du kannst dich bis zu einem gewissen Grad von dem entfernen. Die Rhythmik musst du halt einhalten.“

Kein Klamauk

Klar sei aber gewesen: „Wenn du daraus einen reinen Klamauk machst, dann machst du es hin. Du musst diese Soap in einer gewissen Weise ernst nehmen. Das ist kein Ramsch, sondern eine durchaus ernst zu nehmende Familiengeschichte.“ Dennoch meint Polt: „Du hast natürlich eine gewisse Freiheit der Unterstellung. Die machen andere Bewegungen, die haben keine Schlafzimmer im europäischen Sinn, das ist ja auch nicht übertragbar. Du machst die Behauptung, dass der sagt: ‚Herrgottsakra di, da fehlt a Pfefferminzsauce.‘ Diese Freiheit hast du, dieser Person dadurch etwas zu geben, was sie uns näherbringt. Und das bringt dann auch den Spaß.“

Gerhard Polt: "Mich interessiert nicht das Aktuelle, sondern das, was akut ist"

Das gesamte Interview mit Gerhard Polt finden Sie weiter unten

Zeitloser Humor

Viel Spaß hatte Polt auch mit Ostrowski. Der Steirer sei „ein sehr einfühlsamer, heller, erfinderischer Mensch", meint er. "Ihm ist auch immer wieder was eingefallen, es war ein Vergnügen und ein tolles Teamwork. Aber technisch war das nicht einfach. Das Leichte ist schwer herzustellen.“

Derzeit ist Polt auch in Ostrowskis Kinokomödie „Der Onkel – The Hawk“ in einer kleinen, aber prägnanten Rolle zu sehen. Als korrupter Gutachter, der bei Immobilienprojekten seine schmutzigen Finger im Spiel hat.

Polts Humor war nie tagespolitisch und ist deswegen nachgerade zeitlos. „Ich habe immer gesagt: Mich interessiert nicht das Aktuelle, sondern das, was akut ist. Und da gibt es einiges. Der Mensch selber als Gott sei Dank lächerliches, mit Defekten behaftetes Wesen, gibt ja immer wieder Anlass für Humor.“

Polt sprach einmal über die Gegenwart als „apodiktische Zeit“ mit ausschließlich Extremstandpunkten. Um den Humor macht er sich dennoch keine Sorgen. Polt: „Ich glaube, Humor ist immer dort, wo Menschen sind. In verschiedenen Kategorien: Beruflicher Humor, freiwilliger Humor – und unfreiwilliger Humor, den gibt’s auch wie Sand am Meer. (lacht) Es könnte sein, dass der Humor aufgrund der Neuen Medien präsenter gemacht wird, also dass mehr Humor erzeugt wird. Ob er qualitativ besser oder schlechter ist … er geht halt mit der Zeit. Wenn die Menschen andere Berufe haben, andere Techniken, Vorstellungen und Lebensplanungen, dann ändert sich klarerweise auch der Humor.“

Gerhard Polt: "Mich interessiert nicht das Aktuelle, sondern das, was akut ist"

Gerhard Polt, Martin Polt und Michael Ostrowski

Nicht-Humor

Aber: „Genauso wichtig wie der Humor ist der Nicht-Humor. Wenn ich jetzt auf die Straße hinausgehe und die Leute frage: Haben Sie einen Humor? Dann werden 99,9 Prozent Ja sagen. Davon sind aber auch 99 Prozent, die wissen, wo der Spaß aufhört.“

Über Humor spricht Polt gern, über seinen runden Geburtstag (am 7. Mai wurde er achtzig) weniger: „Ich wurde öfter gefragt, was ich mir jetzt zum Geburtstag wünsch’. Da sag’ ich: Dass ich am nächsten Tag gut frühstück’“.
 

Psst ... ServusTV zeigt am Samstag, 14.5. dennoch einen Abend zu Gerhard Polts 80. Geburtstag: 20:15 Uhr: "Herr Ober!“; ab 22 Uhr: "Die Vroni aus Kawasaki“ – Das Making-Of und Folge 1 & 2; 23 Uhr: "Gerhard Polt & die Well-Brüder aus’m Biermoos"

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