Gadenstätter und Settele im ORF: News einmal anders

Gadenstätter und Settele im ORF: News einmal anders
„Dok 1“. Lisa Gadenstätter und Hanno Settele präsentieren eines der modernsten Reportageformate im Fernsehen. Das bescherte ihnen eine ROMY-Nominierung

Auch die ORF-Information sucht nach jungen Sehern. Wie dies abseits von Social Media funktioniert, zeigen Lisa Gadenstätter und Hanno Settele mit „Dok 1“.

KURIER: Sie haben eine der schwersten Aufgaben: Information für junge Zielgruppen. Wie macht man ein solches TV-Format mit Anspruch?

Lisa Gadenstätter: Wir verwenden sehr viel Zeit auf die Themenplanung. Wir achten auch bei unseren Protagonisten darauf, dass sie auch ein junges Publikum ansprechen. Dann haben wir auch noch einen speziellen Schnitt bei der „Dok 1“.

Hanno Settele: Die Zuseher sind gnadenlos, was die Quote angeht. Eine Folge über Kalenderblättersprüche ist gefloppt. Da haben wir gesehen, dass das jetzt nichts mehr aus der Lebenswelt von vielleicht 30- oder 40-Jährigen ist. Wir hatten vor ein paar Jahren eine Sendung, in der viel über Blackout gesprochen wurde. Die Leute haben weggeschaltet. Ein Jahr später haben wir das Thema wieder aufgegriffen und über 600.000 Zuseher/innen gehabt – weil die Zeit reif war.

Ist es ein Ausreißer im Geschehen, dass eine Sendung 600.000 hat, dann wieder gar nicht funktioniert? Oder ist das bei allen Formaten so?

Settele: Eine Stärke und gleichzeitig auch eine Schwäche unserer Sendung ist, dass du nicht weißt, was kommt. Wir liegen im Jahresschnitt bei 300.000 Zuseherinnen und Zusehern. Dafür muss man sich nicht verstecken.

Gadenstätter: Gerade für ein Doku-Format um 20.15 Uhr. Es ist nicht selbstverständlich, dass das funktioniert. Die Sendung wirkt jung und frisch.

Wie erzielt man das gestalterisch?

Gadenstätter: Es fängt schon bei der Kameraführung an. Wir besprechen im schon im Vorhinein, wie man ein bestimmtes Thema optisch umsetzt. Es wird dann sehr viel auf Musik geschnitten, auf Takt, auf Rhythmus. Für mich ist wichtig, dass ich die Vertreterin der Zuschauer bin. Wenn ich auf den Müllbergen in Ghana stehe, dann tue ich das stellvertretend für alle, die da vom Fernseher sitzen. Und: Manchmal muss man sich trauen, auch simplere Fragen zu stellen, die aber einfach auf der Hand liegen.

Als Journalistin ist man eigentlich darauf trainiert, besonders hochstehend zu argumentieren – ist das Fragen nach simplen Sachverhalten nicht gegen die Intuition?

Gadenstätter: Ja. Und manchmal gilt in der Branche, vereinfacht gesagt: Je länger die Frage, umso besser der Journalismus. Ich finde es bei gewissen Themen nicht sonderlich gut, weil man die Menschen auch mitnehmen muss. Und wir gehen stellvertretend für die Leute, die vor dem Fernseher sitzen, dorthin und stellen die Fragen, die sie vielleicht auch hätten.

Herr Settele, ich habe Sie kürzlich auf der Plattform Tiktok gesehen, wo sie für eine Recherche versuchen, Influencer zu werden. Wie fühlt es sich als Prominenz des guten alten Fernsehens auf dem Terrain jener an, die im Handstreich die jungen Zielgruppen erreichen? Das Fernsehen angelt ja oft vergeblich nach diesen Sehern.

Settele: Wir sind im Zuge anderer Recherchen darauf gekommen sind, dass der meistgenannte Berufswunsch zwischen 12 und 15 Jahren mittlerweile Influencer ist. Und dann habe ich mir eben eine Produktionsfirma angeschaut. Ich durfte erfahren, dass meine Vorurteile, denen sei einfach fad, definitiv nicht zutreffen. Wie es sich anfühlt? Es stimmt mich nachdenklich, dass das Ganze so sehr fragmentiert ist. Es gibt alles, von großem Blödsinn bis super Sachen. Aber: Sie müssen sich diesem Algorithmus völlig unterordnen. Das ist beinhart. Aus mir wird jedenfalls kein Influencer mehr.

Die drohende Klimakatastrophe ist das Thema unserer Zeit: Es scheint nur zwei Lager zu geben. Frau Gadenstätter, Sie haben sich des Themas „Klimakleber“ angenommen. Was haben Sie herausgefunden?

Gadenstätter: Grundsätzlich ist zu sagen, an der wissenschaftlichen Erkenntnis, auf die sich auch die „Letzte Generation“ beruft, gibt es nichts zu rütteln. Deshalb haben diese Menschen auch eine so große Angst und wollen etwas ändern. Aber ein Vertreter sagt auch in der Doku: Wenn das alles nichts bringt, dann werden wir einen Schritt weitergehen müssen. Wir könnten überlegen, die fossile Industrie zu sabotieren, wie z. B. in Großbritannien, wir könnten uns vorstellen, Zapfsäulen bei Tankstellen lahmzulegen. Und auf die Nachfrage, ob er wirklich glaubt, dass die Menschen in ihrem Ärger und ihrer Wut dann überhaupt auf den Gedanken kommen könnten, sich den Protesten anzuschließen, sagte er: „Es ist die letzte Möglichkeit, etwas zu tun.“

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