"Eine Figur mit extremen Höhen und Tiefen": Jana McKinnon spielt die neue Christiane F.
Es wäre aufregend, mal so eine Rolle zu spielen, dachte Jana McKinnon, als sie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ zum ersten Mal las. Das war im Frühling 2019, die Schauspielerin war gerade von Wien nach Berlin gezogen „und wollte etwas lesen, das einen Bezug zur Stadt hat“, erzählt McKinnon im KURIER-Gespräch. Das Buch habe sie „total mitgerissen und ich konnte es nicht mehr aus der Hand legen. Ich bin dann durch Berlin gegangen und habe mir die Orte angeschaut, an denen die ganzen Sachen passiert sind.“ Zwei Wochen später wurde sie zum Casting für „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ eingeladen. Die Serie ist ab Freitag bei Amazon Prime Video verfügbar, McKinnon ist in der Hauptrolle der Christiane F. zu sehen.
Weltbekannt
Christiane F. wurde Ende der 70er-Jahre weltbekannt, als zwei Journalisten vom Stern – Kai Hermann und Horst Rieck – ihre Geschichte aufschrieben und in Buchform veröffentlichten. Die detailreiche Schilderung aus dem Leben der Jugendlichen aus Berlin-Gropiusstadt, die mit 14 Jahren ihre Heroinsucht mit Prostitution finanzierte, schockierte – und wurde zum Bestseller. 1981 erschien der dazugehörige Film mit Natja Brunckhorst in der Hauptrolle. Die neue Serie (Regie: Philipp Kadelbach) hält sich nicht streng an die Vorlage und räumt auch Freunden und Eltern mehr Platz ein. Im Zentrum steht aber auch hier Christiane. „Es ist eine Figur, die unglaublich viel mitmacht und extreme Höhen und Tiefen durchlebt. Durch den Drogenkonsum werden sämtliche Gefühle potenziert und die Konflikte, die stattfinden, werden existenziell. Das war für mich als Schauspielerin spannend“, sagt McKinnon.
Mitgewachsen
Die 22-Jährige ist in Österreich und Australien aufgewachsen und stand bereits im Kindesalter vor der Kamera. „Ich glaube, ich habe mit 15 das erste Mal gehört, dass das überhaupt ein Beruf ist. Das war für mich halt einfach etwas, das ich zum Spaß gemacht habe. Ich habe viele Kurzfilme mit Leuten von der Filmakademie in Wien gedreht, wo man natürlich nicht bezahlt wird, deshalb war mir auch gar nicht bewusst, dass man davon leben könnte.“ Die Schauspielerei ist „auf eine natürliche Art und Weise mit mir mitgewachsen“.
Sie spielte etwa in Dominik Hartls „Beautiful Girl“ (2015) – für ihre Darstellung wurde sie für die Nachwuchs-ROMY nominiert – und arbeitete u. a. für „To the Night“ mit Peter Brunner zusammen. Von ihm habe sie auch das Schauspielen gelernt, erzählt McKinnon. „Er hat mit mir richtige Method-Acting-Übungen gemacht, wo ich erst ein paar Jahre später draufgekommen bin, dass es eine eigene Schule dafür gibt. Das heißt, ich habe durch das Drehen dieser Filme schon sehr früh begonnen, mit solchen Techniken zu arbeiten, ohne es zu wissen.“
McKinnon war u. a. auch im Coming-of-Age-Film „Wach“ von Regisseur und Ex-Echt-Sänger Kim Frank zu sehen und in „The Trouble with Being Born“ von Sandra Wollner, der im Vorjahr auf der Berlinale gezeigt wurde. Im Herbst hat sie an der Seite von Clemens Schick einen Film über die Otto-Muehl-Kommune gedreht. Aktuell nimmt sie eine Auszeit, ist von Berlin wieder nach Wien übersiedelt und widmet sich ihrem Politikwissenschaftstudium. „Drehen macht unglaublich viel Spaß, aber es ist auch sehr herausfordernd und anstrengend. Man hat lange Drehtage, ist mit vielen Leuten in Kontakt und schenkt seinen Figuren sehr viel Energie. Manchmal muss man diese Energie wieder auftanken und das tue ich, indem ich andere Sachen mache und mich ein bisschen davon entferne. Dann kann ich mich wieder voll reinstürzen.“
Alles aufgesogen
Reingestürzt hat sie sich auch in „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Die echte Christiane F., die sich vor ein paar Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, habe sie zwar nicht kennengelernt. Zur Vorbereitung habe sie sich aber intensiv mit dem Thema Drogensucht beschäftigt, „alles aufgesogen, was ich irgendwie in die Finger bekommen habe, habe das Buch mehrmals gelesen, mir den Film angesehen und mir auch im Internet viele Sachen angeschaut von Leuten, sie sich selbst filmen, während sie auf Entzug sind“. Das richtige Hantieren mit einer Spritze habe sie mit einer Kochsalzlösung geübt – in der Serie zu sehen sind jedoch Silikonarme.
Wichtig sei aber auch das Tanzen gewesen: Denn einer der wichtigsten Orte für die Jugendlichen in „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ ist die Diskothek, das Sound. „Es ist der Ort, an dem sie am allerglücklichsten und am allerfreiesten sind.“ Gemeinsam mit einer Choreografin hat sie an einem eigenen Tanzstil für ihre Christiane gearbeitet.
Selbstsuche
An Aktualität habe die Geschichte nichts verloren, so McKinnon. „Was nie alt werden kann, glaube ich, ist, die Geschichte von Jugendlichen zu erzählen, die auf der Suche nach sich selbst sind, die sich zum ersten Mal verlieben, zum ersten Mal Sex haben, zum ersten Mal einen Rausch erleben. Das ist sehr allgemeingültig.“ Was die Drogen betrifft, so seien heute andere Substanzen gefragter. „Heroin war damals auf eine verstörende Weise sehr hip. Das ist es heute nicht mehr, weil wir auch alle aufgewachsen sind mit den Bildern von Heroinjunkies. Da wurde viel Aufklärungsarbeit geleistet, unter anderem durch das Buch. Aber zum Beispiel in den USA sind Opiate ein riesiges Problem und es gibt eine ganze Industrie, die damit Geld verdient, dass Menschen davon abhängig sind.“
Einen pädagogischen Zeigefinger erhebe die Serie nicht. Aber auch hier werde klar, „welche Konsequenzen das Ganze hat, wie schlecht es allen geht und dass auch Menschen sterben“.
Alle acht Episoden von "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" sind ab Freitag (19. Februar) bei Amazon Prime Video zu sehen. Regie führte Philipp Kadelbach ("Parfum"). Neben Jana McKinnon sind in weiteren Rollen u. a. Lena Urzendowsky, Lea Drind, Michelangelo Fortuzzi und Jeremias Meyer zu sehen.
Auch der Originalfilm "Christiane F." aus den 80ern ist ab Freitag bei Amazon abrufbar, bei Audible ist zudem eine Audio-Dokumentation verfügbar.
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