Am 18. Juli hat der Verfassungsgerichtshof eine folgenschwere Entscheidung getroffen: Die bisherige Form der Rundfunkgebühr ist verfassungswidrig, urteilte der VfGH. Nach derzeitiger Gesetzeslage darf die GIS nur in jenen Haushalten Gebühren einheben, in denen Rundfunkempfangsgeräte vorhanden sind. Wer aber streamt, ist ausgenommen. Gehört repariert, befand der VfGH.
Das klingt harmlos, hat aber Konfliktpotenzial: Ab 2024 gilt die derzeitige Regelung nicht mehr. Nachdem aber rund 600 Millionen Euro ORF-Budget daran hängen, das mittel- bis langfristig verplant ist, sollte rasch Klarheit darüber herrschen, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zukunft finanziert werden könnte.
Drei Modelle stehen aktuell zur Diskussion: Eine Haushaltsabgabe, die für alle eingehoben wird, egal, ob sie ORF empfangen können oder nicht. Ein erweiterte geräteabhängige Abgabe, die auch jene Personen umfasst, die einen Internetanschluss haben. Oder – ein Tabubruch: Die Finanzierung des ORF aus dem Bundesbudget. Letzteres wäre medienpolitisch nicht unheikel, auch wenn es in vielen EU-Ländern Usus ist: Im Endeffekt wäre der ORF damit abhängig vom Finanzminister. Und – nicht unbedeutend: Die FPÖ hatte dies gefordert.
Grob gesagt gibt es zwei Möglichkeiten: Der Kreis also jener, die künftig für den Öffentlich-Rechtlichen zahlen müssen, wird sich erweitern müssen. Oder der ORF wird zu einer staatlichen Einrichtung. Wie viel dabei für das Unternehmen unterm Strich herausschaut, ist bei keinem Modell klar.
Der Zeitpunkt für eine solche Entscheidung könnte schlechter nicht sein: Die Teuerung macht großen Teilen der Bevölkerung zu schaffen, und wie der Winter in puncto Heizkosten wird, lässt derzeit nur Schlimmes erahnen. Welche Regierung möchte vor diesem Hintergrund gerne eine Maßnahme verkaufen, die noch höhere Ausgaben für ein oft ungeliebtes Angebot bedeuten?
Noch ist außerdem noch gar nicht abzusehen, welche Reputationsfolgen die Chats von Fernsehchefredakteur Matthias Schrom haben: Er hatte 2019 mit dem damaligen FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache über ORF-Interna gechattet. Weitere durchgesickerte Textnachrichten innerhalb der damaligen blauen medienpolitischen Führungsriege zeigten zudem ein Bild eines Rundfunks, in dem es vor allem um eines geht: maximalen politischen Einfluss mit möglichst vielen Vertrauensleuten.
Countdown ab Jänner
Für den ORF, immerhin ein Unternehmen mit Milliardenumsatz, läuft der Countdown schon ab Jahresbeginn: Wenn nicht klar ist, wie es 12 Monate später weiter geht, wird es wöchentlich schwerer, ein Budget zu erstellen: Sportrechte sind langfristig erworben und müssen bezahlt werden und die Kündigungsfristen etwa für Journalisten liegen bei einem Jahr.
Ein Appell des Stiftungsrates lautete: Spätestens im März müsse klar sein, wo die Reise hingeht. Aus budgetären Gründen und aus organisatorischen (dazu gehört die Frage, welche Rolle die ORF-Tochter GIS künftig spielen soll).
Es gibt auch noch legistische Hürden mitzubedenken: Wenn das Gesetz im Frühjahr verhandelt wird, müsste innerhalb der Regierung schon alles glatt gehen, damit wirklich bis zur Sommerpause ein fertiger Entwurf für den Beschluss im Nationalrat bereitsteht. Stellt man die Gebühren auf gänzlich neue Beine, muss man dies auch bei der EU notifizieren, was bis zu sechs Monate dauern kann. Die Kommission in Brüssel ist eine scharfe Wächterin über den Wettbewerb, Gebühren und Beihilfen werden genau unter die Lupe genommen.
Dazu kommt, dass nach der Chataffäre auch der grüne Koalitionspartner beginnt, neue Forderungen zu stellen: Mediensprecherin Eva Blimlinger ließ etwa bei „Im Zentrum“ mit der Forderung aufhorchen, auch gleich die ORF-Gremien neu zu gestalten (die FPÖ-Chats bezogen sich zu einem Gutteil darauf, wie man über die Mitglieder des Stiftungsrats als oberstem Gremium Einfluss auf Berichterstattung und Jobs ausüben könne). Ein Junktim? Bald wird man es wissen.
Kommentare