KURIER: Was macht diesen EU-Wahlkampf so speziell? Es hat selten so ein großes Interesse gegeben.
Corinna Milborn: Wegen Frau Schilling natürlich. (lacht) Dieser Wahlkampf hat schon an Spannung gewonnen. Die Kandidatin der Grünen bringt auf jeden Fall Personality mit, man will sie sehen.
Meinrad Knapp: Ich glaube, es sind die Themen, die die Menschen interessieren. Manche Plakate könnten für nahezu für alles stehen. Das erzeugt bei vielen Menschen Interesse, dass man mehr darüber wissen möchte.
Viele sprechen über eine Richtungsentscheidung ...
Milborn: Diese Wahl macht wirklich einen Riesenunterschied. Wie das Parlament und in weiterer Folge die Kommission zusammengesetzt ist, hat auch Einfluss darauf, wie sich Europa zwischen USA und China positioniert, zu Russland, ob es eine große Verteidigungsstrategie gibt oder nicht, ob der Green Deal weitergeführt wird. „Zeitenwende“ ist ein großes Wort, aber es stimmt in diesem Fall.
Knapp: Was in Brüssel passiert, ist schon spielentscheidend. Es ist eine besonders spannende Wahl , das nimmt auf unser Leben Einfluss. Man kann es nicht nur abtun mit dieser ewigen Nummer: Hast du einen Opa – schick ihn nach Europa.
Manche Konstellationen versprechen sehr harte Duelle. Wie geht man damit um?
Knapp: Bei dem, was man bisher gesehen hat, muss man natürlich auch fragen: Wer hat die meiste Kompetenz im Bereich der Paartherapie? Wenn man sich etwa Brandstätter gegen Vilimsky (auf ORFIII, Anm.) angesehen hat.
Wenn dann der Scheibenwischer gezeigt wird, drückt man dann die Stopptaste?
Milborn: Der Scheibenwischer, ist geradezu ein Klassiker in politischen Duellen geworden seit dem unmoderierten Duell Van der Bellen vs. Hofer. Aber es gibt natürlich Grenzen, die wir auch rechtlich einhalten. Wenn jemand verleumdet wird, andere Leute reingezogen werden. Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, wenn es konfrontativ ist, weil es nur informativ ist, wenn es auch mit Leidenschaft vorgetragen wird.
Derzeit dreht sich vieles um Lena Schilling. Wird die Causa weiterhin thematisiert?
Milborn: Wir hätten die Geschichte so nicht gemacht – wie viele andere Medien auch. Weil man gesagt hat: Das reicht stark in den höchstpersönlichen Lebensbereich von allen möglichen Menschen hinein. Aber in dem Moment, wo die Geschichte draußen war und die Grünen es kommentiert haben, kann man nicht mehr wegschauen. Die Auswirkungen für die Kampagne sind enorm und natürlich werden wir darüber reden.
Was bedeutet das für die Konfrontationen?
Milborn: Es ist spannend zu sehen, wie sie damit umgeht. Interessanterweise haben in der ersten Elefantenrunde alle anderen Kandidaten gesagt, sie wollen überhaupt nicht drüber reden.
Knapp: Außer Harald Vilimsky, der sich schützend vor sie gestellt hat. Ich weiß nicht, ob es der Masterplan der Grünen war, dass sie Unterstützung von der FPÖ bekommen.
Erreicht die Berichterstattung nun einen Punkt, wo dann wirklich alles öffentlich gemacht wird?
Milborn: Ich finde schon, dass wir eine Grenze überschritten haben mit Chats aus dem persönlichen Umfeld, von denen man z. B. nicht weiß: War es ein Witz, war es kein Witz? Die Schmid-Chats wurden im Rahmen einer Korruptionsermittlung veröffentlicht, das ist eine andere Fallhöhe. Es ist schon eine neue Qualität, die jetzt reingekommen ist. Wovor ich mich ein bisschen fürchte, ist, dass wir in England landen, britische Boulevardmedien haben da ja gar keine Grenzen. Die lesen Handys aus, die stellen Privatdetektive vor die Häuser, das ist eine andere Kultur dort. Und mir war diese Grenze, die man in Österreich gezogen hat, eigentlich sehr recht bisher. Ich weiß auch nicht, ob man das wieder in den Sack zurück kriegt, wenn man einmal dort angelangt ist, wo man jetzt steht.
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