Ulmen-Fernandes: "Es braucht nicht nur neue Männer – auch neue Frauen"
Dennis (41) und Tobias (33) sind Eltern eines Buben und eines Mädchens. Die beiden leben in der Nähe von Köln, sind verheiratet und haben mit einer Leihmutter aus den USA ihren Traum vom Familienglück wahr gemacht (siehe Bild).
In den Augen vieler ist das ein ungewohntes Bild. Aber man muss gar nicht gleichgeschlechtliche Partnerschaften heranziehen, um zu sehen, dass Väter, die einen Kinderwagen schieben, noch immer interessierte Blicke auf sich ziehen.
In der zweiteiligen Doku „Rabenväter oder Super Dads“ (24. März, ZDF neo, 20.15 Uhr) geht Collien Ulmen-Fernandes den neuen, vielfältigen Väterbildern nach. Sie erzählt: „Wir haben eine Familie mit zwei Vätern. Wir haben eine Familie, in der er Vollzeit arbeitet. Sie arbeitet Teilzeit. Also eher das klassische Modell. Dann haben wir eine Familie, bei der beide sehr viel beruflich reisen müssen. Und wir haben einen Hausmann dabei.“
Die verschiedenen Familien wurden jeweils in Alltagssituationen begleitet, zudem werden Statistiken eingeblendet sowie Expertinnen und Experten befragt.
Ein Hausmann als "Exot"
Marius ist einer der Väter. Er hat sich drei Jahre Elternzeit genommen, fühlt sich dabei als „Exot“. Die Statistik gibt ihm recht. Ulmen-Fernandes sagt daher in der Doku: „Neue Väter braucht das Land.“
Die Rolle als „aktiver, moderner Vater“ definiere man so, dass er sich genauso für die Kinder verantwortlich fühlt wie die Frau. Laut einer großen Umfrage würden nur 16 Prozent der deutschen Väter in diese Kategorie fallen. „Es ist aber verdammt wichtig für Kinder, dass sie engagierte Väter haben“, meint Ulmen-Fernandes. „Die Kinder, bei denen der Vater wirklich aktiv involviert ist, schneiden im Berufsleben besser ab, haben eine höhere Empathiefähigkeit, ein höheres Selbstbewusstsein.“
Warum gehen aber so wenig Väter in Karenz?
Ulmen-Fernandes glaubt, „dass es ganz viel mit Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit zu tun hat.“ Studien hätten ergeben, dass viele Frauen noch immer möchten, dass der Mann das meiste Geld nach Hause bringen soll. „Auf der anderen Seite wollen die gleichen Frauen aber auch, dass er ganz viel zu Hause ist und für Kinder und Haushalt zuständig ist. Das ist ein bisschen widersprüchlich. Insofern braucht das Land nicht nur neue Männer, sondern auch neue Frauen, weil man sich von all diesen Ansprüchen, die man an die Väter hat, auch freimachen muss.“
Jubelstürme
Ulmen-Fernandes hat sich auf ZDF neo zuvor schon mit der Thematik „Rabenmütter oder Super Moms“ beschäftigt. Die Schauspielerin und Moderatorin, die mit Berufs- und "Jerks."-Kollege Christian Ulmen verheiratet ist, weiß auch aus eigener Erfahrung zu berichten, wie unterschiedlich das im Alltag bewertet wird: „Als unser Kind zur Welt kam, habe ich ein Mal die Woche gearbeitet, und an diesem Tag hat mein Mann das Kind ins Büro mitgenommen. Er wurde dort quasi mit Jubelstürmen empfangen: „Boah, ein Vater, der sich kümmert, megatoll!“ Bei einer Mutter ist das hingegen ganz normal, sie ist ja Mutter.“
In der Langfassung des Interviews (siehe unten) spricht Collien Ulmen-Fernandes auch über "Das Traumschiff", Formate wie "Die Alm" und ihre weiteren Pläne. Über das gleichgeschlechtliche Paar aus der Doku sagt sie: "Von den beiden würde ich mich sofort adoptieren lassen, wenn ich noch mal Kind wäre. Es war so behaglich und kuschelig bei denen. Die sind wirklich ein zauberhaftes Paar."
Das gesamte Interview mit Collien Ulmen-Fernandes
KURIER: Rabenväter oder Superdads - das klingt zunächst ein bisschen nach schwarz und weiß. Die Wahrheit ist meistens in der Mitte. Aber wie haben Sie die Redaktion so nach den passenden Vätern gesucht?
Collien Ulmen-Fernandes: Wir wollten natürlich alles darstellen, was es in Deutschland an Vätern gibt und haben deshalb auch eine breite Range zusammengestellt. Wir haben eine Familie mit zwei Vätern. Wir haben eine Familie, in der er Vollzeit arbeitet. Sie arbeitet Teilzeit. Also eher das klassische Modell. Dann haben wir eine Familie, bei der beide sehr viel beruflich reisen müssen. Und wir haben einen Hausmann dabei. So wollten wir die breite Vielfalt des Landes darstellen.
Warum glauben Sie, nehmen Sie noch immer so wenig Väter Elternzeit?
Ich glaube, dass es ganz viel mit Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit zu tun hat. In Umfragestudien, in denen Frauen, befragt worden sind, was sie von einem Mann möchten, gaben viele an, dass der Mann das meiste Geld nach Hause bringen soll. Auf der anderen Seite wollen die gleichen Frauen aber auch, dass er ganz viel zu Hause ist und sich einbringt und für Kinder und Haushalt zuständig ist. Das ist in der Tat ein bisschen widersprüchlich. Insofern braucht das Land nicht nur neue Männer, sondern auch neue Frauen, weil man sich von all diesen Ansprüchen, die man an die Väter hat, auch freimachen muss. Wenn der jetzt mehr zu Hause sein soll, dann kann er ja nicht gleichzeitig das Hauptfamilieneinkommen verdienen.
Wie würden Sie denn diese neuen Väter definieren, was müssen die mitbringen?
Die Rolle als aktiver, moderner Vater definiert man so, dass er sich genauso für die Kinder verantwortlich fühlt wie die Frau. Man denkt, das sei eine Selbstverständlichkeit, ist es aber leider nicht. Tatsächlich fallen nur 16 Prozent aller Väter in diese Kategorie. Es ist aber verdammt wichtig für die Kinder, dass sie engagierte Väter haben. Die Kinder, bei denen der Vater gleichermaßen für die Kinder zuständig ist und wirklich aktiv involviert ist, die schneiden im Berufsleben besser ab, haben eine höhere Empathiefähigkeit, höheres Selbstbewusstsein. Es hat nur positive Effekte auf die Kinder, wenn sich eben beide Elternteile intensiv um sie kümmern.
Woher stammen diese Daten?
In einer repräsentativen Online-Befragung mit 3000 Vätern wurden sie abgefragt. Und diese große Umfrage hat eben ergeben, dass nur rund 16 Prozent der Väter in die Kategorie aktiver Vater fallen. Ich finde es doch sehr schockierend, dass wir da immer noch so hinterherhinken.
Liegt es vielleicht auch daran, dass eben auch die Einkommensmöglichkeiten für Frauen noch nicht die gleichen sind?
Ja, so wird immer wieder argumentiert: Weil die Frau weniger verdient. Wenn man in einem Unternehmen eine Frau einstellt, läuft man eher Gefahr, dass sie vielleicht später mal in Elternzeit geht. Wenn jetzt aber gleich viele Väter in Elternzeit gehen würden wie Mütter, würde sich das Problem von selbst erledigen. Insofern ist das natürlich ein Teufelskreis.
Es geht in der Doku auch um ein homosexuelles Paar, das Kinder adoptiert hat. Dass dabei traditionelle Rollenbilder wegfallen, hat laut soziologischen Forschungen auf die Entwicklung der Kinder wenn, dann nur positive Auswirkungen. Was haben Sie da rausgefunden? Homosexuelle Paare sind ja sicher im Alltag noch vielen Vorurteilen ausgesetzt.
Ja, auf jeden Fall. Ich habe einen ganzen Tag bei denen verbracht und dabei haben wir uns natürlich auch privat unterhalten. Es ist wirklich extrem, was für Vorurteilen die beiden ausgesetzt sind, und dass eben viele meinen: Das kann ja gar nicht gut gehen, zwei Väter. Sie bekommen auch permanent Ratschläge: Pass mal auf, ein Kind hält man so! Dabei haben die schon zwei Kinder, und wissen ja mittlerweile auch, wie man sich um Kinder kümmert. Die sind so eine rührende Familie. Von den beiden würde ich mich sofort adoptieren lassen, wenn ich noch mal Kind wäre. Es war so behaglich und kuschelig bei denen. Die sind wirklich ein zauberhaftes Paar.
Es geht auch um Arbeitszeitmodelle. Ist ein modernes Familienmodell noch machbar mit einer 40-Stunden-Woche?
Das ist eben die Frage. Unsere Experten und Expertinnen haben gesagt, dass es neue Konzepte brauche, dass man vielleicht von der 40-Stunden-Woche abrücken solle, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf natürlich leichter wäre, wenn man sich nicht entscheiden müsse, ob einer Teilzeit und der andere Vollzeit arbeitet. Und wenn man mehr Home Office anbieten würde, unabhängig von einer Pandemie, wenn die Arbeitszeiten generell reduziert würden, so dass eben beide meinetwegen 30 Stunden in der Woche arbeiten. Aus persönlicher Erfahrung heraus kann ich das aber nicht beurteilen, weil es bei uns ja noch mal ganz anders aussieht. Wir arbeiten beide projektbezogen und einer von uns ist immer beim Dreh. Aktuell meistens eher ich. Dadurch haben wir nochmal ein ganz eigenes berufliches Konstrukt.
Ein Experte in der Doku sagt: Was jetzt Rolle ist und was Biologie ist, das kann man so genau gar nicht sagen. Klingt spannend.
Man findet ja keine nicht beeinflussten Menschen. Jeder ist mit gewissen Rollenbildern aufgewachsen. Das macht den gesamten Bereich der Genderforschung so spannend, herauszufinden, was erlernte Rollenbilder sind und was wirklich mit der Biologie zusammenhängt. Genau deswegen ist die Väterforschung so spannend und so wichtig.
Ich fand auch spannend, dass ein Stiefvater seinen eigenen Vater ähnlich bewertet hatte wie nun sein Stiefsohn ihn bewertet hat, ohne dass er eben der biologische Vater gewesen wäre.
Es ist natürlich so, dass wir alle Role Models sind und dass Kinder von ihren Eltern etwas abschauen, auch wenn es nicht die biologischen Eltern sind. Da gibt es die Modell-Hypothese und die Kompensations-Hypothese, also dass man als positives wie auch als negatives Beispiel fungiert.
Sie haben ja bereits Familiendokus über Corona gemacht. Haben Sie das Thema diesmal bewusst außen vor gelassen?
Das war in dieser Doku nicht so relevant, weil wir jetzt alle schon eine ganze Weile in der Pandemie sind. Insofern war das jetzt kein neuer Zustand mehr. Wir haben uns allgemein angesehen: Wie hat sich das Vaterbild in den letzten Jahren gewandelt? Daher haben wir die Pandemie nicht explizit erwähnt.
Sie haben bei einem Interview mit meinem Kollegen die Pandemie mit einem Stau verglichen. Und dass man da eben auch nicht genau weiß, wann sie vorbei ist und die Zeit daher auch nicht so richtig nützen kann. Wie fühlt es sich derzeit für Sie an?
Mittlerweile ist es ja so, dass wir alle im Rahmen der Pandemie wieder unserer Arbeit nachgehen. Da steht man natürlich vor besonderen Herausforderungen. Bei einer Produktion musste von einem Tag auf den anderen eine Schauspielerin umbesetzt werden, weil ihr Coronatest plötzlich positiv war. Dann wurde ganz fix eine neue Schauspielerin eingeflogen. Bei einer anderen Produktion war die Fahrerin, die alle Schauspieler ans Set gefahren hatte, positiv. Natürlich fragte man sich da: Oh Gott, sind jetzt alle unsere Schauspieler mit infiziert? Das ist natürlich eine absolute Ausnahmesituation und niemand von uns weiß tatsächlich, wann das vorbei ist.
Ihr Ehemann hat sich bei dem Netflix-Format „Your Life is a Joke“ mit Oliver Polak sehr geöffnet und hat gesagt, er ist ein sehr ungeduldiger Vater …
Ja, das kann ich nur bestätigen, dass er ein sehr ungeduldiger Vater ist und das lässt sich in seinem Fall auch gar nicht leugnen, das ist er definitiv. (Lacht)
Wie viel an eigenen Erfahrungen bringen Sie bei der Erarbeitung einer solchen Doku ein?
Ich setze mich natürlich ganz intensiv mit den Themen auseinander und das ist ja auch ein Themenbereich, dem ich mich schon in diversen Dokumentationen gewidmet habe. Man schaut dann einfach, dass man alles liest, was es zu diesem Thema gibt. Ich finde es generell spannend bei diesen Themen, dass man immer auch selbst auf eine Reise geht, die jedes Mal sehr erkenntnisreich ist.
Sie haben sich auch der Frage "Rabenmütter oder Super Moms?" gewidmet. Was war für Sie der größte Unterschied bei der Herstellung der beiden Formate?
Ich finde es spannend, wie diese Begriffe für Männer und Frauen unterschiedlich genutzt werden. Mütter, die viel arbeiten gehen, werden als Rabenmütter bezeichnet. Väter, die das machen, sind einfach ganz normale Männer. Und was mir auch aufgefallen ist: Als unser Kind zur Welt kam, habe ich ein Mal die Woche gearbeitet, und an diesem Tag hat mein Mann das Kind ins Büro mitgenommen. Er wurde dort quasi mit Jubelstürmen empfangen: "Boah, ein Vater, der sich kümmert, megatoll!" Bei einer Mutter ist das ganz normal, sie ist ja Mutter. Also Väter, die sich kümmern, sind Superdads, und Frauen einfach ganz normale Frauen. Insofern fand ich es schon ganz interessant, mit diesen Begrifflichkeiten zu spielen.
Und wie war es, mit den Kindern zu arbeiten? Hatten die viel Spaß dabei?
Ja, wir hatten zum Beispiel einen Jungen, der war sehr begeistert von der Maskenbildnerin war und hat sich hat dann zeigen lassen, wie man schminkt und welche Lippenstiftfarben es gibt, ich glaub’, der wird einmal Maskenbildner. (Lacht) Die Kinder fanden das alle sehr spannend und hatten echt Spaß bei den Dreharbeiten.
Gibt es schon Pläne für weitere Dokus dieser Art?
Es gibt Pläne für weitere Dokumentationen, allerdings auf einem anderen Sender. Aber ich arbeite wahnsinnig gerne mit ZDF neo zusammen und freue mich, dass man mir hier die Chance gibt, so tolle und wichtige Themen angehen zu dürfen. Und ich hoffe, dass ich das noch ganz lange für ZDF neo machen darf.
Gibt es demnächst eine neue Doku von Ihnen?
Am Ostermontag (18:15 Uhr, Anm.) läuft meine Dokumentation „Und die Moral von der Geschicht`“ im ZDF. Darin geht es um Moral und unter anderem auch um die Frage, woher sie kommt. Ist sie Teil unserer Gene? Ist sie Überlebensinstinkt? Müssen wir sie erst erlernen oder ist der Mensch schon von Natur aus moralisch? Dazu beobachten wir ein spannendes Experiment, das der Frage nachgeht, ob Babys und Kleinkinder bereits moralisch sind. Gibt es einen angeborenen Instinkt von Gut und Böse? Wir gehen in die Psychologie der Thematik, sprechen aber auch mit Menschen, die in ihrem Leben moralische Entscheidungen treffen mussten und beleuchten unter diesem Aspekt auch die aktuelle Situation in der Ukraine.
Wenn man sich ihre letzten Projekte anschaut, dann ging es einerseits extrem in die Kälte, wie bei „Die Alm“, aber auch in sehr warme Gefilde, wie beim „Traumschiff“. Wie waren da die Drehbedingungen, auch in Zeiten der Pandemie?
Es war teilweise absurd, zum Beispiel als wir das erste Mal auf den Malediven gedreht haben. Da hatten die meisten Hotels geschlossen. Und man musste nachweisen, dass man tatsächlich in diesem Hotel untergebracht ist und deswegen auch einreisen darf. Einem Schauspieler hat man das nicht geglaubt. Er musste ein Mal umsteigen und in Paris haben sie ihn nicht weiter fliegen lassen, weil sie ihm nicht geglaubt haben, dass auf den Malediven überhaupt irgendein Hotel geöffnet hat.
Ist das „Traumschiff“ für Sie eine angenehme Abwechslung?
Absolut. Ich freue mich, dass ich diese tollen Doku-Themen bearbeiten kann. Aber es tut auch gut, zwischen den Dokus einfach mal in die Sonne zu fliegen und dann auf dem Traumschiff abzuhängen. Das ist natürlich auch Arbeit und es ist anstrengend und es ist jetzt kein Urlaub. Man muss teilweise schon um 5:30 in der Maske sein. Aber trotzdem fühlt es sich manchmal ein bisschen wie Urlaub an, wenn man dann abends mit der Crew an einem weißen Sandstrand bei Kerzenlicht zu Abend isst. Das hat natürlich auch viel Schönes.
Nach den Weihnachtsfolgen wurde die Qualität der Folgen doch stark in den sozialen Medien kritisiert. Wie nehmen Sie das wahr?
Ich versuche diese Kommentare grundsätzlich von mir fern zu halten, daher habe ich das tatsächlich auch nicht mitbekommen.
Werden Sie auch wieder einmal „Die Alm“ machen?
Mit den anderen Formaten, die ich moderieren werde, und mit dem „Traumschiff“ habe ich dieses Jahr genug zu tun. Ich werde auf jeden Fall keine weitere Staffel moderieren. Aber grundsätzlich habe ich total Lust darauf, auch Unterhaltungsformate zu machen, in denen man auch mal ein bisschen albern sein kann. Ich freue mich wahnsinnig auf die Vielen der Doku-Themen, die ich in nächster Zeit noch angehen werde und ich finde es auch sehr schön und bereichernd, so tief in Themen eintauchen zu dürfen. Aber manchmal, um den Kopf frei zu kriegen nach einem Doku-Format, bei dem man sich ja wochenlang in Studien einliest, finde ich es auch schön, in andere Genres springen zu dürfen.
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