FPÖ-Vorstoß für vorzeitige Ablöse der ORF-Führung stößt auf Ablehnung

Das ORF-Zentrum in der der Hugo-Portisch-Gasse 1: Erstmalige Besetzung der multimedialen Chefredaktionen
SPÖ-Stiftungsrat Lederer: „Keine Mehrheit im Stiftungsrat für Allmachtsallüren“. ÖVP-Pendant Zach: „Würde verheerenden Eindruck machen"

Für schlechte Stimmung zwischen den Koalitionsverhandlern FPÖ und ÖVP ist wieder gesorgt. Kurz bevor man am Freitag erneut und mit „open end“ auch über das Medienkapitel und insbesondere den ORF sprechen will, hat sich der blaue Stiftungsrat und Mitverhandler Peter Westenthaler zu Wort gemeldet. In der ORF-Sendung „Report“ am Dienstagabend meinte er sinngemäß, es müsse eine neue ORF-Geschäftsführung gewählt werden, weil die aktuelle unter Roland Weißmann von einem verfassungswidrigen Stiftungsrat gekürt wurde (siehe Kasten rechts). 

Weißmann wurde im Sommer 2021 vor allem von ÖVP- sowie Grün-nahen Stiftungsräten unterstützt – aber auch vom FPÖ-Vertreter Norbert Steger.

In der Volkspartei wurde der Auftritt Westenthalers mit gemischten Gefühlen kommentiert. Zum einen stößt sich die ÖVP am Stil: „Westenthaler macht nun exakt das, was die FPÖ uns vergangene Woche vorgeworfen hat, nämlich: öffentlich über die Verhandlungen und vor allem über Inhalte zu reden“, sagt ein ÖVP-Stratege.

ÖVP reagiert irritiert

Abgesehen davon irritiert das Team um Christian Stocker auch der Inhalt. „Beim ORF sollte man – wie bei allen Institutionen – zuerst über die Aufgaben, dann über die Struktur und erst am Ende über das Personal reden“, heißt es. Westenthalers lauthals formulierte Ansage, dass das ORF-Management spätestens im Oktober ausgewechselt sein müsse, widerspricht diesem Ansatz.

Vom ursprünglichen Plan, dem FPÖ-Stiftungsrat öffentlich die Leviten zu lesen kam man in der Volkspartei ab. Am Mittwoch traf sich noch die so genannte Strategie-Gruppe, in der vier ÖVP- und vier FPÖ-Verhandler sitzen. Im Sinne der allgemeinen Verhandlungen wollten die ÖVP-Vertreter ihre Kritik an Westenthalers Auftritt zunächst in diesem Gremium deponieren.

Ablöse sachlich und rechtlich nicht geboten

„Der Eindruck, der durch eine vorgezogene Abberufung an der ORF-Spitze vermittelt würde, wäre verheerend“, meint Westenthalers ÖVP-Pendant im Stiftungsrat, Thomas Zach. Zum einen wegen der Kosten, die dadurch entstehen – es müssten alle Verträge bis zum Ablauf ausbezahlt werden. „Aber vor allem dadurch, dass es weder rechtlich noch sachlich geboten ist.“ Deshalb würde man sehr schnell andere Motive dahinter vermuten. Zach: „Mit einer Entpolitisierung des ORF hätte das schwerlich zu tun.“ Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes sei jedenfalls eindeutig in Hinblick auf die Beschlüsse des Stiftungsrates. „Diese waren, sind und bleiben gültig.“

Peter Westenthaler, Stiftungsrat und FPÖ-Verhandler, will eine neue ORF-Führung. Er argumentierte im „Report“ mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom Oktober 2023. Er hat darin u. a. Bestellungsmodalitäten bestimmter (nicht aller) Stiftungsräte mit einer Fristsetzung (31. März 2025) als verfassungswidrig aufgehoben. Er erkannte einen übermäßigen Einfluss der Regierung auf die Zusammensetzung des Stiftungsrats.  

Rechtswirkung bleibt aufrecht

Nach der   Bundesverfassung (Art. 140 Abs. 7 BVG) gilt, dass alle Rechtswirkungen, die das aufgehobene Gesetz bis dahin hervorgebracht hat, gelten. Das bedeutet, dass alle Stiftungsräte bis  Ende der Funktionsperiode rechtmäßig bestellt sind. Auch gelten alle Beschlüsse – von den Jahresabschlüssen bis hin zur Bestellung sämtlicher Mitglieder der ORF-Geschäftsführung. 

Zeit für neue Stiftungsräte läuft ab

Das Höchstgericht verweist zudem im Erkenntnis ausdrücklich darauf hin, dass die Funktionsperiode der Gremien – weil für die Funktionsfähigkeit des Öffentlich-Rechtlichen notwendig – jedenfalls so lange dauert, bis die neu bestellten tagen. 

Nach Fristende mit 31. März können keine Stiftungsräte mehr auf Grundlage der aufgehobenen Bestimmungen bestellt werden.   
 

Das sei auch durch entsprechende Gutachten untermauert, betont der grünnahe Stiftungsratsvorsitzende Lothar Lockl. „Ich ersuche da schon um Redlichkeit. Es läuft ein sehr hartes Sparprogramm im Unternehmen. Da ist es ein Widerspruch, wenn man eine funktionierende Geschäftsführung vorzeitig spazieren schicken will.“ Natürlich setze der Gesetzgeber den Rahmen. „Die Entscheidungen über Programme oder die Finanzfragen fallen aber im Unternehmen und damit im Stiftungsrat mit Mehrheit“, unterstreicht Lockl. „Der ORF ist kein Staatsfunk, er gehört als Stiftung der Allgemeinheit.“

SPÖ-Rat sieht Unterwerfungsgeste des ORF

Hart mit dem ORF ins Gericht geht SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer. Den Auftritt Westenthalers im „Report“ nennt er „eine Unterwerfungsgeste des ORF“. Lederer kritisiert, dass jegliche fachlich-sachliche Einordnung von dessen Äußerungen gefehlt habe und dass das auch danach nicht geschehen ist. „Auch wenn die FPÖ künftig mehr Stiftungsräte stellt, kann sie dort nicht allein agieren. Ich sehe weder jetzt noch nach der Umbildung eine Mehrheit im Stiftungsrat für diese Allmachtsallüren der FPÖ“, sagt Lederer. Die Vorschläge, wie sich der ORF aufstelle, wo und wie eingespart werde, kämen von der Geschäftsführung und nicht von Parteizentralen.

Für hinterfragenswert hält der SPÖ-Stiftungsrat auch die Symbolik, die transportiert wurde, indem Westenthaler allein im Sitzungssaal des Gremiums interviewt wurde – und andere Stiftungsräte, die auch verhandeln bzw. verhandelt haben, nicht. „Was will der ORF damit dem Publikum und den ohnehin verunsicherten Mitarbeitern vermitteln? Diese Willfährigkeit rückt den ORF ohne Not in ein schlechtes Licht und widerspricht auch dem Objektivitätsgebot“, meint Lederer. Er werde deshalb mit den Magazin-Verantwortlichen das Gespräche suchen, und auch mit Generaldirektor und Stiftungsratsvorsitzenden.

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