75 Jahre APA: Bei Interventionen "muss man sagen: Schönen Tag noch“

75 Jahre APA: Bei Interventionen "muss man sagen: Schönen Tag noch“
Die österreichische Nachrichtenagentur APA, die den Redaktionen Meldungen liefert, feiert ihren 75er in einem radikal veränderten Medienumfeld.

Das meistgelesene Medium des Landes richtet sich, eigentlich, nicht an die Öffentlichkeit. Denn die österreichische Nachrichtenagentur APA will mit ihren Meldungen die Redaktionen servicieren: An diese soll schnelle und verlässliche Info gehen – als Rechercheauftakt, als belastbare Grundlage für die journalistische Arbeit oder auch zur direkten Verwendung. In der Geschichte der APA, die derzeit ihren 75er feiert, war sie lange Zeit ein wichtiger Baustein der Medienlandschaft – im Hintergrund. Nun aber steht sie im Rampenlicht.

Meldungen der APA, die als Genossenschafter den ORF und Zeitungshäuser hat, erreichen eine immense Leserschaft auf direktem Wege: Sie gehen quer über sehr viele Internetportale des Landes online und bestimmen so als Erstmeldung oftmals den Eindruck, den die Öffentlichkeit von einem Thema bekommt. APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger (53) über die Rolle des Hauses, Interventionen und Innovation.

KURIER: Wie geht es einem als Chef des meistgelesenen Mediums?

Johannes Bruckenberger: Demütig. Es ist uns bewusst, dass das eine hohe Verantwortung ist. Ich finde es auch interessant, dass ihr uns so seht. Unser Geschäftsmodell ist nach wie vor Business-to-Business: Wir produzieren für die Medien. Aber es ist uns bewusst, dass wir viel mehr als früher direkt beim Leser landen – auch mit unseren Live-Blogs und Videostreams. Es gibt intern auch viele Diskussionen darüber, wie man mit Storytelling und Aufbereitung so agiert, dass es möglichst breit für die Medien verwendbar ist. Unser Grundauftrag seit 1946 ist, richtige, glaubwürdige, vertrauenswürdige Information zu liefern. Das versuchen wir nun auch in all diesen neuen Formaten und in diesem Zeitalter der Desinformation zu erfüllen.

Der erhöhte Bedarf an Vertrauen ergibt sich aus dem höherem Tempo im Medienbusiness: Jede Redaktion geht so schnell wie möglich mit neuen Infos und Nachrichten raus, um die Nase online vorne zu haben.

Als Prinzip muss gelten, dass man sich darauf verlassen kann: Was von der APA kommt, ist richtig.

Wie kann dann so etwas wie bei der Meldung über Frank Stronachs Präsidentschaftskandidatur passieren?

Der Hoax der Tagespresse hat uns vor Augen geführt, dass unsere Standard-Recheck-Prozeduren zum Teil zu kurz greifen – auch wenn sie unter früheren, anderen Umständen vielleicht ausreichend gewesen wären. Natürlich wurde nachtelefoniert, aber die Fakten wurden nicht direkt bei Frank Stronach oder seinem Umfeld nachgeprüft. Der Punkt ist: Hier war es Satire, aber es gibt ein zunehmend professionalisiertes Falschinformationsbusiness. Wir haben deshalb unsere Sicherheitskontrollen weiter verstärkt. Oberstes Gebot ist: Richtigkeit geht vor Schnelligkeit. Es war auch ein Weckruf für die Branche.

Ein Weckruf für die Branche ist auch die Kritik, die einem online entgegenschlägt: Artikel können faktisch richtig sein, und sie werden trotzdem entlang ideologischer Linien scharf kritisiert.

Die Berichterstattung der APA basiert auf journalistischen Werten: zuverlässig, ausgewogen, objektiv, Vermeidung von Parteinahme und Einseitigkeit. Und kein Meinungsjournalismus. Es ist die bestmögliche Suche nach Wahrheit, und zwar täglich. Es gibt nun das Phänomen, dass man sich in der Mitte bewegt – und plötzlich anders gesehen wird, weil alle von ihrem Standpunkt aus urteilen. Von rechts wird uns unterstellt, wir seien ohnehin Linke. Und von links wird uns unterstellt, dass wir eigentlich nur das Sprachrohr der Regierung seien. Das kann man so nur zur Kenntnis nehmen. Unser Job ist es, kritisch gegenüber den Mächtigen zu sein, sie zu kontrollieren. Die Regierung und die Opposition. Es geht natürlich darum, zu berichten, wenn etwas aus dem Ruder läuft.

Die APA ist aber neben dem ORF der vielleicht effizienteste Ort für Interventionen: Wer bei euch etwas erreicht, beeinflusst viel.

Da muss man unterscheiden. Es gibt unbotmäßige Interventionen, und da muss man einfach sagen: Die Berichterstattung ist journalistisch gedeckt und zulässig – schönen Tag noch. Dass Interventionen in letzter Zeit mehr geworden wären, kann ich nicht bestätigen. Der Kanzler hat mich schon lange nicht mehr angerufen. Und es gibt auch Anrufe und Hinweise, die noch keine Intervention sind. Wir sind nicht so arrogant zu glauben, dass wir keine Fehler machen. Man braucht da auch eine gute Fehlerkultur.

Denn die Bedingungen für Journalismus werden nicht besser.

Und zugleich gibt es eine extreme Professionalisierung der politischen PR und Medienarbeit. Dort steht immer mehr Personal zur Verfügung, während die innenpolitischen Redaktionen quer durch das Land kleiner geworden sind. Die politische Kommunikation hat inzwischen die Möglichkeiten und eigene Kanäle, den Diskurs selbst in gewisse Richtungen zu drehen, wie es zuletzt beim „Sommergespräch“ des Kanzlers zu sehen war. Wir können auf diese Tendenzen nur mit der Fokussierung auf unsere klassischen journalistischen Tugenden reagieren: Nicht vereinnahmen lassen. Faktenbasierte Recherchen. Unparteilich einordnen. Das Wesentliche vom Unwesentlichen trennen.

Die APA ist über den Journalismus hinaus auch Innovationsdienstleister für Medien.

Wir haben ein neues Data- und Graphics-Team aufgestellt, wir wollen Datenjournalismus, Podcasts und automatisierte Texterstellung weiter ausbauen. Da geht es nicht darum, Journalisten zu ersetzen. Sondern etwas zu bieten, das man sonst nicht schaffen kann: etwa bei einer Nationalratswahl 2300 Meldungen mit regionalen und lokalen Ergebnissen zu produzieren. Und künftig werden wir das Klimathema auf ähnlich hohem Niveau wie die Corona-Pandemie gesamthaft beleuchten.

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