Irgendwann reichte es Dillon mit dem Hollywood-Getöse und er wandte sich der Indie-Szene zu. Jetzt, mit 57 Jahren, leistet er sich den Luxus, in kleinen, wenig Geld einspielenden, internationalen Arthouse-Filmen zu spielen. Etwa in Alice Winocours Weltraumfilm „Proxima“, in Lars von Triers irrem Gemetzel „The House That Jack Built“ oder eben jetzt in Shirin Neshats „Land of Dreams“. „Ich gehe dorthin, wo die Musik spielt, wo etwas passiert, das mich interessiert“, sagt Dillon beim Interview im Wiener Hotel Intercontinental. „Ich mag es, mit ganz unterschiedlichen Filmemachern zu drehen. Am liebsten arbeite ich mit jenen, die keine typischen Filmemacher sind so wie Shirin Neshat. Sie ist Künstlerin, hat eine authentische Stimme und ein hohes kreatives Potenzial. Sie will kein Produkt schaffen, sondern etwas, das ihr am Herzen liegt.“
Aber das muss man sich auch leisten können, nicht auf Besucherzahlen zu schielen, oder? „Klar, leben sollte man schon können von dem, was man tut. Zum Glück liebe ich Genrefilme, die haben mir ein gutes Auskommen ermöglicht“. Das einzige Genre, das Dillon nicht mag, sind Horrorfilme. „Obwohl, wenn man es genau nimmt, habe ich einen Ebensolchen mit Lars von Trier gedreht. Das Kuriose ist: Er entführt einen zu den finstersten Plätzen und schafft gleichzeitig am Set eine Umgebung, die kreativ und erfüllend ist. Er ist, so würde ich es ausdrücken, ein ehrenhafter Mann. Er sagt, du musst nichts machen, was du partout nicht machen willst. Und – für mich das Wichtigste bei einem Regisseur – er weiß genau, was er will. Also um es kurz zu machen: Selbst wenn seine Filme brutal und verstörend sind, er ist es nicht“.
Dennoch habe es Konflikte mit von Trier gegeben: „Ich versuche nicht über die Charaktere zu urteilen, die ich spiele, aber meistens lasse ich mich in die Rolle hineinfallen. Das war in diesem Fall, wo ich den Serienmörder spiele, sehr hart. Ich musste manche Szenen infrage stellen, mit Folterszenen habe ich echt nichts am Hut“.
Es war also leichter, mit Shirin Neshat und Soja Azari bei „Land of Dreams“ zu arbeiten? „Es geht nicht um leicht oder schwer, jeder Film ist seine eigene Welt. Wir haben in einem Indianerreservat rund um Albuquerque in New Mexico gedreht, einem für mich ganz unbekannten Flecken Amerika. Ich habe mich dort wohlgefühlt. Kennen Sie dieses Gefühl zu arbeiten, aber du hast nicht den Eindruck, dass du arbeitest? So ging es mit dort. Ich bin hingegangen, bin mit meiner Harley herumgekurvt, war happy, an so einem kreativen Projekt teilhaben zu können. Auch Gus Van Sant oder Francis (Ford Coppola, Anmerkung) sind imstande, so eine Atmosphäre zu schaffen. Dass man gerne hingeht, weil man weiß, das bringt mich weiter“.
Hat es einen prägenden Film in seiner Karriere gegeben, der seinem Weg einen andere Richtung gab? „Ich habe bei jedem Film etwas gelernt, auch wenn er nicht so gut war. Ich habe zum Beispiel ganz am Anfang, als ich noch jung war, einen Film mit Arthur Penn und Gene Hackman gedreht ,Target’. 1985. Ein Melodram zur Zeit des Kalten Kriegs, kein großer Film. Aber ich wollte unbedingt mit Gene Hackman arbeiten. Was ich sagen will: Ich bin nicht stolz auf diesen Film, aber ich habe viel von Gene gelernt. Das war eine wertvolle Sache für mich. Auf ,Drugstore Cowboy“ von Gus wiederum bin ich stolz, das ist ein wirklich guter Film. Dann natürlich auf Coppolas ,Rumble Fish’“.
All diese Filme mit ihren visionären Regisseuren hätten ihn auch bei seinen eigenen beiden Regiearbeiten beeinflusst. „Meinen ersten Film ,City of Ghost’ habe ich in Kambodscha gedreht, mit viel Leidenschaft, mit vielen Traumsequenzen drin. Ich liebe Träume, Träume in Filmen. Natürlich sagte damals das Studio, MGM, als Erstes, als sie den Film sahen: Die Traumsequenzen müssen raus. Und natürlich habe ich das nicht gemacht. Wenn du eine Vision hast, musst du dazu stehen“.
Auch in der Politik hat Dillon seine Meinung. Ob er froh sei, dass Donald Trump nicht wieder gewählt wurde? „Oja, das kann man sagen, und wie. Als die Wahl stattfand, waren wir gerade mitten in den Dreharbeiten zu ,Land of Dreams’. Es gab viel Zorn und Frust im Team über Trump und das, was er angerichtet hatte. Da saßen wir also alle beisammen am Wahlabend und wurden immer depressiver, weil Trump ja anfangs vorne lag. In der Früh rief mich dann mein älterer Bruder an und fragte: Hey, wieso bist du so schlecht aufgelegt? Dreh doch mal den Fernseher auf. Biden hatte gewonnen. Wir atmeten alle auf. Es war Zeit, dass Trump geht“.
In den letzten Jahren verbrachte Dillon immer wieder Zeit in Europa – nicht, weil er hier so viel drehte, sondern weil seine Freundin Italienerin ist. „Wir haben einen Großteil der Pandemie in Rom verbracht, weil es dort einfach schön ist, und die Italiener eine solche Lebensfreude haben. Ich habe mich rasch eingefunden in diese Lebensart. Auch Wien mag er: „Ich war schon ewig nicht hier, zuletzt zur Präsentation von ,Rumble Fish“ 1983. Hier in Wien spielt mein absoluter Lieblingsfilm ,Der dritte Mann’. Carol Reed ist einer meiner All-Time-Favoriten unter den Regisseuren“. In Wien gezeigt hätte Dillon auch gerne seine neue Regiearbeit, „El Gran Fellove“. „Leider sind die Screenings bei Festivals beschränkt. Aber ich verspreche: Ich werde den Wienern den Film zeigen. Spätestens im nächsten Jahr“.
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