Im Kühlschrank der Gefühle

Schon bald im Tod vereint: Sarah Viktoria Frick (li.) als Klara und Regina Fritsch als deren Mutter.
Hebbels "Maria Magdalena" als bemühtes Unterfangen am Wiener Burgtheater.

Auch das gibt es am Theater. Da macht ein Regisseur ziemlich viel richtig, da gibt es ein beeindruckendes Bühnenbild, da sind großartige Darsteller am Werk – und dennoch fragt man sich am Ende: Warum das Ganze?

Die Rede ist von Friedrich Hebbels bürgerlichem Trauerspiel "Maria Magdalena", das Regisseur Michael Thalheimer am Wiener Burgtheater als unterkühlte Familienaufstellung präsentiert. Denn wirklich zeitgemäß ist das 1846 uraufgeführte Drama um Ehre, Schande und Scheinmoral nicht mehr.

Schande

Worum geht es? Um eine Familie, die zerfällt. Der Vater ist ein bornierter, bigotter Tischler. Die Mutter ist anfangs todkrank, landet bald im Grab. Tochter Klara wiederum ist schwanger von einem berechnenden Mann namens Leonhard, der sie nicht liebt, und den sie nicht liebt. Ihr Bruder Karl wird fälschlich des Diebstahls bezichtigt, auch er bringt somit "Schande" über seine Sippe. Wie auch Klara, die trotz ihrer Schwangerschaft vom herzensguten Friedrich geliebt wird, sich aber für den Freitod entscheidet, um den Moralvorstellungen des Vaters zu entsprechen. Und um Glauben und Gott geht es auch noch. Ein bisschen viel.

Szenenbilder aus "Maria Magdalena"

Im Kühlschrank der Gefühle

FOTOPROBE BURGTHEATER: "MARIA MAGDALENA"
Im Kühlschrank der Gefühle

FOTOPROBE BURGTHEATER: "MARIA MAGDALENA"
Im Kühlschrank der Gefühle

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Im Kühlschrank der Gefühle

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Im Kühlschrank der Gefühle

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Im Kühlschrank der Gefühle

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Im Kühlschrank der Gefühle

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Im Kühlschrank der Gefühle

FOTOPROBE BURGTHEATER: "MARIA MAGDALENA"

Sargschachtel

Das hat sich wohl auch Regisseur Thalheimer gedacht, der Hebbels Stück gründlich gestrafft hat. Eine Stunde und 45 Minuten dauert es, bis die gar nicht heile Spießerwelt mit Klaras Selbstmord endgültig zerfällt. Olaf Altmann verleiht diesem Umfeld mit grauen Wänden und einer Art hochgestellter Sargschachtel samt Kreuz die passende Enge, und Thalheimer lässt zur bedrohlich wabernden Musik von Bert Wrede seine Darsteller ihr großes Leid verbal vor sich hertragen. Interaktionen sind in diesem Kühlschrank der Gefühle bewusst auf ein Minimum reduziert.

Jeder lebt für sich allein. Jeder stirbt für sich allein. Das ist die Botschaft. Die kommt auch an, denn das Burgtheater hat großartige Schauspieler. Sarah Viktoria Frick etwa, die in ihrem Untergang zu immenser Stärke findet. Auch Tilo Nest, der einen meist polternden, immer moralinsauren Sturkopf gibt. Oder Regina Fritsch, die das Sterben der Mutter in einem berührenden Selbstgespräch zeigt.

Auch Tino Hillebrand als reduzierter Karl, Lucas Gregorowicz als widerlicher Karrierist, Albrecht Abraham Schuch als braver Friedrich und Johann Adam Oest als luxuriös besetzter Kaufmann zeigen ihr hohes Können. Ins Heute holen können sie Hebbel aber nicht. Wahrscheinlich geht das auch gar nicht.

Im Kühlschrank der Gefühle
Sarah Viktoria Frick als Klara und Tilo Nest als Meister Anton.

Werk Hebbels " Maria Magdalena" wurde 1846 in Königsberg uraufgeführt und gilt als das letzte "bürgerliche Trauerspiel".

Inszenierung Gestrafft, formalistisch, kühl.

Spiel Von allen sehr gut. Sarah Viktoria Frick berührt manchmal sogar.

Ort Im großen Burgtheater. Das Akademietheater wäre für diese intime Tragödie der Gefühle als Spielstätte viel besser geeignet.

KURIER-Wertung:

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