„Manon Lescaut“ an der Staatsoper: Bittere Tränen in der Shoppingmall
Es war – um es in der Fußballersprache zu formulieren – eine Art Wiener Derby. Auf der einen Seite „Cabaret “ an der Volksoper, auf der anderen Seite Giacomo Puccinis „Manon Lescaut“ an der Staatsoper. Und offenbar (siehe Kritik unten) war das Haus am Gürtel klarer Sieger.
Dabei wäre es zu diesem Match fast nicht gekommen, denn die Wiederaufnahme von Robert Carsens auch umstrittener Inszenierung des Puccini-Reißers hätte schon drei Tage über die Bühne gehen sollen. Die Pandemie kam dazwischen, das lang erwartete Rollendebüt von Asmik Grigorian in der Titelpartie musste also ein bisschen warten.
Herausfordernde Rolle
Grigorian, die für so viele Sternstunden gesorgt hat, tat sich mit der Manon anfangs auch ein wenig schwer. Sicher: Die litauische Sopranistin verfügt über alle für diese extrem herausfordernde Rolle notwendigen Töne, sie ist aber bei einem Richard Strauss weit besser aufgehoben als bei Puccini.
Darstellerisch gibt die große Künstlerin alles. Ihre Manon ist Hure und Heilige zugleich, eine Kokotte, die in der Shoppingmall bittere Tränen weint und von der ewigen Liebe träumt. Vokal gibt es da aber noch Luft nach oben, vor allem in den tieferen Registern.
Brian Jagde wiederum ist ein kraftvoller Puccini-Tenor, der auf seine vorhandenen Höhen setzt und als Des Grieux stimmlich durchaus noch ein wenig differenzierter sein dürfte. Sympathisch ist er allemal. Boris Pinkhasovich gibt einen guten Lescaut, der seine Manon gegen gutes Geld verschachern will. Mit dem Geronte von Antyom Wasnetsov findet er dafür den passenden Partner.
Viel zu schwach agiert leider Josh Lovell als kaum hörbarer Edmondo. Das übrige Ensemble samt Chor erfüllt seine Aufgaben gut.
Was aber dieser „Manon Lescaut“ besonders abgeht, ist das Zusammenspiel der Protagonisten. Vieles wirkt einfach aufgesetzt, alle sind unendlich bemüht. Eine stringente, in sich homogene und konzise Aufführung ergab sich bei der Wiederaufnahme allerdings noch nicht. Aber das kann in den Reprisen ja noch werden. Die Voraussetzungen wären ja da. Das Publikum erfreulicherweise auch wieder. Und die Regie von Robert Carsen ließe das durchaus zu.
Mehr Feinschliff
Francesco Ivan Ciampa zeigt am Pult des an sich soliden Staatsopernorchesters aber auch, dass das Haus am Ring in Sachen Dirigenten absolut noch zulegen darf. Denn auch ein Puccini ist nicht nur laut. Genau daran könnte Ciampa noch arbeiten, das Orchester dazu hätte er. Hier noch ein bisschen mehr Feinschliff, dort mehr Italianità – und Puccini käme zu seinem Recht. Das Publikum dankte mit freundlichem Beifall für alle Beteiligten.
Peter JaroLin
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