"Cabaret" : Ein über die Zeiten gültiger Broadway-Hit

von Susanne Zobl
Die besten Momente im Theater sind jene, die zu Tränen rühren, auch wenn man sie schon kennt. Davon gibt es in Gil Mehmerts Inszenierung von „Cabaret“ nicht wenige, was die Produktion von John Kanders Musical 2019 zu einem der größten Triumphe der Ära Robert Meyer an der Volksoper werden ließ. Nun, in der letzten Spielzeit seiner Direktion, ist sie wieder zu sehen. Das Beste: in der Premierenbesetzung.
Da waren sie wieder, diese Momente. Etwa wenn Ruth Brauer-Kvam mit dem Song „Willkommen“ den Auftakt gibt. Sie zeigt den Conférencier als verletzliche Gestalt, seltsames Zauberwesen, Dämon, Spielemacher oder Luftgeist von unbändiger Energie. Sie ist auch eine jener Kräfte, die den Erfolg dieser Produktion bedingen.
Die andere Kraft geht von der intensiven Bettina Mönch aus. Sie lässt als stimmstarke Sally Bowles keinen Wunsch offen, intoniert ihre Songs hinreißend. Die dritte Kraft ist Mehmerts Regie. Er demonstriert, dass man auch nach Bob Fosses fulminanter Verfilmung (1972) mit Liza Minelli diesen Stoff brillant zeigen kann.

Basis ist Christopher Isherwoods autobiografischer Roman „Goodbye to Berlin“, den er über seinen Aufenthalt in der deutschen Metropole während des aufkommenden Nationalsozialismus schrieb. Heike Meixner komprimiert auf der klug konzipierten Drehbühne die Beschaulichkeit bei der Zimmervermieterin Fräulein Schneider (exzellent mit Berliner Idiom Dagmar Hellberg, alternierend mit Angelika Kirchschlager) mit dem Glitter-Kosmos des Kit-Kat-Clubs.
Figuren wie expressionistischen Gemälden entstiegen stehen da trommelnden Braunhemden gegenüber. Mehmert macht spürbar, wie das lauter werdende Ungemach von rechts immer präsenter wird. Assoziationen zur Gegenwart drängen sich dabei auf.
Doch zurück zu diesen aufwühlenden Momenten: Die gibt es in fast jeder einzelnen Szene mit Robert Meyer als Obsthändler Herr Schultz. Allein die Art, wie er mit ein paar Orangen um die Gunst der Schneider wirbt, ist filigrane, feinste Schauspielkunst, verstörend sein „Mieskeit“.
Johanna Arrouas ist eine Luxus-Besetzung als Fräulein Kost. Jörn-Felix-Alt, ein sympathischer Cliff Bradshaw. Oliver Liebl und Jakob Semotan ergänzen sehr gut. Melissa Kings Choreographie besticht. Am Pult des animierten Volksopernorchesters lässt Lorenz C. Aichner nichts vermissen.
Am Broadway fiele diese bejubelte Vorstellung in die Kategorie „the hottest ticket in town“.
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