Kommunikationsdreh
In der Reaktion auf die Doku kommunizierte Pölsler – nach einer mehrtägigen Nachdenkpause – jedoch Ansätze von Einsicht: Er wolle mit Schauspielerinnen, die sich durch seine Regieführung verletzt fühlen, das Gespräch suchen und sich entschuldigen, hielt er in einem Statement fest. Übergriffs- und einige andere Vorwürfe der NDR-Doku „Gegen das Schweigen“ wies er zwar zurück, gestand aber ein: Er habe „sicherlich in der Vergangenheit mitunter zu heftig, zu emotional und zu laut gegenüber manchen SchauspielerInnen und Teammitgliedern reagiert“.
Er sehe sich jedoch „als Teil dieser Branche im Wandel an“ – gemeint ist, dass sich nicht zuletzt durch #MeToo das Verhältnis von Mächtigen und Untergebenen geändert hat und daher die Mächtigen (Regisseure, Schauspielstars, Produzenten) gefordert sind, diese neuen Gegebenheiten zu internalisieren.
Ein opportunes Lippenbekenntnis oder eine echte Kehrtwende? Das werden die nächsten Pölsler-Drehs zeigen. Heuer noch soll für ServusTV der sechste Altaussee-Krimi entstehen.
Paulus Manker wählt die gegenteilige Kommunikationsstrategie – und bezeichnet Pölslers Verbalbekenntnis in einem missglückten ORF-Interview als „erniedrigend“. Darin unterspielte er die in der Doku geäußerten Vorwürfe gegen ihn und wies diese im Großen und Ganzen zurück. Die Doku sei „tendenziell“ (gemeint ist tendenziös), die langjährige gute Zusammenarbeit Mankers mit Schauspielern werde nicht erwähnt. Er sei nicht so arrogant zu sagen, dass er alles richtig gemacht habe, werde sich aber nicht so „erniedrigen“ wie Pölsler und seine Arbeitsweise vollständig ändern.
Manker, dessen „Alma“ Start für manche große Karriere war, spielte dabei den Ball zurück nach unten. Die Kritik komme von „Kleingeistern“ und „Blockwarten“ und von „AMS-Zombies“, die das Arbeitsmarktservice ihm schicke. Er werde zwar über die Vorwürfe nachdenken, hatte aber schon vorab eine Lösung parat: Er werde „genau überlegen, wen ich künftig engagiere, damit mir das nicht später auf den Kopf fällt“.
Und jetzt?
Mit dieser verbalen Renitenz gegenüber den Anforderungen der Gegenwart darf sich Manker – hinter dessen ruppiger Fassade manche übrigens Nuancen orten – auf der sicheren Seite fühlen. Die bisherige #MeToo-Bilanz hat gezeigt, dass Männer auch bei viel schwerwiegenderen Vorwürfen als jene gegen Manker kaum je nachhaltige Karriereschäden erleiden.
Trotzdem ist bemerkenswert, wie die beiden sich im Diskurs positionieren. Der eigentliche Erfolg der Doku – und der Beharrlichkeit der Kulturwelt, den Machtmissbrauch anhaltend zum Thema zu machen – ist ohnehin, dass sich die beiden überhaupt positionieren müssen. Deshalb ist die Kritik daran, dass Manker die TV-Bühne bekommt – und die skurrile Vorabentschuldigung des ORF dafür – fehl am Platz.
Denn wer bei solchen Auftritten nicht ins Grübeln über Männer, Macht und zeitgemäßes Management von Menschen kommt, hat sein Sensorium weit runtergedreht. Für die anderen gilt: Im besten Fall ermöglichen die mutigen Frauen der Kultur manch anderer Frau, Machtmissbrauch zumindest zu thematisieren – oder sich zu wehren. Nur hat in der normalen Arbeitswelt leider kaum jemand die Bühne, derart wirkungsvoll aufzustehen.
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