Doku zu #MeToo im Film und Theater: Zwei Österreicher im Fokus

Doku zu #MeToo im Film und Theater: Zwei Österreicher im Fokus
NDR-Doku “Gegen das Schweigen” ist seit Dienstag abrufbar und behandelt Machtmissbrauch und sexualisierten Machtmissbrauch in der Schauspielbranche.
Eine NDR-Doku zu Machtmissbrauch und sexualisiertem Machtmissbrauch in der Film- und Theaterbranche, die seit Dienstag in der ARD-Mediathek abrufbar ist, thematisiert die anhaltend problematischen Arbeitsbedingungen, insbesondere für junge Schauspielerinnen und Mitarbeiterinnen abseits des Rampenlichts.
Schauspielerin Verena Altenberger betonte in der Doku, dass jeweils der Täter verantwortlich für Machtmissbrauch sei - und dass es “rund um den Täter ein System gibt, das begünstigend mitträgt”.
Im Zentrum der Recherchen stehen auch zwei österreichische Regisseure.
 

Stark hierarchisch und von Abhängigkeiten geprägt 

Das Thema Machtmissbrauch ist in der Film- und Theaterbranche, die stark hierarchisch und von Abhängigkeiten geprägt ist, durch die #MeToo-Bewegung in den Fokus gerückt. 

Für die Doku “Gegen das Schweigen” von Kira Gantner und Zita Zengerling seien mehr als 200 Gespräche geführt worden. 70 der Gesprächspartner haben eidesstattliche Versicherungen abgegeben, 40 haben die Macherinnen der Doku zum Interview getroffen. 

"Blas mir einen und dann schauen wir weiter"

Thematisiert werden übergriffige Castings (auch in Privatwohnungen alleine mit den Regisseuren), Beschimpfungen und Beleidigungen auf der Bühne und am Filmset und die Strukturen in der Schauspielbranche, die das ermöglichen. 

Es gehe auch um die „Mittäter, die das geschehen lassen“, heißt es an einer Stelle der Doku. Stellvertretend schilderte Schauspielerin Sarah Scharl ihre negativen Erfahrungen. Ihr sei gesagt worden: „Du willst den Vertrag verlängert haben, dann blas mir einen und dann schauen wir weiter.“

Viele der Vorwürfe richten sich gegen anonyme mutmaßliche Täter, drei Namen werden genannt, zwei davon aus Österreich: Schauspieler und Regisseur Kida Ramadan („Four Blocks“, “Asbest”), Theatermacher Paulus Manker und Regisseur Julian Pölsler (“Die Wand“).

Zu Manker seien rund 50 Schauspielerinnen und Schauspieler aus einem Zeitraum von mehr als 15 Jahren befragt worden. Viele davon bleiben anonym, mehrere berichten aber namentlich von „Beschimpfungen der grauslichsten Art und Weise, täglich“ und von körperlichen Übergriffen durch Manker. 

Schauspielerin Zuzana Cuker berichtet von verbalen Beleidigungen, Anna Werner Friedmann, die ihre Rolle in „Alma“ 2023 hingeschmissen hat, von ihren Erlebnissen. 

Manker wollte sich für die Doku nicht äußern. Dem KURIER schrieb er am Dienstag: "Wenn darin Unwahrheiten über mich vorkommen, werde ich klagen."

“Es war ein Fertigmachen, es war laut, es war aggressiv”

Regisseur Pölsler werden „mutmaßliche Grenzüberschreitungen“ bei Frauen am Anfang der Karriere vorgeworfen. Er habe Schauspielerinnen und Mitarbeiterinnen bei Dreharbeiten bei sich zu Hause wohnen lassen bzw. vorgeschlagen, dies zu tun. Der Produktionsleiter habe dazu auf Anfrage erklärt, die “Frauen seien mündig gewesen und hätten Unbehagen artikulieren können”. Heute würde er einer solchen Wohnsituation nicht mehr zustimmen. 

Am Set sei die Arbeit mit Pölsler “definitiv eine traumatisierende Erfahrung” gewesen, sagte Schauspielerin Lisa Lena Tritscher: “Es war ein Fertigmachen, es war laut, es war aggressiv”, sagte sie. Sie “glaube nicht, dass ihm bewusst ist, was er mit seinem Verhalten auslöst.” In der Doku heißt es, es gebe ein Video eines Castings, bei dem Pölsler die Gesichter von Schauspielerinnen in seinen Schritt drückt.

Pölsler habe “auch nach wiederholten Anfragen kein Interview geben wollen”, heißt es in der Doku. Sein Anwalt habe geschrieben: “Mein Mandant weist die von Ihnen vorgebrachten Anschuldigungen aufs Schärfste zurück. Diese sind insgesamt unrichtig und für meinen Mandanten nicht nachvollziehbar und völlig neu.” 

Es sei Pölsler “immer gelungen, den brancheninternen Standards nachzukommen”. Er sei sich der Sensibilität der Thematik bewusst. Der KURIER hat bei Pölsler um ein Statement angefragt.

Das Resümee in der Doku lautet: “Hat Julian Pölsler Grenzen überschritten? Es bleibt ein Verdacht. Denn es gibt kein Urteil in der Sache gegen ihn und meist auch nicht gegen die anderen hier genannten mutmaßlichen Täter.”

Mitarbeiter haben sich “in Ecken verzogen, um sich auszuheulen”

Der dritte Fall betrifft den deutschen Schauspieler Kida Ramadan. Mehrere Mitarbeiterinnen der Serie “Four Blocks” berichten von Beleidigungen, Beschimpfungen und cholerischen Ausbrüchen. Im Team habe es Verzweiflung und Tränen gegeben. 

Ramadan habe sich später entschuldigt und auf Anfrage mitgeteilt, “hart daran zu arbeiten, das zu ändern, auch mithilfe einer Therapie”. Die Produktionsfirma Wiedemann & Berg habe betroffene Mitarbeiterinnen hinter der Kamera nicht unterstützt oder geschützt, heißt es. Inzwischen betonte die Firma, etwa eine Ansprechstelle eingerichtet zu haben. 

Auch bei der ARD/Degeto-Produktion “Asbest” habe es “ständige Schikane für Kleinigkeiten” gegeben, Mitarbeiter haben sich “in Ecken verzogen, um sich auszuheulen”. 

Degeto habe nach eigenen Angaben von den Vorwürfen erfahren und “sofort reagiert”, nach einer Aussprache habe sich “das Klima sofort verbessert”. Ramadan habe Fehler zugestanden.

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