Ludovic Tézier hat das als unendlich berührender Amfortas im Haus am Ring vokal wie darstellerisch eindrucksvoll bewiesen. Auch wenn im realen Leben – anders als bei Wagners Bühnenweihfestspiel – die Zeit nicht zum Raum wird. „Wir leben leider in einer komischen Zeit“, so der international gefragte Künstler und „leidenschaftlicher Hobbykoch“. „Die Regieanweisungen kamen über den Computer, da Regisseur Kirill Serebrennikow Moskau nicht verlassen darf. Dazu hatten wir die täglichen Tests, die Masken und vieles mehr– insofern ist es ein Wunder, dass diese Produktion möglich wurde. Es ist wie ein schöner Traum und war eine unglaubliche Erfahrung.“
Erfahrung mit Wagner hatte Tézier auch schon vor seinem internationalen Rollendebüt als Amfortas. So zählt die Rolle des Wolfram von Eschenbach aus „Tannhäuser“ zu den absoluten Lieblingspartien des nahezu perfekt Deutsch sprechenden Sängers. Tézier lachend: „Einige Ausdrücke kenne ich natürlich immer noch nicht, aber die deutsche Sprache hat mich immer schon fasziniert. Einfach deshalb, weil ich den Liedgesang so liebe, und für Schubert oder Schumann muss man das einfach können. Außerdem sind wir Franken in gewisser Weise ja auch Deutsche. Und die Musik kennt keine Grenzen.“
Dass viele Grenzen aufgrund der Pandemie inzwischen geschlossen sind, erfüllt Tézier mit Trauer. Aber: „Es wird weitergehen und es muss weitergehen“, gibt er sich auch in Hinblick auf die für August geplanten Vorstellungen von Giacomo Puccinis „Tosca“ bei den Salzburger Festspielen optimistisch. „Das muss einfach stattfinden! Ich freue mich schon so auf den Baron Scarpia. Zudem ist es erwiesen, dass im Theater bei Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen keine Gefahr einer Corona-Infektion besteht. Salzburg hat das schon vergangenes Jahr sehr gut vorgemacht.“
Doch gibt es auch Pläne für die Wiener Staatsoper? „Ja, wir haben da wunderschöne Pläne. Das wird ein Hammer. Los geht es mit dem Germont in Verdis ,La Traviata’ kommenden September. Und ich habe trotz Wagner keine Lust, einen Verdi oder einen Mozart aus meinem Repertoire wegzulassen. Ich will mich in möglichst vielen Stimmfächern beweisen. Ich habe in den Zeiten der Pandemie sechs Partien ganz neu gelernt, die ich auch in Wien gerne zeigen möchte. Und ein Amfortas vor Publikum wäre auch ein Geschenk.“
Peter Jarolin
Elina Garanča als Kundry ein Ereignis
Neben Ludovic Tézier hat auch Elina Garanča als Kundry in Wagners „Parsifal“ ihr internationales Rollendebüt gegeben. Und wie bei Tézier darf auch dieses als Ereignis gelten. Doch wie ist es für die gefeierte Mezzosopranistin, eine Kundry ohne Publikum zu singen?
Wahrnehmung
„„Es ist ungefähr so, als würde man ein Buch lesen, aber entweder ohne Vokale oder ohne Konsonanten. Aber man versucht es. Mit den Kollegen, mit dem Orchester, mit dem Dirigenten. Aber es fehlt natürlich wirklich ein riesengroßer Teil – das Publikum. Diese kleinen Geräusche, die wir auf der Bühne wahrnehmen. Das Husten, die Bonbons, das Aufstehen oder sogar das Miteinander-Reden – wir würden auf der Bühne das alles verzeihen. Und ich kann nur hoffen, dass wir all das sehr bald wieder hören dürfen. Denn es ist einfach nicht normal, was hier auch hinter unserem Rücken passiert. Die ganze Branche leidet sehr. Und man stellt sich mehr und mehr Fragen. Was macht die Pandemie, was macht die Politik mit uns?“
Denn, so Garanča: „Wir alle brauchen Nahrung. Und ich rede nicht vom täglichen Brot oder gar vom Fressen. Ich rede von seelischer Nahrung. Die brauchen wir dringender denn je zuvor. Insofern war und ist die Kundry für mich eine seelische Nahrung, die wir wenigstens via Streaming weitergeben wollen. Aber Streaming kann niemals den Live-Charakter mit dem Publikum, mit den Menschen ersetzen. Da geht es um Nähe, um Umarmungen, nicht um Distanz oder virtuelle Angebote.“
Nähe
Die Nähe zu den Menschen hofft Elina Garanča spätestens im Sommer wieder zu finden, wenn der Weltstar am 7. Juli in Göttweig bei „Klassik unter Sternen“ und am 10. Juli in Kitzbühel bei „Klassik unter Sternen“ auftritt. „Wir wollen diese Konzerte unter Einhaltung aller denkbaren Präventionskonzepte mit Publikum machen und den Menschen ein wenig Zuversicht und Hoffnung geben. Denn mir kommen die Tränen in die Augen, wenn ich in Wien Menschen auf der Straße treffe, die mir sagen: Ich vermisse das alles so sehr! Darauf sollten wir auch im Opernbereich Antworten finden und Angebote bereitstellen. Die Salzburger Festspiele und das Musikfestival Grafenegg haben schon im Vorjahr gezeigt, dass es gehen kann.“
Treue
Und die Wiener Staatsoper? Lachend: „Es regnet international Angebote, vor allem nach der Kundry. Die kann man als Sopran singen, die kann man als Mezzosopranistin singen. Ich bin und bleibe eine treue Mezzosopranistin und ich bleibe Wien treu. So wird etwa die Fürstin von Boullion in Francesco Cileas ,Adriana Lecouvreur’ kommen, auch die lang ersehnte Amneris in Giuseppe Verdis ,Aida’ wird endlich eine Bühne betreten.“
Garanča: „Und mir wurden – allerdings nicht in Wien – sogar Partien wie die Isolde in Wagners ,Tristan’ und auch die Marschallin im ,Rosenkavalier’ von Richard Strauss angeboten. Für die Isolde ist es aber noch etwas zu früh, und die Marschallin interessiert mich nicht. Ich war lange der Octavian und kenne daher diese Frau viel zu genau.“
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