Langsames Zerbrechen am Verlust

Ewan McGregor in „Amerikanisches Idyll“ (mit Ocean James als junge Merry)
Interview mit Ewan McGregor, der mit Philip Roths Romanverfilmung "Amerikanisches Idyll" sein Regie-Debüt ablieferte und auch die Hauptrolle spielt.

Eigentlich hätte Ewan McGregor nur die Hauptrolle spielen sollen. Doch es ergab sich, dass er auch die Regie von Philip Roths Pulitzer-Preis-Roman "Amerikanisches Idyll" übernahm. Und damit sein (nicht vollständig geglücktes) Debüt als Regisseur abliefern konnte (ab Freitag im Kino).

McGregor spielt einen US-Familienvater mit dem Spitznamen "der Schwede", dessen 50er-Jahre-Idyll zusammenbricht, als sich seine Tochter Merry (Dakota Fanning) der 68er-Bewegung anschließt und eine Bombe zündet. Die Familie zerbricht an diesen Ereignissen. Ein Gespräch mit Ewan McGregor, der wahrscheinlich zu den sympathischsten Schauspielern gehört, die es zwischen Scheibbs und Nebraska gibt.

KURIER: Sie spielen einen Vater, der seine Tochter an eine radikale Bewegung verliert. Sie sind selbst Vater von vier Töchtern – hat Ihnen das den Stoff nähergebracht?

Ewan McGregor: Es war seltsam: Ich drehte gerade den Pilotfilm für die HBO-Serie "Die Korrekturen" von Jonathan Franzen (die jetzt leider doch nicht zustande kommt). Meine älteste Tochter Clara war ungefähr 15 Jahre alt, und ich habe innerlich begonnen mich darauf vorzubereiten, dass sie in absehbarer Zeit ausziehen wird. Das war das Gefühl eines Verlusts, der sehr normal ist – aber eben doch ein Verlust. Und dann war da diese Geschichte eines Mannes, der seine Tochter auf extreme Weise verliert. Ich habe mich gefragt, ob diese Affinität mit ein Grund für die Leidenschaft war, die ich für die Geschichte entwickelt habe und die mich völlig niedergeschmettert hat. Interessanterweise hat Roth ja selbst keine Kinder und versteht es trotzdem so vortrefflich, elterliche Gefühle zu beschreiben. Das macht wohl einen großen Schriftsteller aus.

Roth-Romane gelten ja eigentlich als unverfilmbar. Wann haben Sie das Buch entdeckt?

Eigentlich erst über das Drehbuch. Ursprünglich war ich ja schon seit einigen Jahren dafür vorgesehen, "nur" die Hauptrolle, also "den Schweden" zu spielen. Doch dann fiel der Regisseur aus (Phillip Noyce, Anm.) und es ergab sich die Gelegenheit für mein Regie-Debüt. In den neun Monaten, die ich mich vorbereitete, habe ich quasi mit und in dem Buch gelebt. Es gibt ein Hörbuch, gelesen von Ron Silver (Bösewicht aus Kathryn Bigelows "Blue Steel"), Anm.), dessen Erzählton mir sehr gut gefällt. Ich habe es mir bei jeder Gelegenheit angehört. Sechs Wochen vor dem Dreh habe ich es weggelegt und mich nur noch auf das Drehbuch konzentriert.

"Der Schwede" zerbricht an der Entfremdung zu seiner Tochter. Seine Frau hingegen (Jennifer Conelly) versucht, ihr Leben in den Griff zu kriegen und kommt dabei unsympathischer rüber.

Ich glaube, die Eltern gehen unterschiedlich mit dem Verlust ihres Kindes um. Ich finde ja nicht, dass sich die Mutter von ihrer Tochter abwendet. Sie versucht einfach, ein neues Leben für sich zu finden. Im Roman kommt sie um einiges schlechter weg und wird stärker schwarz-weiß gezeichnet. Aber genau das wollte ich vermeiden: Ich wollte nicht, dass die Mutter am Ende als hartherzige "Bitch" übrig bleibt, die ihre Tochter verstößt und eine Affäre hat. Vielmehr ist sie es, die ihr Leben weiterführen kann, während der Vater zerbricht.

War es schwierig, gleichzeitig zu spielen und Regie zu führen?

Ich fand’s nicht so schlimm. Ich hatte einen persönlichen Panikmoment, kurz bevor die Schauspieler aufs Set kamen. Plötzlich hat mich diese lähmende Angst überfallen, ich könnte total versagen – und das vor den Augen meiner Kollegen!

Apropos Kollegen: Holten Sie sich Ratschläge?

Oh ja. Als Schauspieler hat man ja das Privileg, die Arbeit vieler Regisseure kennen zu lernen – das ist eine sehr gute Schule! Der beste Ratschlag kam von Ben Affleck: Er meinte, ich solle nicht vergessen, genügend Filmeinstellungen von mir selbst zu drehen – sonst hätte ich am Ende genügend Material von allen Schauspielern, nur nicht von mir. Ich habe mich daran gehalten – aber es war mir schon ziemlich peinlich, von mir selbst noch eine und noch eine Großaufnahme zu machen. (lacht).

Zuletzt etwas ganz anderes: Heuer feiert "Trainspotting", Ihr großer Durchbruchsfilm, sein Zwanzig-Jahres-Jubiläum. Sie haben gerade mit Danny Boyle die Fortsetzung "T2: Trainspotting" gedreht, die Anfang nächsten Jahres in die Kinos kommt. Wie kam es dazu? Sie waren ja mit Boyle zerstritten?

Ja, das stimmt, wir haben zehn Jahre nicht miteinander gesprochen. Doch 2009 habe ich ihm gemeinsam mit Dev Patel (Hauptdarsteller in "Slumdog Millionaire", Anm.) einen Preis überreicht. Damit war der Zwist beigelegt. Es war wunderbar, wieder mit ihm zu arbeiten. Ich habe wirklich bereut, dass wir zehn Jahre lang keine Filme gemeinsam gemacht haben. Er war mein erster Regisseur – und er holt das Beste aus mir heraus.

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