Hauptsächlich hätten die Beschwerden die beiden genannten Großfestivals betroffen. Zahlreiche Rockfans wollen offenbar doch ihr Geld zurück haben, allerdings mit wenig Aussicht auf Rückerstattung.
„KuKuSpoSiG“: Das Gutschein-Gesetz
Wie es dazu kam? Nach gängiger Gesetzeslage müssen Konzert- und Sportveranstalter für ausgefallene Veranstaltungen den Ticketpreis rückerstatten. Doch mit dem Zauberwort „KuKuSpoSiG“ hat der Gesetzgeber Ende April für ein bisschen Erleichterung bei der Covid-19-gebeutelten Branche gesorgt. Auf Antrag von Türkis-Grün wurde das „Kunst-, Kultur und Sportsicherungsgesetz“ beschlossen. Es besagt, dass bis zu einer Summe von 70 Euro Gutscheine ausgestellt werden können. Ist das Ticket teurer, so müsste der Betrag, der über 70 Euro hinausgeht, jedoch ausbezahlt werden. Aber nur bis zu einer Summe von 250 Euro. War das Ticket noch teurer, also dem „Luxussegment“ zugehörig“, kann der Betrag, der darüber liegt, wiederum der Gutscheinsumme zugeschlagen werden. Der maximale Auszahlungsbetrag liegt somit stets bei180 Euro.
Ein Beispiel: Wer im Besitz eines Festivalpasses beim Nova Rock um rund 200 Euro ist, erhofft sich daher vielleicht die zeitnahe Rückerstattung von 130 Euro und zusätzlich den Gutschein. Nun berichten aber VKI und Arbeiterkammer (AK), dass mehrere Veranstalter von Mehrtages-Events ausschließlich Gutscheine über die gesamte Summe angeboten hätten.
Zwei Rechtsmeinungen
Die Auffassung dieser Veranstalter sei, dass der Gesamtpreis durch die Anzahl an gekauften Festivaltagen zu dividieren ist. Somit würde, wenn wir beim Beispiel des dreitägigen Nova Rock bleiben, ein Veranstaltungstag weniger als 70 Euro kosten, was unter der Grenze für eine Rückerstattung liegt.
Die AK habe zunächst versucht zu intervenieren, sagt Konsumentenschützerin Kirstin Grüblinger. Die kontaktierten Veranstalter hätten allerdings auf Erläuterungen im parlamentarischen Bericht des Justizausschusses verwiesen. Dort wird tatsächlich eine wie oben beschriebene Vorgangsweise nahegelegt. Die AK ist aber der Meinung, dass ausschließlich der Gesetzestext selbst gilt. Im „KuKuSpoSiG“ ist tatsächlich keine Regelung für Mehrtagesevents verankert.
Auch der VKI ist der Ansicht, „dass man den Ticketpreis nicht auf einzelne Tage herunterrechnen kann“, sagt Hirmke. „In den Materialien findet sich zwar ein Hinweis auf eine anders gemeinte Lösung für mehrtägige Festivals, das hat unserer Einschätzung nach aber keine normative Wirkung.“
„Kein Naming und Shaming“
Ende Juni hat die AK im Fall eines Festivalpassbesitzers eine erste Leistungsklage eingebracht. In Musterprozessen gegen mehrere Veranstalter wolle man nun die Rechtslage klären. Die konkreten Beklagten möchte die AK nicht nennen. „Wir wollen kein Naming und Shaming betreiben“, sagt Grüblinger. „Uns ist bewusst, dass sich die Veranstalter in einer schwierigen Lage befinden, es geht uns aber um Rechtssicherheit im Sinne der KonsumentInnen“, sagt Grüblinger. „Es wäre wünschenswert, dass die Gesetze klarer formuliert sind.“
Der VKI begrüßt das Vorgehen der AK, hat sich aber dazu entschieden, keine parallelen Verfahren zu führen.
Gutscheine frühestens Ende August
Die Barracuda-Gruppe ist Österreichs größter Konzertveranstalter und gehört seit dem Vorjahr mehrheitlich einem deutschen Big Player, der CTS Eventim. Man arbeite derzeit „mit Hochdruck an der Umsetzung der von der österreichischen Regierung beschlossenen Gutscheinregelung", hieß es kürzlich. Auf diese knappe Mitteilung verwies Barracuda-Chef Ewald Tatar auch gegenüber dem KURIER. Im April hatte sich Tatar äußerst erleichtert über die Gutscheinregelung gezeigt. In einer Aussendung hieß es gar, dass „durch diese Lösung die österreichische Kultur in ihrer gesamten Vielfalt geschützt und weiterhin am Leben gehalten wird.“
Auf ihrer Webseite hält Barracuda fest, dass „die Programmierarbeiten der Ticketing-Unternehmen für die Abwicklung zumindest bis in die zweite Augusthälfte“ dauern, „vorher können daher keine Gutscheine ausgegeben werden.“
Banken-Skandal
Gevatter Rock’n’Roll lässt sich nicht einfach canceln, aber Geld herzaubern kann er auch nicht. In die ohnehin von empfindlichen Umsatzausfällen geprägte Pandemiezeit platzte zuletzt die Hiobsbotschaft, dass die Barracuda-Gruppe im Skandal um die Mattersburger Commerzialbank um Einlagen in der Höhe von immerhin 34 Millionen Euro bangen muss.
Barracuda verweist in diesem Fall auf die "starke Mutter" CTS Eventim, mit der man gemeinsam an einer Lösung feile, und deren flüssige Geldmittel von 700 Millionen Euro.
Kein Insolvenzschutz
Auch wenn sie den konkreten Fall nicht kommentieren, sehen AK und VKI bei Vertragsbeziehungen mit in Schieflage geratenen Unternehmen aus dem „KuKuSpoSiG“ nur Nachteile für die Konsumenten. Laut dem Gesetz muss ein Veranstalter erst Anfang 2023 Geld zurückerstatten, wenn die angebotenen Gutscheine bis Ende 2022 nicht eingelöst werden oder nicht eingelöst werden können.
„Wenn ein Veranstalter in dieser Zeitspanne insolvent ist, hab’ ich als Konsumentin von einem Gutschein de facto gar nichts“, sagt Grüblinger von der AK. Daher wäre ein Insolvenzschutz, wie zum Beispiel bei Reiseveranstaltern, wünschenswert.“ Vorgeschlagen werden verschiedene Modelle eine Art Haftung des Bundes, dazu könne man etwa einen Fonds einrichten oder die Ausfälle werden vom Bund direkt übernommen. „Es geht um Möglichkeiten, sicherzustellen, dass KonsumentInnen nicht unverschuldet zum Handkuss kommen.“
Rückzahlung bei Jobverlust
„Festivalbesucher sind meistens junge Menschen, die nicht so finanzkräftig sind“, gibt Grüblinger zu bedenken. „Manche haben vielleicht auch gerade ihren Job verloren.“
Für solche Härtefälle gibt es beim Nova Rock und Frequency immerhin eine Ausnahmeregelung. Wer nachweisen kann, während der Covid-19-Krise arbeitslos geworden zu sein, erhalte eine sofortige Rückzahlung, heißt es auf der Homepage, „schließlich geht es hier um bedrohte Existenzen.“
Bleibt im Sinne aller zu hoffen, dass die Spezies Rockkonzert bald von der Liste der bedrohten Sparten gestrichen werden kann.
Wer auf eine juristische Lösung hofft, muss sich jedenfalls noch gedulden, da der erste Musterprozess der AK frühestens im Herbst startet.
Ticketing-Infos:
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