Kunterbuntes Sammelsurium zur Schwarzen Unterhaltung

Möglicherweise hat man andere Vorstellungen davon, was die Wiener Festwochen leisten sollen – und erwartet eine Konzentration der besten internationalen Produktionen. „Raw“ kann diesen Anspruch nicht erfüllen. Das Performance-Dinner sorgte am Sonntagabend aber für etwas, das man in den letzten Jahren zumeist schmerzhaft vermisste: ein unmittelbares, gemeinschaftliches Erlebnis, eine fröhliche, ausgelassene Stimmung – ohne das Wälzen von Problemen.
Laia Fabre und Thomas Kasebacher, die seit 2008 als „notfoundyet“ Projekte realisieren, fungieren in der Festwochen-Bar, dem Zubau des Café-Restaurants Resselpark, viermal als bestens gelaunte Gastgeber in bunt gebatikten Schürzen: 50 Menschen werden von einer heimischen Koryphäe der Kochkunst verwöhnt – und ein Festwochen-Künstler oder -Kurator beweist sich als Animator.

Bunt gebatikte Schürzen: Thomas Kasebacher (li.) und Laia Fabre (re.) als „Raw“-Gastgeber, Frieder Blume und Joana Tischkau machen Stimmung, zu Beginn ein Wermut von Felipe Galuppo
Das erste Dinner bestritten Szenegastronomin Stefanie Herkner und die vor Ideen sprühende Joana Tischkau. „Unser Konzept ist Chaos“, warnte die deutsche Kuratorin augenzwinkernd. Gleich zu Beginn wurden, wie beim Blind Date, Paare als Sitznachbarn zusammengelost. Und dann folgte ein höchst kreatives Menü. Das russische Ei, mit Saiblingskaviar aus Grödig garniert, nannte sich „Mein Papagei frisst keine harten Eier“. So heißt ein Schlager von Billy Mo, den Frieder Blume als DJ natürlich erklingen ließ.
Tischkau und Blume gehören zum Kuratorteam des „Österreichischen Museums für Schwarze Unterhaltung und Black Music“ im ehemaligen 20er-Haus. Sie wollen glauben machen, dass ihnen die Direktion des Belvederes den Pavillon generös überlassen habe. Und dass sich die Schwesterinstitution des „Deutschen Museums für Schwarze Unterhaltung und Black Music“ ab nun dort den Leistungen der Menschen mit mehr oder weniger schwarzer Hautfarbe widmet, die im Unterhaltungssektor tätig waren oder sind.
In 30 Tagen fit
Die Präsentation macht zunächst ratlos. Denn es fehlt der wissenschaftliche Ansatz, es gibt keine Erklärungen zu dem Sammelsurium aus Schallplatten, Porträtfotos, Autogrammkarten und Magazinen. Eine „Insel“ ist Roberto Blanco gewidmet, eine andere Arabella Kiesbauer (zu sehen ist auch ihre ROMY-Statuette). Barbara Becker macht in 30 Tagen fit, Nadja ab del Farrag posiert als Playboy-Häschen.

Es geht also nicht um Leistungen oder Biografien, eher um Rassismus und Sex-Appeal, meist um Überlebens- und Business-Strategien. Der größte gemeinsame Nenner ist die Hautfarbe. Das ÖMSUBM will auch gar nichts anderes, als auf diesen Umstand hinweisen.
Dieser sehr spielerische Zugang wird aber nur dem klar, der Tischkau in „Raw“ erlebt hat: Sie verteilte Kochbücher aus den 70ern mit Rezepten aus aller Welt, man durfte sich auf die Suche nach Absurditäten machen, Wörter für das Charade-Spiel heraussuchen etc.
Und die Herknerin ließ sich davon inspirieren: Sie kredenzte Rindfleisch in Aspik und einen Stefaniebraten. Es gab eine Zigarettenpause (mit Kaugummi-Zigarette) und den Wettbewerb, eine Erdapfel-Replika aus Marzipan und Kakao zu formen. Ganz zum Schluss, nach gut vier Stunden, forderte Joana Tischkau zum Abtanzen auf. Es wurde ein wunderbar leichter Abend.
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