Kunsterlebnis 3.0: Was vom Digital-Schub bleiben wird

Dem digitalen Umbruch wohnt eine gewisse Angstlust inne. Bedrohungsszenarien haben sich in vielen Köpfen verfestigt – etwa, dass sich der Zauber von Originalkunstwerken auflöst und der Kunstgenuss sich irgendwann im Durchzappen von Digitalbildern erschöpft. Wer vergangene Woche die vom Belvedere ausgerichtete Konferenz „Das Kunstmuseum im digitalen Zeitalter“ verfolgte, merkte aber, dass diese Verdrängungsdebatte überwunden ist: Es geht nun um die Abstimmung des Zusammenspiels von analog und digital.
Ein Werk, viele Dimensionen
Kunstwerke existieren sowohl als Original und als digitales Objekt – was ihrer Strahlkraft keinen Abbruch tut. Wie der Wissenschaftler Werner Schweibenz bei der Konferenz betonte, sei die Abschätzigkeit gegenüber Duplikaten überhaupt fehlgeleitet – schon Goethe habe seine Abhandlungen über Leonardo anhand von Reproduktionen verfasst.
Medienorgel Museum
Durch die Digitalisierung erlebten Museen „die größte Erweiterung ihres Publikums in der Geschichte“, bekräftigte Max Hollein, Direktor des New Yorker Metropolitan Museum. Sein Haus beschäftigt derzeit 54 Mitarbeiter nur für Digitalangebote, das Budget für diese stehe etwa im Verhältnis 30/70 zu jenem für Ausstellungen. Das Online-Angebot (von Künstlergesprächen über Angebote für Schulen bis hin zu Hintergrund-Features) lässt viele Medienunternehmen bescheiden aussehen.
Der Roboter als Guide
Die digitale Erfassung von Museumsbeständen eröffnet viele Möglichkeiten, Kunstwerke zu vernetzen – anhand von Stichworten, aber auch anhand visueller Ähnlichkeiten, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz erfasst werden können. Abseits der Forschung werden Anwendungen für Kulturkonsumenten entwickelt: So kann ein Audioguide nach dem Muster „Wenn Ihnen dieses Kunstwerk gefällt, gefällt Ihnen vielleicht auch ....“ Wege durchs Museum empfehlen oder Kunstwerke aus der Museumssammlung suchen, die zum eigenen Instagram-Feed passen (so geschehen im experimentellen Projekt „My Life, my Met“).
Die AR-Artothek
Augmented Reality ermöglicht es auch, digitalisierte Kunstwerke in jedes erdenkliche Umfeld zu verpflanzen – es spricht etwa nichts dagegen, eine antike Statue mit AR-App im eigenen Wohnzimmer oder im Garten zu platzieren. Wie Hollein erklärte, kollaboriert sein Museum hier mit vielen Plattformen – so können auch Spieler des Games Animal Crossing ihr virtuelles Zuhause mit Museumskunst dekorieren.
NFTs im Museumsshop
Häuser wie das British Museum versuchen am Trend um NFT-Echtheitszertifikate zu partizipieren, in dem sie limitierte Digital-Reproduktionen bekannter Stücke verkaufen. Bei der Konferenz wurde dies kritisch gesehen, weil es der Mission, Zugang zu ermöglichen, entgegensteht. Medienkunst, die mit NFTs agiert, ist jedoch ein neues Feld für Sammlungen und Ausstellungen.
Investitionen
Zwei Kernfragen bleiben: Wer zahlt die Innovationen – und stellen Museen ihren Inhalt dafür frei zur Verfügung? Während Met-Chef Hollein digitale Kulturangebote als „größten Wachstumsbereich“ für private Spenden bezeichnet, haben Institutionen abseits der Tech- und Finanzzentren oft Ressourcenprobleme. Dem Impuls, viel freien Zugang zu ermöglichen, stehen Ideen gegenüber, Kunstschätze auch digital bestmöglich kommerziell zu verwerten.
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