Kulturbranche: Aufbegehren weicht der Zermürbung
„Ich will nicht sprachlos sein, aber ich weiß auch nicht mehr, was ich sagen soll.“
Sängerin Mira Lu Kovacs, mit ihrer Band My Ugly Clementine soeben für das europäische Indie-Album des Jahres ausgezeichnet, bringt auf Twitter auf den Punkt, was derzeit in der Kulturbranche umgeht: Zermürbung.
Theater, Kinos, Konzertsäle, Opernhäuser bleiben laut Regierung mindestens bis rund um Ostern, also mindestens noch sechs weitere Wochen zu. Und auch für die Zeit danach gibt es derzeit keine belastbare Perspektive, mit der man planen kann.
(Von der Clubkultur ist überhaupt keine Rede mehr.)
Da hätte man vor wenigen Wochen noch das Zornstampfen der Direktoren durch ganz Wien scheppern gehört. Doch das Aufbegehren der Branche gegen die überlange Schließung ist einer Sprachlosigkeit gewichen.
Man hat die Konzepte in der Lade. Man hat Studien vorgewiesen, die für die vergleichsweise Sicherheit der Veranstaltungsorte Stimmung machen. Man hat dem ersten Zorn eine Kulturstaatssekretärin, Ulrike Lunacek, geopfert, weil sie vor bald einem Jahr das nicht möglich gemacht hat, was bis jetzt nicht möglich ist. (Das hallt übel nach.)
Ausgeschöpft
Nun aber sind die Mittel des Aufbegehrens ausgeschöpft. Es lässt sich auch die Argumentation, dass Kultur nicht minder wichtig ist als Gastronomie oder Tourismus, nicht immer wieder neu darlegen. Und wer will noch eine Streamingübertragung sehen?
Dabei fängt auch in der Kultur – wie in anderen Bereichen – die finanziell wirklich schmerzhafte Zeit erst an.
Längst suchen sich auch bereits namhafte Künstler andere Jobs. Und die Sorge geht um, dass man sich einer Täuschung hingegeben hat: dass nämlich am Ende alles plötzlich wieder gut wird.
Der Anfang der Pandemie war für die Kultur zwar ein brutaler Schnitt; das Ende aber droht so ausgefranst und herausfordernd zu werden, dass ausgerechnet in der Phase des Aufsperrens noch viele in die finanzielle Bredouille geraten – und daran pleite gehen können.
Man hatte schon den Eindruck, nur noch kurz die Luft anhalten zu müssen, bis alles vorbei ist. Man braucht aber noch einen längeren Atem, als viele übrig haben.
Nach Ostern vierteloffen, halboffen zu sein – das können sich Kulturinstitutionen, die auch vor der Krise schon allzu hart am Wind gesegelt sind, schlicht nicht leisten.
Nach mehr als einem Jahr ohne Einkünfte im anlaufenden Kulturbetrieb noch monatelang nur geringe Einnahmen zu haben – das können viele Künstler trotz Hilfen nicht mehr durchstehen.
So sehnlich diese erwartet werden: Auch die vielfach geforderten (und auch fürs Publikum dringend notwendigen) Öffnungsschritte müssen gut überlegt sein, um den bereits eingebuchten Schaden so gering wie möglich zu halten.
Das Problem ist, dass sich aus all dem derzeit keine neue Handlungsanweisung ableiten lässt. Es braucht vorerst noch für Monate weitere Hilfen vom Staat, es braucht die Nervenstärke der Kulturschaffenden durchzuhalten. Beides aber summiert sich längst für viele Betroffene zu keinem Ganzen mehr auf.
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