Konfliktzone Wiener Clubkultur
Die Gegenwart ist ungeklärt, die Zukunft noch viel mehr: Am Dienstag wurden gleich zwei Herausforderungen für die Kulturstadt Wien zum Thema. Neben der dramatischen Finanzsituation im Volkstheater (lesen Sie hier weiter) war das die für das Stadtleben ebenfalls wichtige Frage, wie man künftig mit Club- und Jugendkultur umgehen soll.
Vor welchen Problemen, Hindernissen und Herausforderungen stehen Veranstalter von Konzerten und Partys sowie Betreiber von Musikclubs in Wien? Was sind die Stärken und Schwächen der Wiener Clubkultur? Welche Rolle spielen dabei die mehr als 50 Stakeholder? Wer redet mit, wer entscheidet und wie funktioniert das eigentlich in anderen Großstädten?
Solche und noch weitere Fragen zum Thema Clubkultur wurden am Dienstag in einem Forschungsbericht gestellt. Die beiden Autoren Stefan Niederwieser und Yasmin Vihaus haben sich dafür – ausgestattet mit Taschengeld der Kulturabteilung Wien (MA7) – im Nachtleben einen Überblick verschafft: „Clubkultur hat in Wien heute gleichermaßen kulturelle, wirtschaftliche und soziale Relevanz. Gleichzeitig tragen Betriebe ein hohes Risiko, es kommt immer wieder zu Schließungen.“
Aus einer Hand
Um der Branche unter die Arme zu greifen, könnte man sich bei Konzepten anderer Großstädte bedienen. Einige davon werden in der Studie auch angeführt. Weltweit sind in über 40 Städten bereits Club Kommissionen, Nachtbürgermeister oder andere Stellen tätig, die sich um die Belange der Nacht kümmern. Insbesondere jene Anlaufstellen in Berlin und Amsterdam werden in der Studie genauer unter die Lupe genommen. Dort kommt Beratungen aus einer Hand, Lösungen werden mit Politik und Verwaltung erarbeitet.
„Heute gibt es dort weniger Lärmbeschwerden, Freiräume sind einfacher nutzbar, Standorte wurden gesichert“, heißt es dazu im Forschungsbericht. Von den Neos Wien wird daher seit Jahren auch explizit und intensiv ein unabhängiger Nachtbürgermeister als Interessensvertretung gefordert. Denn im erweiterten Feld von Clubs und Veranstaltungsbetrieben gibt es zahlreiche Problemzonen, die man professionell und in einem größeren Kontext behandeln sollte: Lärm, Schallschutz, Leerstand, Stadtentwicklung, öffentlicher Verkehr und Tourismus. Der Forschungsbericht hat Feedback zusammengetragen: „Viele Veranstalter und Clubbetreiber fühlen sich nicht gut beraten, nicht gut informiert. In Wien gibt es viele Stellen, die etwas Ähnliches machen“, sagt Autor Stefan Niederwieser dem KURIER.
„Wir sagen zwar nicht, dass es so eine Stelle braucht. Aber sollte es einen politischen Willen geben, wäre es ratsam, einen Verein zu etablieren, bei dem das Wissen zusammenläuft“, so Niederwieser.
Anzeigen-Tsunami
Dass am 1. November in Wien das Rauchverbot in Kraft tritt, wird in gewissen Bereichen der Innenstadt für zusätzliche Probleme sorgen. „Auf die Behörden kommt ein
Tsunami an Anzeigen zu, da sich die Stadtregierung bisher jeglichen Lösungsansätzen verschlossen hat“, prophezeit Markus Ornig von den Neos Wien dem KURIER. Ornig, der sich seit Jahren für die Einführung einsetzt, hält den Forschungsbericht für „sehr sinnvoll und umfangreich“, aber er komme viel zu spät. „Wir haben bereits vor drei Jahren einen Acht-Punkte Plan für die Herausforderungen im Wiener Nachtleben präsentiert. Die Wiener Stadtregierung hat das aber bislang immer abgeschmettert.“ Daran wird sich wohl bis zur Wien-Wahl 2020 nicht viel ändern. Der unbedingte Wille (von Rot-Grün) zum Handeln scheint zu fehlen: Nur nichts angreifen – bis es zu spät ist.
Hier können Sie sich den Forschungsbericht „Clubkultur Wien“ downloaden.
Reaktionen auf den Forschungsbericht:
Markus Ornig von den Neos, setzt sich seit Jahren für die Einführung eines Nachtbürgermeisters in Wien ein: „Dieser Forschungsbericht ist sehr sinnvoll und umfangreich, kommt aber viel zu spät. Wir haben bereits vor 3 Jahren einen 8-Punkte Plan für die Herausforderungen im Wiener Nachtleben präsentiert. Die Wiener Stadtregierung hat das abgeschmettert und der Bürgermeister hat sich klar geäußert, dass Wien so etwas nicht braucht. Anfang November tritt das neue Rauchergesetz in Kraft und ein Tsunami an Anzeigen wird auf die Behörden zukommen, da sich die Stadtregierung bisher jeglichen Lösungsansätzen verschlossen hat. Jetzt gilt es, richtig Gas zu geben. Ich bleibe bei meiner Forderung: Es braucht einen Nachtbürgermeister, der von einem unabhängigen Verein gewählt und damit legitimiert wird und es braucht vor allem das Commitment des Bürgermeisters, dass er diesen als sinnvoll erachtet. Nur so kann man auf Augenhöhe in Verhandlungen treten und Lösungen erarbeiten. Eine Klubkulturförderung ist ebenfalls wichtig, sollte aber bei der MA7 bleiben und im Idealfall über die IG Kultur ausgeschüttet werden. Auf keinen Fall darf das vermischt werden. Wir werden in den nächsten Sitzungen in Landtag und Gemeinderat erneut unsere Lösungsansätze präsentieren und dann werden wir sehen, ob Rot-Grün tatsächlich Lösungen möchte, oder ob man einfach weiterhin um den heißen Brei herumredet.“
Veronica Kaup-Hasler, amtsführende Stadträtin in Wien für Kultur und Wissenschaft: "Die Erkenntnisse der Studie sind ein interessanter Ausgangspunkt für weitere Gespräche, die im Laufe der nächsten Wochen stattfinden sollen."
Martina Brunner, Gründerin der Initiative "N8BM": "Das Forschungsprojekt zur Clubkultur Wien beantwortet einerseits viele Fragen und zeigt definitiv, dass es eine neue Stelle zur Konfliktlösung braucht, gleichzeitig wirft sie aber genau so viele neue Fragen auf, die sich um den kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich drehen. Das Forschungsprojekt ist allerdings nur die Basis, auf welche jetzt nicht verabsäumt werden darf, aufzubauen. Wir haben mit der Petition von N8BM 500 Unterschriften eingereicht und sind gespannt auf die Stellungnahmen von Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, Umweltstadträtin Ulli Sima und auch der Wirtschaftskammer, ob sie die Forderung einer neuen Service- und Vermittlungsstelle für sinnvoll halten. Es geht nicht darum aufzuschreien, wenn etwas nicht nach den Wünschen der Clubbetreiber passiert. Es geht darum einen konstruktiven Dialog zwischen Veranstalter, Stadtverantwortlichen und auch Anrainern herzustellen und Lösungen zu finden, die im besten Fall für alle Seiten Verbesserungen schaffen."
Martin Margulies (Kultursprecher der Grünen Wien) und Peter Kraus (Wirtschafts- und Jugendsprecher der Grünen Wien) begrüßen das Vorliegen des Forschungsberichts „Clubkultur Wien“, der die Einrichtung einer Service- und Informationsstelle für Clubkultur in Wien untersucht.
„Von A wie AKM, AnrainerInnen und Arbeitsinspektorat bis W wie Wien Tourismus, Wirtschaftsagentur Wien und Wirtschaftskammer: Insgesamt haben circa 50 Stellen und Personengruppen mit Aspekten der Clubkultur zu tun. Eine auf konstruktive Vermittlung fokussierende Einrichtung soll relevante Stellen und Personengruppen vernetzen, der Szene mit Know-How zur Verfügung stehen und durch Konfliktprävention die Nachbarschaftsbeziehungen verbessern. Sie wäre auch ein wichtiger Ansprechpartner für Politik und Stadtverwaltung“, so Margulies.
„Die Wiener Clubkultur hat eine kulturelle, soziale und wirtschaftliche Relevanz und stellt einen Beitrag zur Lebensqualität in Wien dar. Niederschwellige Clubkultur fördert gesellschaftliche Diversität, ist Nährboden für kulturelle Entwicklung und für musikalische Erfolge und ist Faktor für die Wiener Kreativwirtschaft“, so Kraus.
Hans Arsenovic, Vizepräsident der Wirtschaftskammer Wien (WKW) und Chef der Grünen Wirtschaft: "Es braucht eine zentrale Stelle, die alles im wirtschaftlichen, kulturellen und auch sozialen Sinne bündelt. Es wäre sinnvoll, da auch die Polizei und andere verantwortliche Behörden an Bord zu holen.“
Als Beispiel nennt Arsenovic sein mit Markus Grießler, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft, entwickeltes "Event-Board". Mit dieser "One-Stop-Anlaufstelle für die Nachtwirtschaft" habe man bereits einen ersten Schritt in Richtung einer Belebung der Wiener Nachtwirtschaft gemacht. „In einer zentralen Stelle könnten alle Behördengänge für ihn geregelt und auch Tipps gegeben werden. Es wäre eine gute Gelegenheit, auch die Außenbezirke stärker miteinzubeziehen und Events und Konzerte auch dorthin zu verlagern.“
Kommentare