Klimt-Restitutionen: Stiasny-Erben wollen Verhältnis „bereinigen“
Diese Geschichte hat Potenzial für ein positives Ende. Die französische Kulturministerin gab am Montag bekannt, dass man das Gemälde „Rosen unter Bäumen“ (1905) von Gustav Klimt zu restituieren beabsichtige – an die Erben nach Nora Stiasny. Das in der NS-Zeit geraubte Bild befindet sich im Musée d’Orsay.
Nora Stiasny war eine Tochter von Amalie und Otto Zuckerkandl. Sie wurde als Jüdin verfolgt, 1942 mit ihrer Mutter nach Izbica deportiert und dort oder im Vernichtungslager Belzec ermordet.
Die Bereitschaft zur Restitution macht Staunen. Denn in Frankreich gibt es kein Rückgabegesetz. Es muss daher erst die legistische Voraussetzung geschaffen werden.
Aber auch Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer erstaunte – mit der Ansage, dass die Entscheidung das Ergebnis „der ausgezeichneten Zusammenarbeit zwischen den österreichischen und französischen Stellen“ gewesen sei.
Das Kulturministerium hilft also den Stiasny-Erben, die in Schweden und sonstwo leben. Und es hilft, obwohl es eine offene Rechnung gibt.
Denn die Erben erhielten 2001 ein Klimt-Gemälde (aus dem Belvedere) zugesprochen, das nie Nora Stiasny gehört hatte: „Apfelbaum II“.
Einfach hergeschenkt
Dass die Republik ohne Notwendigkeit den Klimt herschenkte, deckte der KURIER Anfang Juli 2015 auf. Den Fehler bekannte das Ministerium ein. Es unternahm allerdings nichts. Denn das Rückgabegesetz ermächtigt die Ministerin oder den Minister, Objekte auszufolgen.
Der „Apfelbaum II“ wurde also quasi freiwillig hergegeben. Und wohl im Wissen, falsch zu handeln. Olga Kronsteiner fasst es im Standard richtig zusammen: Im Herbst 2000 empfahl der Rückgabebeirat die Restitution; wenig später hegte die Provenienzforscherin Monika Mayer aufgrund neu gefundener Dokumente Zweifel. Sie setzte ihren Vorgesetzten, Belvedere-Direktor Gerbert Frodl, in Kenntnis. Auch der zuständige Sektionschef Rudolf Wran wurde informiert. Aber Mayers Vorschlag, zusätzliche Recherchen zu machen, wurde „in den Wind geschlagen“.
Über die Hintergründe kann nur spekuliert werden (eine Aufarbeitung erfolgte nie). Einerseits machte der Publizist Hubertus Czernin viel Druck. Und andererseits hatte man genügend schlechte Presse aufgrund der Weigerung der damaligen Kulturministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP), Maria Altmann das Porträt „Die goldene Adele“ von Klimt auszufolgen. Zudem war der „Apfelbaum II“ ohnedies – aus Sicht des Ministeriums – verloren.
Aber man sicherte sich ab: Anwalt Alfred Noll hatte eine Haftungserklärung zu unterzeichnen, in der es im Namen von Viktor Hofmann (und den anderen Erben) heißt: „Ich verpflichte mich, auch namens meiner Rechtsnachfolger, das mir übergebene Gemälde ,Apfelbaum‘ von Gustav Klimt an den Bund (...) zurückzustellen, sollte sich herausstellen, daß das mir übergebene Gemälde in Wahrheit nicht mit dem seinerzeit im Eigentum von Frau Eleonore (Nora) Stiasny gestandenen Gemälde ident ist.“
Längst ist klar, dass „Apfelbaum II“ August und Serena Lederer gehört hatte. Und zumindest ein Erbe fordert Satisfaktion. Doch weder entschädigte die Republik die Lederer-Erben, noch gaben die Stiasny-Erben das Bild zurück. Denn sie hatten es verkauft. Damit jeder seinen Anteil bekam und der Anwalt sein Honorar. Das Ministerium begnügte sich damit.
Wer den „Apfelbaum II“ gegenwärtig besitzt, ist unbekannt. Zuletzt war es im Juni 2018 aufgetaucht – im Leopold Museum als Leihgabe der Foundation Louis Vuitton. Das Kulturministerium sah zu, wie das Bild danach wieder ausgeführt wurde.
Einem Wunder gleich
Alfred Noll, zwischenzeitlich Politiker, ist nun wieder der Anwalt der Stiasny-Erben. Er sprach seinen Dank für die Entscheidung aus. Und die für die Erben tätige Provenienzforscherin Ruth Pleyer sprach von einer „außergewöhnlichen Geste“, die einem Wunder gleichkomme.
Aber was ist mit der offenen Rechnung? Wird Österreich nun Rückforderungen an die Stiasny-Erben stellen? Oder schaut man zu, wenn auch „Rosen unter Bäumen“ verkauft wird? Das Büro von Mayer druckst herum. Man werde prüfen und so weiter, alles sehr kompliziert.
Aber Noll, vom KURIER kontaktiert, versucht zu beruhigen: Er wolle zwar über ungelegte Eier „keine großen Mutmaßungen anstellen“, aber Pleyer und er hätten die Arbeit nur unter der Bedingung übernommen, „dass die Erben bereit sind, das Verhältnis zur Republik Österreich zu ,bereinigen‘ – und das sind sie.“ Mal schauen, klingt jedenfalls gut. Bleibt noch die Frage: Wie geht man mit den Lederer-Erben um?
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