Julian Khol: "Es ist schon laut genug in meinem Kopf"
„Als Künstler ist man wie poröses Gestein, durch das alles fließt“, sagt Julian Khol, dessen Werke derzeit in Wien zu sehen sind.
KURIER: Sie sind Schüler von Christian Ludwig Attersee, haben Sie immer noch Kontakt?
Julian Khol: Ja, wir haben Kontakt. Ich habe mich damals 2004 ein Jahr lang auf die Aufnahmeprüfung vorbereitet. Ein Großteil der Arbeit besteht darin, den Platz zu schaffen, in dem man geistig wie räumlich arbeiten kann. Gerade, wenn man am Anfang steht, ist das eine schwere Arbeit.
Öffentlich bekannt wird der Sohn des ehemaligen ÖVP-Nationalratspräsidenten Andreas Khol durch seine
Model-Tätigkeit in den 2000ern. 2004 beginnt er an der Universität für Angewandte Kunst bei Christian Ludwig Attersee zu studieren – 2011 schließt er das Studium bei Herbert Brandl ab.
Privat lebt Khol getrennt von der Mutter seiner Söhne (2014, 2016), Moderatorin Nazan Eckes
Ausstellung: „Circumflex“, Level 41, 1070 Wien, 13.10. – 6.11.2023
Sie wurden in den Nuller-Jahren bekannt als Model und Sohn von Andreas Khol, durch Ihre Heirat mit Moderatorin Nazan Eckes sind Sie vielen als „Mann von“ bekannt. Grämt oder kränkt das?
Irgendeine persönliche Geschichte hat jeder Mensch. Bei mir ging es in der Schule los, dass ich der Sohn meines Vaters bin. Das ist gewöhnungsbedürftig, wenn Du mit 14 Jahren mit Erwachsenen über Politik diskutieren musst. Ob der Punkt kommt, wo es keine Referenzen mehr gibt? Vielleicht kommt der, wenn ich 80 bin.
Tut die heimische Politik genug für die Kunst und Künstler?
Es kann nie genug für die Kunst getan werde, aber: Ich bin zu wenig in Österreich und beschäftige mich zu wenig damit, als dass ich beurteilen könnte, ob die Regierung weniger tut als die vorherige. Seit mein Vater in Pension ist, nehme ich mir die Freiheit, mich auch nicht mehr unbedingt mit der Tagespolitik auskennen zu müssen.
Beim KURIER-Gespräch vor 13 Jahren ging es noch um Ihre großformatigen Arbeiten. Wann haben Sie mit Skulpturen begonnen?
2016, also relativ spät, habe ich begonnen, im dreidimensionalen Raum zu arbeiten. Als meine zwei Kinder nicht mehr ganz klein waren, ich vieles zu hinterfragen begonnen habe, habe ich gemerkt, dass ich in der Malerei an einen Punkt gekommen bin, an dem ich nicht mehr weiterkomme. Ich habe begonnen, mich im dreidimensionalen Raum zu bewegen und dann hat sich alles wie Puzzlesteine zusammengefügt. Die Zeichnung ist erst fünf, sechs Jahre später im Zurückkommen.
Gibt es dafür einen Grund?
Es geht immer darum, etwas ausdrücken zu wollen – und danach suche ich mir das Mittel oder Medium, mit dem es mir am besten möglich ist. Ob das dann schriftlich oder malerisch ist, das ist fast nebensächlich. Ich habe für die Malerei früher einen sehr hohen Energieaufwand gebraucht und diese Energie war nicht da, das ändert sich aber gerade alles.
Ein Irrglaube, dass sich Malerei leichter verkauft als Skulpturen?
Ich würde sagen von zehn Menschen, die sich für Kunst interessieren, sind es nur zwei, die sich für Skulpturen interessieren. Das hat weniger mit dem Platz für eine Skulptur zu tun, sondern mit dem Zugang zu dieser Form von Kunst. Viele kennen Skulpturen nur aus dem Park. Es ist spannend, Menschen mitzunehmen und ihnen einen Zugang dazu zu ermöglichen. Kunst verändert den Raum immer. Und Skulpturen tun das noch einmal mehr, weil sie das Licht auffangen, brechen und den Raum um sich komplett verändern. So wie das eben auch ein aufregender Mensch oder eine spezielle Felsenformation tun kann.
In welchem Preisspektrum bewegen wir uns?
Der Preis entwickelt sich über die Jahre und hat damit begonnen, dass Attersee für all seine Studenten einen Preis festgelegt hat.
Können Sie von Ihren Arbeiten leben?
Ich kann zum Glück von der Arbeit leben. Ich kann nicht ohne diese Arbeit leben, das ist anstrengend für alle Menschen, die mit mir leben. Ich habe das große Glück, dass die Menschen, die sich intensiv mit meinen Arbeiten beschäftigen, sie kaufen und sammeln, oft wiederkehren. Man bleibt sich treu und wächst miteinander und tauscht sich aus.
Gab es nie den Punkt, an dem Sie sich überlegen musste, ob es sich finanziell ausgeht?
Ich muss mir wie jedes Unternehmen immer wieder ausrechnen, ob und wie es sich finanziell ausgeht. Das Gute ist, dass ich meine Kinder immer ernähren kann. Aber ich habe auch schon einmal acht Jahre lang keinen Urlaub gemacht, weil ich dachte, stattdessen zahle ich lieber die Atelier-Miete. Ich habe aber den unglaublichen Luxus, von dem, was ich liebe, leben zu können. Da wird so manches andere unwichtig. Ich kann meinen Kindern ein schönes Leben ermöglichen und mein schönes Leben spielt sich in der Kreation ab.
Die Arbeitsmittelpunkte sind Wien …
Wien und immer woanders. Ich bin durch meine privaten Veränderungen sehr unabhängig geworden. Ich hatte lange Zeit auf Mallorca ein Atelier, im November beginne ich eine Artist-Residency in Kenia.
Vorstellbar, dass Sie mit anderen Künstlern arbeiten?
Ausstellen tue ich gerne auch mit anderen, arbeiten nur alleine. Es ist schon laut genug in meinem Kopf.
Was macht den Kopf weniger laut oder stiller?
Wenn ich den Ideen Raum gebe. Ich arbeite immer an drei, vier Sachen gleichzeitig. Wenn ich am See sitze, habe ich nach zwei, drei Stunden meist auch schon den Block in der Hand.
Nehmen Künstliche Intelligenz und die Digitalisierung Einfluss auf Ihre Arbeit?
Ich finde es unglaublich spannend, was die KI kann. Bei mir führt die Entwicklung allerdings dazu, dass ich noch analoger und händischer geworden bin. Der Unterschied zwischen Kunst, die ein Mensch erzeugt, und jener, die die KI oder AI erzeugt, ist das Spannungsverhältnis zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Der Weg zum Ziel. Meist ist das, was am Ende entstanden ist, weit spannender als das, was ich mir zu Beginn vorgestellt habe. Die KI kann tolle Dinge, wird aber immer eine gewisse Gleichheit haben.
Spielt Nachhaltigkeit in Ihrem künstlerischen Leben eine Rolle?
Ich habe mich immer schon mit dem Thema Verschwendung beschäftigt und versuche stets, effizient zu arbeiten, Dinge möglichst wiederzuverwenden. Was ich verstärkt tue, ist, Plastik zu vermeiden. Für Formenbau verwende ich beispielsweise Verpackungskartons. Ich habe auch schon Skulpturen aus Verpackungsmaterial gemacht. Mein großer Vorteil ist: Ich will, dass meine Kunst ewig hält. Kunst ist zum Glück kein Wegwerfprodukt.
Ist kulturelle Aneignung ein Thema, mit dem Sie sich befassen – müssen?
Ich glaube nicht, dass ich je etwas gemacht habe, das mit kultureller Aneignung zu tun hatte. Auch wenn ich einen Frauenakt gemalt habe, den ich heute noch malen würde, auch wenn ich keine Frau bin.
Ist das eine Diskussion im Kunstbetrieb?
Man hat eine Zeit lang in Ausstellungen gesehen, dass eine nackte Frau oder eine Vagina ausschließlich von Künstlerinnen gezeigt wurden. Das ändert sich schon wieder. Es ist ja nicht so, dass ich als Mann eine Frau nicht wahrnehme. Die Frage ist immer: Wie nehme ich sie wahr.
In Ihrem Atelier stehen einige Bücher ...
Lesen ist für mich zum Abschalten da und hat natürlich gleichzeitig Einfluss auf mich. Als Künstler bist Du wie poröses Gestein, durch das alles fließt und gefiltert wird. Derzeit lese ich viel Science-Fiction.
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