Josef Hader im Interview: "Ich bin ein sehr fauler Hund“
Der prominenteste Kabarettist Österreichs feiert mit „Andrea lässt sich scheiden“ auf der Berlinale Premiere. Er selbst schleicht sich ins Publikum und denkt über sein Alter nach.
Nicht nur die Österreicher lieben den Humor von Josef Hader, auch unsere deutschen Nachbarn. Nachdem bereits sein Spielfilmdebüt „Wilde Maus“ 2017 auf der Berlinale Premiere feierte, wurde seine zweite Tragikomödie „Andrea lässt sich scheiden“ (Kinostart: Donnerstag) wieder nach Berlin eingeladen. Birgit Minichmayr spielt darin eine Polizistin, die sich aus der Provinz in die Stadt versetzen lassen will. Leider kommt ihr dabei einiges dazwischen. Berlinale-Premiere ist Sonntagabend.
Ein Gespräch über Frauen auf dem Land, Witze unter schwierigen Bedingungen und die Vor- und Nachteile des Alters.
KURIER:Herr Hader, auch Ihr zweiter Spielfilm „Andrea lässt sich scheiden“ wurde auf die Berlinale eingeladen. Das deutsche Festival liebt Ihren Humor. Freut Sie dieser Zuspruch?
Josef Hader: Die Einladung auf die Berlinale ist natürlich eine große Ehre. Das Berliner Publikum ist meistens das beste aller Premieren. Es gibt so ein Naheverhältnis zwischen Berliner und Wiener Humor, das ist etwas, das kenne ich schon seit den 90er-Jahren. Ich hab als junger Kabarettist viel dort oben gespielt, das war nach dem Mauerfall eine sehr aufregende Stadt. Auf dem Weg nach Berlin bin ich übrigens oft dort vorbeigekommen, wo wir jetzt „Andrea lässt sich scheiden“ gedreht haben. Diese schnurgeraden Landstraßen im Weinviertel, wo jederzeit plötzlich ein Auto aus einer Senke auf der Gegenfahrbahn aus dem Boden wachsen kann.
Sie sind ja an Premieren gewöhnt, aber ist so ein Filmfestival doch etwas anderes?
„Gewöhnt“ ist nett gesagt zu jemandem, der nur alle paar Jahre was Neues anzubieten hat. Bei der „Wilden Maus“ damals im Wettbewerb, da hatten einige das Gefühl, dass er als Komödie dort nichts verloren hat. Die Premiere in der Programmschiene Panorama wird diesmal entspannter. Ich freue mich drauf. Aber ich freue mich generell auf alle Vorstellungen, wo ich schauen kann, wie die Leute auf etwas reagieren, an dem ich so lange gearbeitet habe.
Schleichen Sie sich ins Publikum und schauen zu?
Auf der Kinotour möchten die Kinoveranstalter immer gerne mit mir essen gehen und ich sag dann, nein, ich möchte lieber den Leuten beim Zuschauen zuschauen. Gerade bei „Andrea lässt sich scheiden“ wird es spannend, wie die Leute am Land reagieren, und wie in der Stadt.
Die „Wilde Maus“ spielte in Wien, mit „Andrea lässt sich scheiden“ sind Sie aufs Land übersiedelt. Warum die Stadtflucht?
Wegen der Abwechslung. Ich dachte mir, jetzt habe ich einen Film über die seltsamen Stadtmenschen gemacht, und jetzt mach ich einen Film über die seltsamen Landmenschen.
Sie vermeiden Wiederholungen? Geht das als Kabarettist überhaupt?
Wiederholung ist für mich sehr schwierig, zumindest beruflich. Also die Wiederholung, ein Programm hintereinander oft zu spielen, das macht mir überhaupt nichts, das ist wie bei einem Musiker, der ein Stück immer wieder neu interpretiert. Aber bei den Projekten möchte ich es spannend haben und lange dran herumtüfteln. Darum bin ich auch so ein seltsamer Kabarettist geworden, der nicht mit derselben Bühnenfigur alle zwei Jahre ein neues Programm macht, sondern nur alle zehn bis vierzehn Jahre, wo man dann alles neu erfinden muss. Ein Grund ist auch, dass ich ein sehr fauler Hund bin, und um mich zu motivieren, brauch ich diesen Kick, etwas zu versuchen, von dem ich mir zumindest einbilde, ich hab so etwas noch nie gemacht. Eine gewisse Tragik ist, dass am Schluss dann viele sagen: „Ein typischer Hader.“ Das ist ein bisschen enttäuschend.
Bereits das erste Bild von „Andrea lässt sich scheiden“ ist sehr witzig: Zwei Polizisten bewachen eine leere Landstraße. Dann setzt plötzlich die oberösterreichische Landeshymne ein. Spielt der Film überhaupt dort?
Ich hab lang gesucht, um was Vergleichbares zu finden, weil ich wollte eigentlich nicht die oberösterreichische Landeshymne nehmen für einen Film, der in Niederösterreich spielt. Aber es ist einfach das beste Lied in der Kategorie „Schöne Melodie mit möglichst argem Text.“ Es steht am Filmanfang, da ist die Heimat dann gleich etwas, zu dem man aufschauen soll wie ein Hunderl zu seinem Herrn. Das Land ist also nicht einfach nur ein Lebensraum, sondern etwas mit klaren Regeln, denen man gehorchen sollte. Das passt gut, zu dem was im Film anschließend passiert.
„Andrea lässt sich scheiden“ handelt von einer Polizistin, die das Land verlassen möchte – um ausgerechnet nach St. Pölten zu gehen. Was hat Sie dazu inspiriert?
Abgesehen von der Absicht, einen Film über eine Gegend zu machen, die mich sehr geprägt hat – ich stamme aus Niederösterreich, an der Grenze zu Oberösterreich –, wollte ich gleich am Anfang etwas wirklich Tragisches passieren lassen. Und schauen, was dann noch lustig ist. Sozusagen Witze machen unter erschwerten Bedingungen. Und nachdem man diese thematischen Überlegungen in sein Schreibbuch hineingekritzelt hat, weil einem am Anfang nichts Gescheites einfällt, dann schreibt man irgendwann doch auch die Geschichte. Und wenn man dann in einen Flow hineinkommt beim Schreiben, dann ist das wunderbar. So, als würde man ein spannendes Buch lesen, aber noch intensiver, weil man es gerade im Kopf abspielt und hinschreibt.
Warum steht diesmal eine meist schlecht gelaunte Frau im Mittelpunkt?
Ich glaube, man sucht intuitiv nach möglichst vielen Schwierigkeiten für seine Hauptfigur. Das Land ist zu einem Mann, der die Erwartungen nicht erfüllt, schon grauslich genug, aber zu einer Frau noch mehr. Mehrere Frauen, die schon bei einem Screening waren und den Film gesehen haben, haben mich extra angesprochen, wie gut dieser Druck im Film beschrieben ist, dem eine Frau auf dem Land ausgesetzt ist. Ich kenn das ein bissl, ich war zwar keine Frau auf dem Land, aber immerhin ein dickes Kind, das nicht Fußball spielen konnte und hie und da auch ein wenig verdroschen worden ist. Toxische Männlichkeit ist mir daher ein Begriff, für mich waren das ab der Volksschule bestimmte Gleichaltrige. Aber ähnliche Dinge passieren natürlich in der Stadt genauso, das sollte man nicht der Provinz in die Schuhe schieben. Ich bin halt zufällig dort aufgewachsen.
Oft wird die Stadt ja gegen das Land ausgespielt. Wie sehen Sie das?
Mir war wichtig, dass das Land nicht denunziert wird. Ich komme von dort und es hat für mich gute Gründe gegeben, wegzugehen. Aber ich hab dort auch Freunde, die mit gutem Grund dort geblieben sind. Ich habe mich immer über Filme geärgert, die klischeehaft von der Landbevölkerung erzählen. Da will man es dann selber besser machen.
Ihre Hauptfigur ist Polizistin. Haben Sie viel recherchiert?
Viel recherchiert wär übertrieben, da braucht ja nur zwei freundliche Polizistinnen finden, die einem gerne was erzählen. Das genügt schon, die wissen viele Geschichten. Auch am Set hatten wir jemand, damit wir keine Fehler machen bei der Darstellung der Polizeiarbeit.
Birgit Minichmayr als strenge Polizistin ist eine ausgezeichnete Wahl. Haben Sie gleich an Sie gedacht?
Wir haben ein einziges Mal zusammengearbeitet, in „Der Knochenmann“. Seither wissen wir, dass wir gut miteinander können. Und wie ich mir beim Schreiben die Andrea vorgestellt habe, eine sehr korrekte Polizistin, die deswegen Schwierigkeiten im Ort hat, da hatte ich gleich einen weiblichen Cowboy vor Augen. Der nach außen wenig Emotionen zeigt, mit zusammengekniffenen Augen den Männern die Stirn bietet, während es innerlich in ihm brodelt. Wenn man dann nachdenkt, wer sowas spielen könnte, da kommt man sehr schnell auf die Birgit.
Die Bilder in Ihrem Film sind extrem hell, aber irgendwie doch sonnenlos.
Es ist dieses gleißende Licht, das ein bissl die Farben wegnimmt. Der Himmel nicht blau wie in der Fremdenverkehrswerbung, sondern weißlich, das Gras nicht mehr frisch, sondern ein bisschen angetrocknet. Wir wollten einen drückenden Hochsommer erzählen mit unangenehmen Insekten am Tag und in der Nacht mit lauten Grillen. Ein Hauch von Italo-Western. Das Weinviertel ist eine Landschaft, die nicht so zwingend österreichisch ausschaut. Wir wollten ein Provinz kreieren, die es überall geben kann.
Sie selbst spielen den pensionierten Religionslehrer Franz Leitner, einen philosophischen (Ex-)Alkoholiker, der sich aufs Abstellgleis gestellt hat.
Oder gestellt wurde, das weiß man nicht so genau. Leitner ist übrigens der Vulgo-Name von unserm Bauernhof zu Hause. Also der Franz ist mir kein unbekannter. Einerseits kenne ich solche Biografien, andererseits ist er auch eine mögliche Biografie von mir. Ein paar andere Lebensentscheidungen und ich wäre vielleicht auch dort, wo der Franz im Film ist. Ich habe nur aus unerfindlichem Glück einen Beruf gefunden, wo ich einige meiner Schwächen als Stärken verwenden konnte. Als junger Kabarettist hab ich mich als Bauernbua vors Publikum gestellt, der ungelenk seine Texte vorgetragen hat. Das war damals eine super Bühnenfigur, aber es war auch irgendwie echt. Ich habe auch andere Eigenschaften, mit denen man normal unter die Räder kommen könnte, zum Beispiel meinen Trotz, meine Empfindlichkeit, meine gering entwickelte soziale Kompetenz. Mit all dem kann man aber ausgezeichnet Solokabarettist werden.
Franz Leitner ist ja auch insofern eine tolle Figur, weil er der Welt so lakonisch gegenübertritt.
Ich denke mir, wenn man keinen Karriereplan mehr hat so wie er, dann hat man dem Leben gegenüber auch eine große Freiheit. Einfach, weil man nichts mehr muss. Das ist auch ein sehr persönlicher Gedanke von mir, besonders an runden Geburtstagen. Da denke ich mir: „Blöd, dass du schon so alt bist, aber dafür brauchst du das jetzt nimmer machen, und das und das machst du ab jetzt auch nicht mehr.
Was zum Beispiel?
Zum Beispiel in einem Fernsehfilm mitspielen, dessen Buch mich nicht total überzeugt. Da hätte ich mir früher gedacht „Das ist eine interessante Erfahrung, vielleicht wird es ja doch gut, und wenn nicht, kann ich was draus lernen.“ Sowas lasse ich jetzt weg wegen der weniger werdenden Zeit. Man muss das Alter, gegen das man eh nix machen kann, wenigstens gewinnbringend verwenden. Es fällt mir ja immer noch schwer, Nein zu sagen und seit zwei Jahren hab ich jetzt dieses gute Argument zur Verfügung: „Weißt, ich bin jetzt schon über 60, das wird mir zu viel.“ Man muss sich vom Alter herauskletzeln, was von Vorteil ist.
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