Josef Hader im Interview: "Dummheit und Egoismus erklären alles“
KURIER: Woher kam die Idee zu „Hader on Ice“?
Josef Hader: Nach „Wilde Maus“ dachte ich mir: Jetzt ist die Kinofilm-Phase abgeschlossen. Jetzt hab ich große Lust auf Kabarett. Das war schon die Zeit, als man das Gefühl hatte, dass alles anders wird. Am stärksten, weil Donald Trump US-Präsident wurde. Man hatte plötzlich so eine Ahnung, dass ein neues Zeitalter anbricht, wenn so jemand Präsident werden kann: Ein Milliardär, der den armen Leuten Geschichten erzählt, die gut klingen.
Der Hintergrund für ein Kabarettprogramm?
Ja. Vorher schon begann ein Krieg in der Ukraine. Nicht als Unglücksfall mit einer jahrhundertealten Geschichte wie in Jugoslawien, sondern Krieg war plötzlich wieder ein legitimes Machtinstrument der Politik. Damals habe ich auch eine Untersuchung gelesen, die zeigt, dass die Verteilung zwischen Armen und Reichen in Europa genau gleich ist wie 1914. Da dachte ich: Die Nachkriegszeit ist aus, es kommt eine andere Zeit, eine etwas irrationalere.
Und wie haben Sie das Thema bewältigt?
Ausgehend vom Phänomen Trump habe ich nach einer sehr prallen barocken Form gesucht, wie man das alles in einer Figur vereinigen kann, was die Zeit an Furchtbarem zu bieten hat.
Im fast gemütlichen Plauderton wird Furchtbares gesagt.
Wahrscheinlich inspiriert vom Entertainment-Versprechen, mit dem die bösen und abgründigen amerikanischen Comedians auf die Bühne gehen. Da ist mir gute Comedy Anregung, dass das so leicht und luftig daherkommt. Mir war wichtig, dass unscharf bleibt, ob das ich bin. Dass es am Anfang so wirkt wie eine Altersversion vom Programm „Privat“. Dass alle sich zunächst in Sicherheit wiegen. Und dann langsam die Irritationen anfangen.
Dabei gibt es kaum Raum für Spontaneität.
Doch! Ich bin nur bei einer Premiere ein bissl verkrampfter als später. Da kann es freier werden. Jetzt sollen sich die Vorstellungen ruhig ein bisserl voneinander unterscheiden, weil man auslotet: Was ist der beste Weg?
Zum Programm gehört …
… dass es ständig über alle Ebenen auf- und abwärts geht. Zum Beispiel wollte ich mit einem tiefen Schmäh in die Pause gehen. Wichtig ist mir die Leichtigkeit, und dass das einen freien Rhythmus hat. Ich will diese Freiheit, ein bisschen abzuheben.
In der Sprachmelodie klingt der „Herr Karl“ manchmal wie ein Echo nach.
Das ist leicht möglich, das passiert unbewusst, weil unsere Generation wahnsinnig geprägt ist davon. Das war mit hohem Abstand das größte kabarettistische Ereignis des Jahrhunderts, vielleicht sogar von drei Jahrhunderten in Österreich. Wie der „Herr Karl“ die Verlogenheit einer Gesellschaft, eines ganzen Staates auf den Punkt bringt in einer knappen Stunde, dafür gibt es keinen Vergleich. Natürlich sind wir alle davon ebenso beeinflusst wie von Hans Moser, der in den Unterhaltungskomödien giftig spielt und manchmal richtig kalt und böse ist. Und genau deswegen als ganzer Mensch erscheint. Wir haben alle eine kulturelle Prägung. Gegen die soll und kann man sich auch nicht wehren.
„Rudl“, der Wolf in „Hader on Ice“, erinnert an den weißen Hasen in „Mein Freund Harvey“ mit James Stewart.
Die Frage war für mich: Was mache ich am Schluss, ohne künstlich lustig sein zu müssen? Da ist mir dieser Film eingefallen. Meine Bühnenfigur ist ja zwei Stunden nur erträglich, weil sie auch etwas Naives und dieses Staunen hat, das alle diese Männer auch haben, die gleichzeitig Grausliches machen. Die sind ja wie große Kinder, die alles kaputtmachen.
Was ist mehr verbreitet, Dummheit oder Naivität?
Schwer zu sagen. Das sind ja kommunizierende Gefäße. Ist die Naivität vielleicht das sympathischere Kleid der Dummheit? Vielleicht hat die Dummheit sogar etwas Schönes, wenn – wie in „Candide“ von Voltaire – der Tor so positiv durch die Welt geht. Aber die grausliche Dummheit, die Unheil anrichtet, erklärt alles. Dummheit und Egoismus erklären alles, was furchtbar ist in dieser Welt. Da brauche ich nicht extra noch Verschwörungstheorien dazu.
Bleiben wir bei schrecklichen Figuren, aber in der Realität. Sie haben H. C. Strache als unangenehm empfunden und sagten: Jörg Haider war da anders. Und wie ist Herbert Kickl für Sie?
Er ist intelligenzmäßig wahrscheinlich zwischen Haider und Strache angesiedelt. Ich weiß nie, was bei ihm Kalkül ist und was echte Überzeugung. Er ist das mit Abstand bisher verbissenste Gesicht. Haider hatte, wie er seine Negativ-Botschaften – alles wird schlechter, es geht bergab, wir sind bedroht – charmant präsentierte, eine hohe Intelligenz der Kommunikation. Mit Strache dachte ich: Man kann nicht ungefiltert so schlechte Laune verbreiten, das funktioniert nicht beim Wähler.
Sie haben sich getäuscht.
Total. Deshalb bin ich jetzt vorsichtig, bei Kickl zu sagen: Was so verbissen ist, kann keinen Erfolg haben. Jedenfalls sind die Bedenken, wie weit man gehen kann, bei Kickl geringer. Dazu kommt, dass die Kurz-Regierung sehr viel volley übernommen hat von den Grauslichkeiten der FPÖ, die jetzt noch härtere „Wahrheiten“ fürs Volk braucht. Populismus ist heute ein genauso modisches Modell wie es in gewissen Phasen der 20er- und 30er-Jahre der Faschismus war.
Die Quintessenz davon?
Banal gesagt: Wenn eine ausreichende Zahl von Menschen am unteren Ende der Gesellschaft das Gefühl hat, dass in ihrem Leben nichts mehr besser werden kann, dann werden sie jeden nehmen, der ihnen verspricht, dass sich etwas ändert.
Es ist jetzt wieder so: Niemand hat Interesse ...
... dass Bildung als Aufstiegsmöglichkeit dient. Keiner findet etwas dabei, dass wieder Bildung vererbt wird. Dass es immer mehr Verzweifelte gibt am unteren Ende der Gesellschaft. Es ist denen, die daran etwas ändern könnten, wurscht. Das war nach dem Krieg anders, als es noch wichtig war, darauf zu achten, dass es allen irgendwie gut geht, dass die Mitte der Gesellschaft möglichst breit ist. Sonst haben wir wieder so etwas wie in den 30er- und 40er-Jahren. Aber diese Generationen sind gestorben. Und plötzlich ist das nicht mehr wichtig.
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