Das Siechtum der beiden Institutionen, die eigentlich als Leitsterne der Gegenwartskunst in Wien fungieren sollten, hat freilich tiefe Wurzeln. Nach Eröffnung des MQ 2001 verbrachten deren einstige Chefs erhebliche Teile der Nullerjahre mit dem Lamentieren: Zu wenig Sichtbarkeit bemängelte der langjährige Kunsthallen-Chef Gerald Matt, zu wenig Platz der mumok-Chef Edelbert Köb, der gern auch die Flächen der Kunsthalle übernommen hätte. Mit dem Abgang der beiden (2010 bzw. 2012) verstummte die der Kulturpolitik längst lästige Debatte, ohne dass das dahinterliegende Problem einer Lösung zugeführt worden wäre.
mumok-Chefin Karola Kraus fuhr für einige Jahre ein durchaus ambitioniertes Programm, auch wenn sie sich ständig mit Vorwürfen mangelnden Publikumszuspruchs herumschlagen musste. Dieselben Vorwürfe klebten am Schuh der Kunsthalle, die sich bereits unter ihrem Chef Nicolaus Schafhausen (2012 – 2019) gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit einzuigeln begann. Das aktuelle Leitungstrio WHW war verständlicherweise frustriert, als es 2022 nicht nochmals bestellt wurde: Die Jury hatte erklärt, „dass keines der eingereichten Konzepte hinreichend für eine weitere, zukünftige Periode der Kunsthalle überzeugen konnte“ - auch das Konzept von WHW war durchgefallen.
Die Luft ist draußen
Spätestens ab diesem Punkt war, wie man so sagt, die Luft draußen, und zwar in beiden Häusern. Karola Kraus brachte noch ein schönes Projekt über die vergessene Künstlerin Elisabeth Wild an den Start, ließ sonst aber ihr Kuratorenteam nur mäßig inspirierte Sammlungsausstellungen und kleine Solo-Präsentationen aufstellen. Die von einer Großgalerie orchestrierte Schau des Newcomers Adam Pendleton, der 2023 ein ganzes Stockwerk für ein dreiviertel Jahr (!) geopfert wurde, ließ sich nur noch als Eingeständnis von Lust- oder Ideenlosigkeit lesen. Es folgte die angeblich dringend nötige Schließung zu Sanierungszwecken, die zweite in 14 Jahren – kommende Woche will man die Presse über die Fortschritte informieren, am 6. 6. wird wieder aufgesperrt.
Die Nachbarinnen WHW schafften es zuletzt immerhin, mit Sanja Iveković, Laure Prouvost oder Katrina Daschner würdige Künstlerinnen auszustellen. Die jüngste Ausstellung – ja, die Kunsthalle ist in Betrieb! – wurde aber kommunikativ versenkt.
Genau an dem Tag nämlich, als das neue private Wiener Aktionismus Museum eröffnete – und eine langjährige, zuletzt vernachlässigte Kernkompetenz des mumok an sich riss – versuchte die Kunsthalle, Publikum in eine kryptische Ausstellung zu locken. Es gehe um „Unmöglichkeiten und Widersprüche, die mit Fragen des Begehrens, der Sichtbarkeit und Opazität verbunden sind“, hieß es in dem Ankündigungstext dazu, und auch Ihr in Sachen Geschwurbel gestählter Rezensent wusste sich nichts vorzustellen. „Opazität“ übersetzt man übrigens mit „Undurchsichtigkeit“.
Die Ausstellung - mit Videos der Britin Rene Matić und Übermalungen des britisch-kolumbianischen Künstlers Oscar Murillo – ist dabei nicht schlecht. Was sie programmatisch an diesem Ort soll, ist freilich unklar. Wie man überhaupt nicht mehr wirklich weiß, wofür das Eck mit mumok und Kunsthalle eigentlich steht - daran wird auch die in Koooperation mit den Festwochen ausgerichtete Ausstellung "Genossin Sonne" (ab Freitag) wenig ändern.
Denn die Institutionen nutzten die Veränderungen in Wiens Kunstbiotop nicht zur Profilschärfung: Mit dem Belvedere 21, der Albertina Modern, dem Horten Museum und dem Aktionismus-Museum sind neue Player hinzugekommen, auch MAK, Secession, Künstlerhaus fokussierten sich, kleinere Schauräume (Phileas, Franz Josefs-Kai 3) sowie Galerien und Kunstunis bilden eine Szenedichte, um die manche Städte Wien zurecht beneiden. Die zwei hochsubventionierten Institutionen stehen nicht nur im MQ buchstäblich im Eck. Statt noch mehr Programm, das sich in selbstgewissem Jargon versteckt, braucht es einen Paukenschlag. Oder vielleicht doch eine Fusion der beiden?
*Korrektur 14. 5. 2024: In einer früheren Version des Artikels wurde das Datum, in dem Fatima Hellberg ihre Funktion als Leiterin des mumok antritt, falsch angegeben. Hellberg übernimmt die mumok-Direktion mit 1. Oktober 2025, nicht mit 1. Jänner 2025.
Kommentare