Protest gegen "Abwahl" des Leitungsteams der Kunsthalle Wien

++ HANDOUT/ARCHIVBILD ++ NEUE KUNSTHALLE WIEN-DIREKTORINNEN: ILIC / SABOLOVIC / CURLIN
Aufsichtsratsvorsitzender Marte legt Mandat zurück. Neuausschreibung wird am Samstag veröffentlicht

Anfang Dezember wurde bekannt, dass das Zagreber Kollektiv „What, How & for Whom“, das derzeit die Kunsthalle Wien leitet, aus dem Rennen für eine Verlängerung ab Juni 2024 ist. Aus Protest gegen diese „Abwahl“ legt nun Boris Marte sein Mandat als Aufsichtsrat der "Stadt Wien Kunst GmbH", der stadteigenen Trägerorganisation der Kunsthalle, zurück, wie er gegenüber der APA bekannt gab. Der KURIER erfuhr indes aus dem Büro der Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, dass die nochmalige Ausschreibung für die künstlerische Leitung der städtischen Kunsthalle am morgigen Samstag, den 17.12., veröffentlicht wird, die Frist soll bis zum 15. Februar 2023 laufen. Notwendig geworden war die Neuausschreibung, weil die Jury keine der 20 Kandidatinnen und Kandidaten - darunter auch das derzeitige Leitungsteam - für geeignet hielt.

Schwieriger Start

„Die Abwahl des leitenden Kuratorinnenkollektivs verstößt gegen meinen Begriff von kulturpolitischer Ethik“, so  Marte, der hauptamtlich Vorstandsvorsitzender der Erste Stiftung ist. Diese Einrichtung der am Balkan stark engagierten Erste Bank betreibt ihrerseits eine Kunstsammlung und ist seit langem mit Kultur- und Vermittlungsprojekten in Osteuropa aktiv.

Boris Marte

Marte sei 2019 bei der Bestellung von Nataša Ilić, Ivet Ćurlin und Sabina Sabolović „begeistert“ gewesen und findet auch nun lobende Worte für ihre bisherige Arbeit. Das Team von „WHW“ sei „mit großen Plänen, Ideen und internationalem Netzwerk in Wien angetreten - bis buchstäblich am Tag nach der ersten Eröffnung alles zugesperrt wurde“, erinnert Marte an das Frühjahr 2020 und führt ins Treffen, dass dem Trio keine Möglichkeit gegeben wird, die verlorene Zeit nachzuholen. „Corona hat ihrer Ambition einen Strich durch die Rechnung gemacht.“ Jeder, der in kulturpolitischen Gremien sitzt, habe den Kampf der Protagonistinnen mitbekommen, die Institution „mit vollem Einsatz durch diese schwierige Zeit zu führen“. Darüber hinaus sei dem Team eine Institution übertragen worden, „die zu diesem Zeitpunkt ein ziemlich heruntergewirtschafteter Schatten ihrer selbst war“, so Marte.

Umbildung "Aus dem Nichts"

Dass es nun eine Neuausschreibung gibt, da die 20 Bewerberinnen und Bewerber - darunter auch „WHW“ - laut Jury nicht den Kriterien entsprochen hätten, sei laut Marte zu keinem Zeitpunkt mit dem Aufsichtsrat als Gremium besprochen worden, auch sei bis jetzt keine Begründung übermittelt worden. Kritisch sieht er zudem, dass „aus dem Nichts im Umfeld der Kunsthalle plötzlich ein Fotomuseum (das "Foto Arsenal", Anmerkung) herausgezaubert wurde, das als neuer 'Rechnungskreis' in die Kunsthallen-GmbH integriert wurde, welche im Handumdrehen zu einer Art allgemeinen 'KunstAG' der Stadt gemacht wurde - ohne das leitende Kuratoreninnenkollektiv in die Entscheidungsfindung miteinzubeziehen“. Auch der Aufsichtsrat sei vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

Martes Fazit: „Den kurzen Ausflug nach Wien werden die drei Kuratorinnen tausendmal bereuen. Er hinterlässt eine tiefe menschliche Wunde und beschädigt ihre Reputation - abgesehen von der Würdelosigkeit des Vorgehens gegenüber drei großartigen Frauen.“ Diese Würdelosigkeit stehe im „Einklang mit medialer Ignoranz gegenüber der Herkunft, den Themen und den ästhetischen Anliegen dieser Frauen selbst“. Die Entscheidung der Jury ist für Marte „an Mutlosigkeit und Kurzsichtigkeit nicht zu übertreffen“, er fordert nun eine Aufarbeitung und Diskussion sowohl über das Vorgehen als auch die Zukunft der Kunsthalle selbst.

Kommentare