Haus der Geschichte: Zeitgeschehen in der Schrottpresse

Haus der Geschichte: Zeitgeschehen in der Schrottpresse
Die Ausstellung der neuen Republiks-Institution ist überladen und kaum zu navigieren

Ausstellungen werden nicht besser, wenn man sie wie in einer Schrottpresse auf wenige Kubikmeter komprimiert. Genau das ist aber im „Haus der Geschichte Österreich“ (HdGÖ), das ab Samstag dem Publikum offen stehen wird, geschehen.

In dem Korridor der Neuen Burg sind zweifellos interessante Dinge zu erfahren – etwa über das Purtschellerhaus, das genau an der Grenze zwischen Österreich und Deutschland in den Berchtesgadener Alpen liegt und nach 1945 zum Treffpunkt getrennter Familien wurde. Oder über Selma Burke, eine afroamerikanische Bildhauerin, die eine Ausnahmeerscheinung im Wien der Zwischenkriegszeit war.

Doch was das HdGÖ wirklich erzählen will – und was letztlich seine Botschaft transportieren soll – ist nach dem Gang durch die Räume unklarer als davor.

++ THEMENBILD ++ HAUS DER GESCHICHTE ÖSTERREICH (HDGÖ)

Brei mit vielen Köchen

Die vielen Begehrlichkeiten und Visionen, die während der langwierigen Entstehungsgeschichte auf das HdGÖ projiziert wurden, sind in der auf eine eineinhalbjährige Laufzeit angelegten Eröffnungsausstellung „Aufbruch ins Ungewisse – Österreich seit 1918“ deutlich abzulesen. Die Präsentation versucht, neben politischer Geschichte auch Alltagskultur und verschiedenste Diskurse unter ein Dach zu bringen – die räumliche Beengtheit wurde dabei weitgehend ignoriert.

Dazu kommt der seltsame Zwischenstatus der Institution, die derzeit an die Nationalbibliothek angedockt ist und viel Material aus dieser bezieht, zugleich aber nach einem eigenem Profil sucht: Das hat zur Folge, dass bedeutsame Exponate zwar vorhanden sind, aber nicht museal adäquat wirken und sich gegen einen Wust aus Texten, Reproduktionen und digitalen „Innovationen“ behaupten müssen.

Das Team um Direktorin Monika Sommer hat die Schau in sieben Bereiche gegliedert: Nach einer Darstellung zur Geburtszeit der Republik geht es um Wirtschaft, um Diktaturen und um das österreichische Selbstbild, danach um Grenzen und das Thema Gleichberechtigung. Parallel läuft entlang einer Wand eine Art Regal, auf dem Leuchtschriften die Jahrzehnte von 1918 bis 2018 markieren. In dieser Sektion soll es um die Rolle von Bildern im Verlauf der jüngeren Geschichte gehen.

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Würfel und Spiele

Das Architektenteam BWM verpasste jedem Bereich ein eigenes Ausstellungsdisplay, was die Orientierung aber nicht erleichtert. Im Auftaktsaal zum Jahr 1918 sind die Exponate auf groben, rollbaren Gestellen platziert, als würden sie jeden Moment abtransportiert. Im Hauptsaal empfängt einen dann eine Art verdrehter Rubik-Würfel, in dessen Kompartimenten einmal von der EU, dann wieder vom Sparefroh und von Zwangsarbeit die Rede ist. Wer das Rätsel löst (es geht um Wirtschaft!) darf weiter, bei vielen wird sich wohl die vom Würfel bekannte Frustration einstellen.

Spiele sind in der Ausstellung generell wichtig: Auf ein DKT-Set im Wirtschaftsteil folgt ein unsägliches Brettspiel aus der NS-Zeit, bei dem jener Spieler gewann, der als erster mehr Juden „vertrieb“. Dass daneben jene Tafel, die den Mythos von Österreich als „erstem Opfer des Nationalsozialismus“ einst in einem Pavillon in Auschwitz verbreitete, missverständlich präsentiert ist – sie wird nur im Kleingedruckten kommentiert – stößt aber genauso sauer auf wie der Umstand, dass die NS-Begeisterung der Österreicher um 1938 kaum Thema ist.

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Dafür lässt sich in der Sektion zur Identität – die Ausstellungsarchitektur ahmt hier eine Almhütte nach – ein spielerisches Selfie vor Bergkulisse machen. Das Haus der Geschichte ist hier eher ein Haus der G’schichterln geworden, mit Objekten wie Hermann Maiers Helm oder Conchitas Song-Contest-Dress ist es tatsächlich gelungen, den wenigen Platz auch noch schlecht zu nutzen.

Dass es im postmodernen Verständnis die eine, große historische Erzählung nicht mehr gibt, leuchtet ein – die Präsentation des HdGÖ lässt aber kaum zu, zwischen Haupt- und Nebensträngen zu unterscheiden. Für eine Institution, die basales Geschichtswissen vermitteln sollte, ist das eigentlich eine Themenverfehlung.

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