Hauptverbands-Chef: „Buchhandel ist nicht irgendeine Branche“
Benedikt Föger, seit 2014 Präsident des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels, spricht über die Leipziger Buchmesse, die Zukunft der Buch Wien – und die Insolvenz des riesigen Zwischenbuchhändlers KNV.
Föger, Jahrgang 1970, leitet seit 2004 den Czernin Verlag in Wien.
KURIER: Ende März fand die Buchmesse in Leipzig statt. Wie war die Stimmung?
Benedikt Föger: Sehr positiv. Weil das Wetter schön war – und weil sehr viele Besucher gekommen sind. Die Zahl stieg gegenüber dem Vorjahr von 271.000 auf 286.000. Ich bin aber eigentlich ein Gegner davon, den Erfolg einer Veranstaltung an der Zahl der Besucher zu messen. Denn 20.000 Besucher mehr oder weniger: Das ist nicht das Entscheidende. Es müssen die richtigen sein.
Und es waren die richtigen?
Ja. Abgesehen davon war die Stimmung generell optimistisch, weil es in Deutschland im Vorjahr eine leichte Umsatzsteigerung gab. Ein kleines Plus von 0,1 Prozent im Buchhandel ist zwar zu wenig, um die steigenden Kosten aufzufangen, aber es ist zumindest eine positive Entwicklung. Und die meisten Verleger, mit denen ich gesprochen habe, hatten erstaunlicherweise einen sehr guten Februar.
Was sind die Unterschiede zur Frankfurter Buchmesse?
In Frankfurt haben die Verleger einen Geschäftstermin nach dem anderen. Da geht es zum Beispiel um internationale Lizenzen. Zufallskontakte sind selten. Leipzig hingegen ist eine echte Publikumsmesse. Normalerweise ist es ja so, dass die Verleger mit ihren Vertretern sprechen, die Vertreter mit den Buchhändlern – und die verkaufen die Bücher an die Leser. In Leipzig treffen die Verleger tatsächlich ihre Leser. Und das Frühjahr ist ein guter Zeitpunkt. Die Messe erlaubt eine Eigenverortung: Wie funktionieren die Covers? Welche Bücher sprechen an? Zudem gibt es eine riesige Zahl an Veranstaltungen, konkret 3400 auf dem Messegelände und in der ganzen Stadt. Es ist ein echtes Lesefest.
Wurde das nicht von der Insolvenz des Barsortimenters KNV (Koch, Neff & Volckmar) überschattet? Sie träfe, so Heinrich Riethmüller – Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – in seiner Eröffnungsrede, „das Herz der Branche“.
Die Insolvenz betrifft tatsächlich fast jeden von uns. Aber Tobias Wahl, der Insolvenzverwalter, war anwesend. Er hat offensichtlich erkannt, dass der Buchhandel nicht irgendeine Branche, sondern ein gesellschaftlich wichtiger Zweig ist. Man nimmt ihm das Bemühen ab, eine Lösung zu finden – und nicht nur einen Schuldenschnitt zu machen.
Dennoch werden die Verlage, die Bücher an KNV geliefert haben, auf Forderungen verzichten müssen.
Das Konkursverfahren wird erst im Mai eröffnet. Wie mit den Außenständen verfahren wird, weiß man noch nicht. Aber ja, sie betreffen die drei umsatzstärksten Monate, eben das Weihnachtsgeschäft. Derzeit läuft das Geschäft weiter – mit verkürzten Zahlungszielen und mit Limits. Das funktioniert, die Rechnungen werden bezahlt. Auch das ist positiv für die Stimmung. Denn ansonsten würden die Verlage nur gegen Vorauskassa liefern.
KNV ist – neben Libri – der größte Barsortimenter (Zwischenhändler, Anm.) in Deutschland. Er hält 700.000 Titel auf Lager. Warum ist er für die Verlage, die in der Regel eigene Auslieferungen haben, so wichtig?
Es ist zwar für den Buchhändler zumeist günstiger, wenn er die Bücher bei der Auslieferung bestellt, aber viel komplizierter. Denn es gibt – zumindest in Deutschland – sehr viele Auslieferer. Über den Barsortimenter kann er auf einen enormen Bestand lagernder Bücher zurückgreifen – und er erhält die Bücher bereits am nächsten Tag. Zudem bekommt er, auch wenn er Bücher verschiedener Verlage bestellt hat, nur eine Rechnung. Über das Barsortiment werden vor allem die Nachbezüge bestellt.
Haben sich in Leipzig Trends feststellen lassen, etwa die Konzentration auf wenige Verlagsgruppen?
Hin und wieder wird ein Verlag übernommen, aber ich habe keinen Trend festgestellt. Dass Hanser Deuticke und Zolnay übernommen hat, ist ja doch schon einige Jahre her. Und dass es irgendwann nur drei große, marktbeherrschende Gruppen wie Holtzbrinck oder Bonnier geben könnte: Das ist nicht zu erwarten. Die unabhängigen, eigentümergeführten Verlage sind sowohl in Deutschland wie auch in Österreich nicht weniger geworden. Also: Random House wird nicht unseren Czernin Verlag übernehmen.
Die Buch Wien ist quasi eine Leipziger Buchmesse en miniature. Wie wird es mit ihr weitergehen?
Wir haben in Leipzig viele Gespräche mit potenziellen Ausstellern geführt. Es gab die Befürchtung, dass sie wegen der KNV-Insolvenz vielleicht kein Interesse haben könnten. Aber das hat sich nicht bestätigt. Was von den großen deutschen Verlagen sehr positiv beurteilt wird, sind die Veranstaltungsformate. Dass Joachim Meyerhoff vor 400 Besuchern liest – und dass ein Gutteil danach seine Bücher kauft: Das macht die Buch Wien sehr attraktiv. Die Messe wird daher weiterwachsen – sowohl flächenmäßig, als auch nach der Zahl an internationalen Ausstellern. In eine größere Messehalle zu wechseln, ist ein Ziel, aber noch nicht für heuer zu erwarten. Sie findet von 6. bis 10. November statt – wieder in der Halle D.
Mit der Verlagsförderung ist man im Hauptverband des Österreichischen Buchhandels nach wie vor zufrieden?
Doch. Die Verlagsförderung mit einer unabhängigen Jury ist, wie sich zeigt, ein sehr elaboriertes System. Denn auch die Schweiz hat eine solche eingeführt – und in Deutschland wird eine Förderung für die unabhängigen Verlage überlegt. Die Verlagsförderung gibt, weil sie entsprechend dotiert ist, den Verlagen eine bisschen mehr Freiheit. Damit man darauf achten kann, junge österreichische Autorinnen und Autoren zu fördern oder österreichische Themen abzuhandeln. Aber natürlich: Ein Mehr an Unterstützung kann nie schaden.
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