Greta Gerwig zu "Litttle Women": "Ich muss diesen Film machen“
Hollywood liebt nichts mehr als Wettbewerbe. Und wenn es keinen gibt, dann wird einer kreiert.
So passiert, als Noah Baumbach für „Marriage Story“ eine Regienominierung bei den Golden Globes bekam, seine Ehefrau Greta Gerwig, die sowohl das Drehbuch als auch die Regie bei „Little Women“ gemacht hat, aber leer ausging.
Bei den Oscars ist es nun noch aufgeheizter: Beide Filme sind nominiert, keiner der Ehepartner für Regie, aber beide für Drehbuch (siehe unten). Allerdings nicht in derselben Kategorie: Baumbach ist für das Originaldrehbuch,
Gerwig für das adaptierte Drehbuch nominiert. Beide könnten also gewinnen, werden es aber wohl angesichts der Konkurrenz von Tarantino, Scorsese und Co eher nicht.
Gerwig, die als Schauspielerin begann, lässt das alles und vor allem die Spekulation der Medien reichlich kalt. Sie ist glücklich, dass ihre Version von „Little Women“ so viel Aufmerksamkeit bekommt.
KURIER: Sie sind in Ihrer Karriere sehr bald hinter die Kamera gewechselt. Woher kam die Courage?
Greta Gerwig: Schreiben und Regieführen waren im Grunde immer meine erste Liebe. Den Mut dafür hatte ich erst so richtig nach „Frances Ha“: Die Reaktion auf diesen kleinen Film, den wir in Schwarz-weiß gedreht hatten, war wirklich überwältigend. Das gab mir genug Selbstbewusstsein, dass ich mich an „Ladybird“ heranwagte.
Gab es eine persönliche Verbindung zu „Little Women“?
Ich identifiziere mich mit Jo March. Ich verstehe ihre Geschichte. Und der Roman ist schon mein ganzes Leben lang mein Lieblingsbuch. Es war das Buch, aus dem mir meine Mutter vor dem Schlafengehen vorlas. Es war der Grund, dass ich an mich glauben lernte, dass ich den Mut aufbrachte, Autorin zu werden. Jo war dieses Mädchen voller Ambitionen, größer und stärker als alle und alles in ihrer Umgebung. Und das fühlte ich auch in mir. Ich marschierte mit dem Buch unterm Arm zu Sony, in Amy Pascals Büro, die meine Produzentin wurde. Ich sagte, ich muss diesen Film machen, ich kann nicht anders. Und zum Glück gab es keinen Widerstand. Und dass sie es groß machen wollten, eine richtige Produktion, wo nicht an allen Ecken und Enden gespart wird. Wo ich diese großartigen Schauspielerinnen engagieren konnte, meine Traumbesetzung. Für mich ist „Little Women“ die quintessenzielle weibliche Geschichte über den Traum, Schriftstellerin zu werden. Und ich hatte die größte Leinwand zur Verfügung. Ich habe bei diesem Film mehr über mich als Regisseurin gelernt als bei jedem anderen.
Reden wir kurz über die Besetzung …
Das ist ja fast peinlich, welche Namen ich da engagieren konnte! Ich meine, Emma Watson, Florence Pugh, Timothee Chalamet, Laura Dern, Meryl Streep! Und Saoirse Ronan kam zu mir und sagte: „Ich muss Jo March spielen! Bitte lehne mich nicht ab!“ Wie hätte ich da je nein sagen können?! Saoirse war meine erste Wahl, aber ich traute mich nicht einmal, das laut zu sagen.
Was hat Sie überrascht?
An mir selbst? Ich würde sagen, dieses starke Bedürfnis, diese Geschichte so zu erzählen, wie ich es im Film getan habe. Mit den erwachsenen Schwestern zu beginnen und die Geschichte ihrer Kindheit in Flashbacks zu erzählen.
Hatten Sie nie Angst vor der eigenen Courage, weil Sie hier einen so bekannten, beliebten und klassischen Roman verfilmten?
Als ich die Liste der Frauen gesehen habe, die den Roman lieben, hatte ich einen Moment des Erschreckens. Ich meine, wir sprechen hier von Frauen wie Simone de Beauvoir, Elena Ferrante, J. K. Rowling, Anna Quindlen, Patti Smith. Ich glaube, dass die Geschichte so zeitlos ist, weil Frauen sich einfach identifizieren können, wenn sie hören, wie schwierig bis unmöglich es für uns immer war, Geld zu verdienen und eine Karriere zu haben. Dieses Thema ist leider auch heute noch aktuell.
Wo haben Sie gedreht?
Das war ein weiteres Geschenk: Wir drehten in Concord, Massachusetts, wo der Roman geschrieben wurde und die Geschichte tatsächlich stattfindet. Das ist das erste Mal, dass ein „Little Women“-Film an den Originalschauplätzen gedreht wurde. Wir waren wirklich im Bann von Louisa May Alcott. Und wie inspirierend diese Gegend ist! Orchard House, wo Alcott „Little Women“ schrieb, ist gegenüber von Ralph Waldo Emersons Haus und einen Steinwurf von Walden Pond entfernt, wo Theroux lebte und schrieb. Und wenn man in die Gegenrichtung spaziert, kommt man zum Geburtshaus von Nathaniel Hawthorne und Emersons Großvaters Haus, von dem er den Beginn des Revolutionskrieges auf der North Bridge beobachtete. Dort wurde die Idee von Amerika und die Idee der Verfassung geboren. Das war für mich als Filmemacher mindestens genauso inspirierend wie für meine Schauspieler.
Viele Szenen sehen so aus, als wäre man inmitten eines Monet- oder Theroux-Gemäldes. Haben Sie sich beim Produktionsdesign von Kunstwerken beeinflussen lassen?
Ja, ich habe sehr viel Zeit im Metropolitan Museum in New York verbracht und die Kunst des 19. Jahrhunderts studiert. Die Strandszene ist von Winslow Homer inspiriert, der drei Mädchen und einen Hund in Eagle Head, Massachusetts, gemalt hat, die erstaunlich modern wirken. Es war 1865, aber es könnte auch heute sein. Es hat so eine Zeitlosigkeit, und das wollte ich auch im Film erzeugen. Monet und Cezanne waren die Inspirationen für andere Szenen.
Sie sind 36, Louisa May Alcott war 36, als sie den Roman herausbrachte.
Das gesamte Projekt war definitiv Synergie!
Apropos Synergie: Ihr Mann drehte zur selben Zeit „Marriage Story“. Sie sind beide für Oscars nominiert. Was spielt sich zu Hause ab, wenn Sie gleichzeitig an verschiedenen Projekten arbeiten?
Zuerst muss ich sagen, „Marriage Story“ ist doch genial, oder? Er hat mir einen Rohschnitt davon gezeigt, als ich für Thanksgiving vor über einem Jahr kurz nach Hause kam, während der Drehpause von „Little Women“, und ich heulte mal zwei Stunden durch. Es ist sehr interessant, dass wir beide sehr ähnliche Themen über das menschliche Befinden behandeln, auch wenn unsere Stile so verschieden sind.
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