Goldene Palme für französisches Liebesdrama

Actresses Lea Seydoux (L) and Adele Exarchopoulos (R) kiss director Abdellatif Kechiche (C) as they pose on stage after receiving the Palme d'Or award for the film "La Vie D'Adele" during the closing ceremony of the 66th Cannes Film Festival in Cannes May 26, 2013. REUTERS/Yves Herman (FRANCE - Tags: ENTERTAINMENT TPX IMAGES OF THE DAY)
Der Hauptpreis beim Filmfestival von Cannes geht an das lesbische Liebesdrama "La vie d'Adele" von Abdellatif Kechiche.

Wir haben auf unser Herz gehört“, sagte Regisseur Steven Spielberg, Präsident der Preis-Jury von Cannes. Und die Herzen der Jury-Mitglieder – darunter das des Wiener Schauspielers Christoph Waltz – haben für das lesbische Liebesdrama des tunesisch-französischen Regisseurs Abdellatif Kechiche geschlagen: „La vie d’Adèle“ gewann am Sonntagabend die Goldene Palme von Cannes.

Goldene Palme für französisches Liebesdrama
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Darin verliebt sich eine Schülerin in eine Kunststudentin und erlebt ihre erste große Liebe. Kechiche rückt seinen Protagonistinnen in ungewöhnlich langen Sexszenen auf den Leib, ohne allerdings die angestrebte Intensität zu erreichen. Doch die schauspielerischen Leistungen der beiden jungen Frauen – der Newcomerin Adèle Exarchopoulos (19) und der tollen Léa Seydoux (27) – sind in jedem Fall herausragend. Deswegen wurde auch erstmals in der Geschichte der Filmfestspiele die Auszeichnung nicht nur an den Regisseur, sondern auch an die Schauspielerinnen vergeben.

Den zweitwichtigsten Preis, den Großen Preis der Jury, erhielten Joel und Ethan Coen: Ihre brillante Tragikomödie „Inside Llewyn Davis“, in der Justin Timberlake als Folksänger auftritt, zählte zu den Lieblingsfilmen der Kritiker.

Darstellerpreise für Bejo und Dern

Als stärkste Frau im Wettbewerb wurde Bérénice Bejo befunden: Berühmt geworden mit dem Stummfilm „The Artist“, gewann Bejo den Preis für die beste Darstellerin in dem dichten, hervorragend gespielten Beziehungsdrama „Le Passé“ des Iraners Asghar Farhadi. Den Preis für den besten Hauptdarsteller erhielt der 76-jährige Hollywood-Veteran Bruce Dern für seine Rolle als mürrischer Pensionist: In „Nebraska“, einem komisch-lakonischen Roadmovie von US-Oscarpreisträger Alexander Payne („Sideways“), unternimmt Dern als alterssturer Vater mit seinem Sohn eine Reise in die Vergangenheit.

Regenschauer, Windstürme, Juwelendiebstähle – und dazwischen hochkarätige Filme im Wettbewerb: Das 66. Filmfestival von Cannes ging am Sonntag auf hohem Niveau zu Ende. Zwar gab es nicht das eine Meisterwerk, auf das sich Gott und die Welt einigen konnten – wie noch letztes Jahr mit Michael Hanekes „Liebe“. Dafür bildeten sich unter den Kritikern immer wieder Neigungsgruppen für Lieblingsfilme – wie etwa für die brillante Tragikomödie „Inside Llewyn Davis“, in der Justin Timberlake als Folksänger auftritt.

Aber ein wirklich mutiger Film, der die Grenzen des Kinos neu austestet und einen baff im Kinosessel zurück lässt, fehlte: Diese Rolle übernahm letztes Jahr Leos Carax mit „Holy Motors“.

Goldene Palme für französisches Liebesdrama
Heuer sorgte gerade mal Nicholas Winding Refn („Drive“) mit seiner krampfhaft überhöhten Bangkok-Blutorgie „Only God Forgives“ mit Ryan Gosling für Hickhack: Was den einen als atemberaubende Vision mit großem Stilwillen erschien, galt den anderen als sadistisch-spekulative Dummheit. Die Geschichte des Kinos wurde damit aber in keinem Fall neu geschrieben.

Klassisches, schönes und auch ein bisschen erwartbares Erzählkino dominierte den Wettbewerb. Mit einer Ausnahme stammten alle Filme von Männern – und (alte) Männer dominierten auch stark die Geschichten auf der Leinwand. Der schöne Mads Mikkelsen brillierte mit beeindruckenden Backenknochen als einsamer Heinrich-von-Kleist-Held „Michael Kohlhaas“. Der Franzose Arnaud des Pallières erzählt die Geschichte des unbeirrbaren Pferdehändlers wie einen kargen Western, in dem die Naturlandschaft beinahe plastisch greifbar wird.

US-Oscarpreisträger Alexander Payne („Sideways“) entzückte mit einem komisch-lakonischen Roadmovie in Schwarz-Weiß und Breitwandformat: In „Nebraska“ macht sich ein Sohn mit seinem alterssturen Vater – mürrisch-resolut: Hollywood-Veteranen Bruce Dern – auf eine Reise in dessen Vergangenheit. In heruntergekommenen, überalterten Kleinstädten treffen sie auf Familienmitglieder und offene Rechnungen.

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La Dolce Vita

Ebenfalls ein schon etwas älterer Herr steht im Mittelpunkt von Paolo Sorrentinos verwaschener Romelegie „La Grande Bellezza“, die lose auf Fellinis „La Dolce Vita“ verweist. Roms Oberschicht gerät als dekadente Ansammlung von neureichen Verlierern und überschminkten Botox-Hexen ins Visier.

Eine vergleichsweise hohe Frauendichte wies dafür das Teenage-Drama „Blue Is the Warmest Color“ des tunesisch-französischen Regisseurs Abdellatif Kechiche auf: Eine Schülerin verliebt sich in eine junge Frau und erlebt ihre erste große Liebe. Kechiche rückt seinen Protagonistinnen in endlosen (Sex-)szenen auf den Leib, ohne jedoch die angestrebte Intensität zu erreichen. Immerhin bot er damit eine der wenigen Gelegenheiten für starke Fauenrollen in Cannes.

- GOLDENE PALME:
"La vie d'Adèle" von Abdellatif Kechiche (Frankreich)

- GROSSER PREIS DER JURY:
"Inside Llewyn Davis" von Ethan Coen & Joel Coen (USA)

- PREIS DER JURY:
"Like Father, Like Son" von Kore-Eda Hirokazu (Japan)

- BESTE SCHAUSPIELERIN:
Bérénice Bejo in "The Past" von Asghar Farhadi (Iran)

- BESTER SCHAUSPIELER:
Bruce Dern in "Nebraska" von Alexander Payne (USA)

- BESTES DREHBUCH:
Jia Zhangke für "A Touch Of Sin"

- BESTE REGIE:
Amat Escalante (Mexiko) für "Heli"

- GOLDENE KAMERA für den besten DEBÜTFILM:
Anthony Chen für "Ilo Ilo".

- GOLDENE PALME für den besten KURZFILM:
"Safe", Südkorea

Eines kann man den Filmen, die heuer innerhalb und außerhalb des Wettbewerbs von Cannes liefen, nicht nachsagen: Prüderie. Im Gegenteil. Auffallend viel nackte Haut leuchtete von der Leinwand – vor allem in den französischen Beiträgen. Geradezu beispielhaft in einem der besten Filme, die überhaupt auf dem Festival zu sehen waren: Alain Guiraudies Schwulendrama „Stranger by the Lake“, das in der Programmschiene „Un Certain Regard“ gezeigt wurde. In seinem schnörkellosen, aber unglaublich effektvoll inszenierten Film beobachtet Guiraudie die Vorgänge an einem idyllischen See, wo sich Männer zu (flüchtigen) erotischen Begegnungen treffen. Dafür erhielt er von der Jury, die unter der Leitung von Regisseur Thomas Vinterberg die Auszeichnungen für diese renommierte Nebensektion vergibt, den Regie-Preis.

Den großen Preis von „Un Certain Regard“ bekam der kambodschanische Dokumentarfilmemacher Rithy Panh mit seiner Doku „The Missing Image“. Darin erinnert sich der Regisseur an die Schrecken seiner Kindheit unter der Terror-Herrschaft der Roten Khmer.

Rithy Panh mischt Archivmaterial mit „Spielfilmszenen“, die er mit Tonfiguren in der Größe von Playmobil-Männchen nachstellt. Seine Erinnerungen an das Pol-Pot-Regime sind quasi handgemacht und daher fühl- und greifbar: Ein poetischer, unsentimentaler Film.

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