"L'Amour toujours": Warum und seit wann singen Rechte Gigi D'Agostino?
Gigi d’Agostino hat bis vor kurzem gar nichts gewusst. Erst eine Anfrage des Spiegel hat den Star-DJ darauf aufmerksam gemacht, dass sein Song „L'Amour toujours“ gerade ein fragwürdiges Comeback feiert.
Da war er dann schnell, die Bedeutung seines 23 Jahre alten Songs klarzustellen: „Mein Lied handelt von der Liebe", teilte er mit. "In meinem Lied geht es um ein wunderbares, großes und intensives Gefühl, das die Menschen verbindet. Es ist die Liebe", so D'Agostino weiter.
Die Liebe, die er für seine Frau, seine Familie, für die Musik und das Tanzen empfinde. "Das ist die einzige Bedeutung, die mein Lied hat", so der 56-Jährige.
Sylt-Video ging viral
Allein, das stimmt nun leider nicht mehr so ganz. Denn vergangene Woche hat sich eine weitere Bedeutungsebene über d’Agostinos Tanzflächenkracher gelegt. Da ging ein Video viral, in dem betuchte junge Partygäste auf Sylt zum bekannten Rhythmus einen neuen Text grölten: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“. Allerdings: So ganz neu ist das Phänomen gar nicht mehr.
Strategie auf TikTok
Bereits im Oktober des Vorjahres wurden bei einem Erntefest in Mecklenburg-Vorpommern ähnliche Szenen aufgenommen. Der Startschuss für eine Strategie der Neuen Rechten: Entsprechende Accounts teilten auf TikTok, einem bei AfD- und auch FPÖ-Politikern beliebten, weil sehr erfolgreichem Medium der Wahl, immer wieder solche Szenen von verschiedenen Dorffesten. Aber auch Videos mit anderem Inhalt werden mit dem Song als subtilem Soundtrack unterlegt. Etwa von Martin Sellner, dem österreichischen Chefideologen der sogenannten „Remigration“.
Wer davon noch nie gehört hat, muss freilich nicht einmal noch nie auf TikTok geschaut haben. Es liegt in der Natur dieser Plattform, dass einem von dem, was einem gefällt, immer Neues angezeigt wird. Was einem nicht gefällt, bleibt außerhalb des Wahrnehmungsspektrums, es entstehen sozusagen Social-Media-Parallelwelten nebeneinander, erklärt Lisa-Marie Gotsche, Regisseurin der neuen Doku „#ReclaimTiktok“ auf „hashtag_jetzt“. Wie sehr „L'Amour toujours“ sich in kürzester Zeit zu einer Art Hymne entwickelt hat, stellten die Oberösterreichischen Nachrichten schon im vergangenen November fest. Österreich hatte Deutschland im Fußball 2:0 besiegt, der Triumph wurde mit Gigi d’Agostinos Hit über die Stadionlautsprecher gefeiert. Auf TikTok wurden Clips davon kommentiert mit: „Spielen die tatsächlich unsere Dorffest-Hymne?“
Die Harmlosigkeit von "L'Amour toujours"
Ein Kommentar lautete: „Ihr wisst ja nicht, wie schwer es ist, nicht mitzusingen“. Das ist natürlich einer der Gründe, warum sich ausgerechnet so ein Gigi D’Agostino-Hadern besonders für solche Zwecke eignet. Ein Lied, das meist in Clubs und Discos zu einem Zeitpunkt aufgelegt wird, in dem die meisten schon die einende Kraft des Alkohols verspüren. Ob es auch eine Rolle spielt, dass eine beliebte „Tanzfigur“ zu „Amour toujours“ ist, mit ausgestrecktem Arm auf- und niederzuwacheln? Ganz ausgeschlossen ist es nicht, zumindest wenn man der Theorie des Stern folgt, der von einer anfänglichen scherzhaften Verwendung ausgeht. Das harmlose Partylied mit menschenverachtenden Parolen zu verbinden, ist eine wirksame Provokation, die vor allem ein junges Publikum anspricht. Dieses hält die Umtextung großteils wohl für einen Spaß, und ist sich nicht bewusst, dass das Volksverhetzung und Hate Speech ist.
Text vergessen
Allerdings muss mittlerweile der Text gar nicht mehr gesungen werden, damit das Lied als rechtsextreme Chiffre erkannt wird. Bei einer Politischen-Aschermittwoch-Veranstaltung in Offenbach wurde die Melodie eingespielt. Der AfD-Abgeordnete Matthias Helferich kommentierte das auf der Bühne so: "Ich bin froh, dass ihr alle den Liedtext vergessen habt."
TikTok gab auf eine Anfrage der "Hessenschau" an, dass Inhalte, die mit dem Song "L'Amour Toujours" in Verbindung stehen, proaktiv geprüft werden. Für Gigi D’Agostino ist die Situation besonders perfid. Anders als Neil Young und andere Künstler, die Donald Trump die Verwendung ihrer Werke verboten haben, hat der DJ bei dieser Form der Umdeutung keine Handhabe. Er kann eigentlich nichts dagegen machen, dass „L’Amour toujours“ praktisch zerstört wurde.
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