Gerhard Richter: Der große Schleierhafte

Gerhard Richter, der Star der zeitgenössischen Malerei, wird mit einer Schau bei Basel geehrt.

Dass er der teuerste lebende Künstler ist, ist Gerhard Richter immer ein bisschen unangenehm. Künstlerische Größe in Geldbeträgen zu messen, gehört einerseits zur Routine des Kunstbetriebs, hat aber immer etwas Banausenhaftes: Wo man sonst keine Maßstäbe für künstlerische Größe finden kann, muss eben ein Preisschild her.

Nun wird Richter aber gerade mit einer umfangreichen Ausstellung in der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel/CH (bis 7. 9.) gewürdigt. Und in einer solchen Zusammenschau lässt sich sehr direkt erfahren, warum der 82-jährige Deutsche zu den größten Künstlern seiner Zeit zählt: Richter denkt groß, er hat ein enorm tiefes Verständnis für das Wesen von Bildern und für alle Fragen, die sich nach all den Debatten um ihre Abbildfunktion, ihre Abstraktion und ihren Objektcharakter noch stellen.

Bilder: Gerhard Richter - Meister aller Klassen

Gerhard Richter: Der große Schleierhafte

Gerhard Richter: Der große Schleierhafte

Gerhard Richter: Der große Schleierhafte

Gerhard Richter: Der große Schleierhafte

Gerhard Richter: Der große Schleierhafte

Gerhard Richter: Der große Schleierhafte

Gerhard Richter: Der große Schleierhafte

Gerhard Richter: Der große Schleierhafte

Gerhard Richter: Der große Schleierhafte

Gerhard Richter: Der große Schleierhafte

Gerhard Richter: Der große Schleierhafte

Das Stil-Chamäleon

Gerhard Richter: Der große Schleierhafte
Gerhard Richter Betty, 1988 Öl auf Leinwand, 102 cm x 72 cm Saint Louis Art Museum, Funds given by Mr. and Mrs. R. Crosby Kemper Jr. through the Crosby Kemper Foundations, The Arthur and Helen Baer Charitable Foundation, Mr. and Mrs. Van-Lear Black III, Anabeth Calkins and John Weil, Mr. and Mrs. Gary Wolff, the Honorable and Mrs. Thomas F. Eagleton; Museum Purchase, Dr. and Mrs. Harold J. Joseph, and Mrs. Edward Mallinckrodt, by exchange © 2014 Gerhard Richter Druckbare Bildgrösse ca.: 43 x 30 cm
Richter schafft es auch, theoretische Fragen mit einer Vielzahl an Stilen ästhetisch packend zu verhandeln. Geschätzte drei Viertel aller Kunstströmungen seit den 1960er-Jahren hat sich der Maler scheinbar spielend angeeignet.

Die Ausstellung in Riehen breitet diesen Stilpluralismus aus – und fokussiert doch nur auf einen Teilaspekt von Richters Werk. "Bilder/Serien" lautet der Titel der Schau, die verdeutlichen möchte, wie sich der Maler immer wieder an einzelnen Bildthemen, noch mehr aber an bestimmten Vorgehensweisen abarbeitete.

Richter übermalte Fotoserien und schuf seine berühmten abstrakten Bilder aus schichtweise aufgetragenen Farben, die er in noch nassem Zustand mit einem Stahlband abzog; einige Bilder ließ er am Computer systematisch zerteilen, um sie zu flirrenden "Streifenbildern" umzuformen.

Die Schau holt die Betrachter nah an diese Prozesse heran: Die Serie "Cage" (2006) etwa, eine Reihe von sechs monumentalen abstrakten Bildern, überwältigt mit der Spannung, die sich aus bewusst gesetzten Farbakzenten und der zufälligen Verfremdung durch das Abziehen der Farbe ergibt. Jedes Bild ist eine Einladung zu differenzieren, Details und Feinheiten auszumachen.

Irritierende Formate

Die sechsteilige Serie "Abstraktes Bild, Rhombus" (1998) – für eine Kirche entstanden – fordert den Blick dazu noch mit ihren Formaten heraus: Auf unterschiedlich lang gezogene Rauten gemalt, verändern die Bilder ihre Form, je nachdem, von wo aus man sie betrachtet.

Die Verunsicherung darüber, was ein Bild ist und was es zeigt, zieht sich generell durch Richters Werk.

Altmeisterlich abstrakt

Gerhard Richter: Der große Schleierhafte
epa04208971 A visitor looks at the work '4900 Colors (2007)' by German artist Gerhard Richter at the Fondation Beyeler in Riehen near Basel, Switzerland, 16 May 2014. The exhibition 'Gerhard Richter: Pictures / Series' opens to the public from 18 May to 07 September. EPA/GEORGIOS KEFALAS
Das Zusammenspiel gegenständlicher und abstrakter Bilder ist in der Schau allerdings problematisch: Durch Serien, die Motive in verschiedenen Stadien der Übermalung zeigen ("S. mit Kind", "Verkündigung nach Tizian") liegt oft der Schluss nahe, dass Richter sich relativ geradlinig vom Gegenstand zur Abstraktion bewegte. Was so nicht stimmt.

Richter untergräbt Bilder vielmehr von mehreren Seiten. Die gegenständlichen Werke sind am Ende nicht "klarer" als die abstrakten – der vom Selbstmord der RAF-Terroristen angeregte "Baader-Meinhof-Zyklus" (1988) in der Schau ist ein Beweis dafür. Richters ganzes Werk weckt Skepsis, aber auch Vertrauen gegenüber der Malerei. Und es lässt klarer sehen, wie wir sehen.

Der Künstler
Gerhard Richter, 1932 in Dresden geboren, floh 1961 aus der DDR. Er gilt als teuerster lebender Künstler, sein Bild „Domplatz, Mailand“ (1968) brachte 2013 28,57Mio. € ein.

Die Ausstellung
Gerhard Richter – Bilder/Serien“ ist bis 7.9. in der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel/CH, zu sehen; der Katalog (Hatje Cantz Verlag) kostet 49,80 €.
www.fondationbeyeler.ch

Kommentare