Geächtet und geachtet: Meisterregisseur Roman Polanski wird 90
Er ist dem Holocaust entkommen, hat seine Frau durch einen bestialischen Mord verloren und wird seit über 40 Jahren von der US-Justiz wegen Missbrauchs einer Minderjährigen verfolgt. Vorwürfe sexueller Übergriffe haben Roman Polanski für viele zu einer Persona non grata gemacht. Private Schicksalsschläge und Skandale prägen das Leben des französisch-polnischen Regisseurs. Sie haben sein Werk beeinflusst, nicht seinen Erfolg. Am Freitag (18. August) wird er 90 Jahre alt.
Polanski gehört zu den umstrittensten Regisseuren seiner Zeit. Seit dem Aufkommen der #MeToo-Bewegung im Jahr 2017 haben mehrere Frauen den Filmemacher des sexuellen Missbrauchs vor allem in den 70er-Jahren beschuldigt. Vorwürfe, die er bestreitet. Im Zuge von #MeToo wurde Polanski 2018 auch aus der Oscar-Akademie geworfen. Man versuche seit Jahren, aus ihm "ein Monster zu machen", wehrte er sich 2019 in einem Interview der Zeitschrift "Paris Match".
Talent
Sein Talent, erfolgreiche Filme zu drehen, spricht ihm jedoch kaum einer ab. So hat das italienische Filmfestival Venedig ihn mit der satirischen Komödie "The Palace" über reiche und extravagante Hotelgäste eingeladen - trotz der anhaltenden Debatten um seine Person. Bereits 2019 holte das Filmfest "Intrige" in die Lagunenstadt. Das Werk gewann den Großen Preis der Jury.
Nur wenige Monate später zeichnete auch die französische César-Akademie "Intrige" aus. Sie verlieh der Geschichte über den jüdischen Offizier Alfred Dreyfus, der 1894 zu Unrecht wegen Landesverrats verurteilt worden war, die Trophäe für die beste Regie. Demonstrativ verließen zahlreiche Filmschaffende die Zeremonie im Februar 2020. Polanski war bei der Verleihung nicht dabei, auch nicht das restliche Filmteam.
In den USA läuft seit über 40 Jahren wegen sexuellen Missbrauchs an der heute 60-jährige Samantha Geimer ein Verfahren. Damals war die Amerikanerin 13 Jahre alt. Polanski hatte damals den unerlaubten Sex mit der Minderjährigen zugegeben. Doch bevor es zum Urteil kam, floh er nach Europa.
Belastung
Seitdem lebt er überwiegend in Frankreich und vermeidet Länder zu besuchen, die mit den USA ein Auslieferungsabkommen haben. Geimer hatte wiederholt die amerikanische Justiz gebeten, die Klage fallen zu lassen mit der Begründung, der Wirbel um den Fall würde ihr Familienleben und ihre Gesundheit belasten.
Geächtet, geachtet - und gefürchtet: "Qui a peur de Roman Polanski" (Wer hat Angst vor Roman Polanski) heißt das von dem französischen Verlag Cherche Midi für Anfang 2024 angekündigte Buch von Sabine Prokhoris. Die Philosophin ist Feministin, steht jedoch der #MeToo-Bewegung kritisch gegenüber. In verschiedenen Interviews erklärte sie, warum: Der anklagende Ansatz reduziere unter anderem den Kampf der Frauen für Gleichberechtigung und Emanzipation auf sexuelle Grenzüberschreitungen.
Aus Angst vor anhaltenden Protesten soll der vor wenigen Wochen in Frankreich unter dem Titel "Promenade à Cracovie" (im Original: "Polạński, Horowitz. Hometown") angelaufene Dokumentarfilm über Polanski nur in wenigen Sälen gezeigt worden sein. Wie eine Verantwortliche des Filmverleihs, Michèle Halberstadt, in französischen Medien erklärte, hätten ihr Kinobetreiber gesagt, dass es im aktuellen Kontext besser sei, den Film nicht ins Programm zu nehmen.
In der Doku von Mateusz Kudla und Anna Kokoszka-Romer aus dem Jahr 2021 begleitet Polanski seinen langjährigen Freund, den jüdischen Fotografen Ryszard Horowitz, durch Krakau, wo sich die beiden während des Zweiten Weltkriegs im jüdischen Ghetto kennengelernt hatten.
Tragödien
"Der Ekel", "Rosemaries Baby", "Chinatown", "Der Mieter", "Der Tod und das Mädchen" und "Ghostwriter": Polanskis Meisterwerke sind oft harter Tobak. Horrorfilme, Psychothriller und blutige Dramen, in denen er seine Vergangenheit und seine Tragödien verarbeitet. Polanski wurde als Sohn eines jüdischen Vaters und einer russischen Mutter 1933 in Paris geboren, bevor seine Eltern nach Polen zogen. In Krakau wurden sie in das jüdische Ghetto gezwungen. Polanskis Mutter wurde in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo sie 1943 ermordet wurde, sein Vater überlebte die Haft im Konzentrationslager Mauthausen. Er selbst entkam dem Holocaust.
Das zweite große Drama ereignete sich 1969. Seine Lebensgefährtin, die Schauspielerin Sharon Tate, die von Polanski schwanger war, wurde in dessen Haus in Los Angeles von Mitgliedern der so genannten Manson-Sekte bestialisch ermordet.
Aufarbeitung
Seine Kindheit verarbeitete Polanski erstmals 2002 in "Der Pianist". Das Drama handelt von dem polnischen Konzertpianisten Wladyslaw Szpilman, der mit Hilfe eines kunstsinnigen Wehrmachtsoffiziers die deutsche Besatzung Warschaus überlebte. Die Verarbeitung seines Kindheitstraumas brachte ihm einen Oscar für die beste Regie ein und in Cannes eine Goldene Palme. In einem seiner seltenen Interviews sagte der nur etwa 1,55 Meter große Filmemacher zu "France Dimanche", er sei vielleicht aus einem härteren Material geschaffen als andere. Er habe in seinem Leben viel Glück gehabt, aber auch viel Pech.
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