"Foto Arsenal"-Chef Hoffmann: Der mit der Linse, die alles bündelt
Am Eröffnungswochenende des Festivals „Foto Wien“ war Felix Hoffmann voll im Einsatz: Er schoss zwischen zwei Bühnen im MuseumsQuartier hin und her, um Diskussionsrunden anzumoderieren, führte durch die zentrale Ausstellung, begrüßte Gäste.
Doch das war erst die Aufwärmrunde: Das „Foto Wien“-Programm hatte der 1972 geborene Kurator, der mit September des Vorjahres zum Leiter des „Foto Arsenal“ bestellt wurde, im Eiltempo aus dem Ärmel geschüttelt. Seine langfristige Aufgabe ist es, der neuen Wiener Foto-Instititution, derzeit eher Projekt als physischer Ort, eine Identität zu geben.
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Unten und Oben
„Wir läuten mit der Foto Wien die Interimsnutzung im MQ ein“, erklärt Hoffmann im KURIER-Gespräch. „Unsere aktuelle Schau hier dauert bis August, dann werden wir weitere Slots haben. Im Sommer 2024 beenden wir diese Nutzung, um im Frühjahr 2025 oben zu eröffnen.“
„Oben“: Gemeint ist ein Garagentrakt im Wiener Arsenal, der derzeit baulich adaptiert wird, um Platz für das Depot des österreichischen Filmmuseums und eben das „Foto Arsenal“ zu schaffen.
Was dieses nicht ist: Ein Fotomuseum. Die Diskussion über die Einrichtung eines solchen hat sich für Hoffmann erledigt. „Wir verstehen uns als Wechselausstellungshaus, das versucht, einen gesellschaftlichen Diskurs zu führen“, erklärt er. „Da geht es nicht so sehr um die Frage ,Wem gehören die Bestände’, sondern eher um die Frage ,wie hält man die Bestände am Leben?’“
Die Debatte, ob es ein zentrales Bundesmuseum für Fotografie geben soll, war unter anderem vom Betreiber des „Westlicht“, Peter Coeln, geführt worden: Dessen eigene Sammlung hätte als Schenkung dafür einen Grundstock bilden sollen. Auch die Albertina, das private Photoinstitut Bonartes und viele andere Einrichtungen sind Stützen des Biotops für historische und zeitgenössische Fotografie in Wien. Dazu kommen bedeutende Bestände in Salzburg, Linz oder Graz. Übersättigt ist das Feld für Hoffmann damit aber bei Weitem noch nicht.
„Die anderen Player haben alle tolle Sammlungen – aber die können die ja gar nicht zeigen!“, sagt er. Museen seien im Übrigen immer „Machtmanifestationen“, gedacht aus der Logik von Herrschern, gewesen. „Im 21. Jahrhundert braucht es da vielleicht etwas anderes. Ich glaube, dass es die Chance von so einem neuen Ort ist, zu sagen: Wir tun etwas zusammen, um ein Nachdenken in der Gesellschaft zu stärken“, sagt Hoffmann.
Alt und Neu
Die Räume im neu eingerichteten „Foto Arsenal“ würden so ausgestattet, dass sowohl sensible historische Fotografien wie auch neueste Bildformate gezeigt werden können, beteuert Hoffmann, der bis zu seinem Wechsel nach Wien an der von ihm mit aufgebauten Institution C/O Berlin tätig war.
Doch ist das Feld der Fotografie – mit einer Spannweite von Journalismus und Wissenschaftsdokumentation über Mode bis hin zu zeitgenössischen Kunstprojekten – notorisch schwer einzugrenzen und zu überblicken.
„Wir verstehen uns als Institut für lens-based media, also für alles, was durch eine Linse rein und raus geht“, versucht Hoffmann zu klarifizieren. „Aber eben auch im Zusammenschluss mit Bewegtbild und digitalen Medien. Ich verstehe Fotografie als einen Schmelztiegel für alle Formen von Bildinhalten, die wir in der Schule nicht lernen. Wir lernen Lesen, Schreiben, Rechnen – aber nicht, mit Bildern umzugehen. Aber Bildkompetenz ist fürs 21. Jahrhundert enorm wichtig. Gerade wenn wir über Künstliche Intelligenz und Bildmanipulation nachdenken, zeigt sich: Ich weiß da als Konsument überhaupt nicht, wie ich mich verhalten soll.“
Drinnen und Draußen
Dass das Projekt einer umfassenden Bild-Erziehung nicht allein durch Ausstellungen zu bewerkstelligen ist, weiß Hoffmann freilich selbst. „Wenn ich mir was träumen darf, würde ich mir langfristig Botschafterstrukturen wünschen, wo wir in die Bezirke gehen und versuchen, mit verschiedenen Einrichtungen zu arbeiten“, sagt er. „Wir sollten gerade Kinder und Jugendliche dazu bringen, nachzudenken, was sie in ihren Smartphones sammeln, wie sie mit der Gesellschaft interagieren und wie sie Nachrichten kriegen.“
In Ansätzen zeigt schon „Foto Wien“ vor, wie es gehen könnte – so bot das Zoom Kindermuseum während der Eröffnungstage einen eigenen Fake-News-Workshop für junges Publikum an.
In Zukunft setzt Hoffmann weiter auf Kooperationen dieser Art – und die Bereitschaft der anderen Institutionen dazu. „Macht und Eitelkeit interessiert mich relativ wenig, das muss ich Ihnen wirklich sagen“, erwidert er, auf die mitunter starken Profilierungsbedürfnisse im Kultursektor angesprochen. „Und jetzt zu sagen: ,Ich bin der Erfinder von Digitalität im Museum’ – das markiert bestimmte Schrebergartenstrukturen, ist aber nicht besonders produktiv.“
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