Nicht umzubringen: Warum Wachsfiguren im Digitalzeitalter faszinieren

Nicht umzubringen: Warum Wachsfiguren im Digitalzeitalter faszinieren
Die Körpermodelle ermöglichen den Blick auf Grenzbereiche von Künstlichem und Realem. In Wien und Mailand werden dafür alte Kabinette aktiviert

Er sollte eine sterbende Medienform dokumentieren. Doch erkannte der Fotograf Herbert List eine ungeheure Faszination, als er 1944 das „Praterpanoptikum“ mit seinen Wachsfiguren aufsuchte. „,Unterhaltend und belehrend’ nannte es sich selber. Was damit gemeint war, wusste jeder“, notierte List. „,Für Jugendliche Verboten!’ stand groß – just über der belehrenden Hälfte der Wachsschau. Weshalb sie natürlich überfüllt war – mit Jugend.“

„Präuschers Panoptikum“, das seit 1888 eine fixe Heimstätte im Prater hatte, fiel 1945 einem Brand zum Opfer. List arbeitete danach noch lange an einem Fotobuch, das aber nie erschien – bis es das Wiener Photoinstitut Bonartes mit Lists Nachlassverwaltern vollendete.

Die Veröffentlichung, begleitet von einer Ausstellung (bis 28. 7.), ist eines von drei Projekten, die derzeit Wachsfiguren in den Fokus nehmen – und sie alles andere als verstaubt aussehen lassen. Denn just in der Auseinandersetzung mit den alten Modellen begegnen auch viele Fragen des Digitalzeitalters.

Wo liegt die Grenze zwischen dem menschlichen Körper und der Sphäre der Medien? Ab wann nehmen wir eine Darstellung als lebendig wahr? Wie nehmen abstrakte Analysen Form an? An manchen Stellen wirken die historischen Kabinette wie Modelle für unsere Zeit, in der das Verhältnis von Realem und Künstlichem gerade grundlegend neu definiert wird.

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