„Neue Kunst, Neues Geld“: Die Headline am Cover des New York Times Magazine vom 2. Februar 1985, auf dem Jean-Michel Basquiat barfuß, aber im Designeranzug vor einem seiner Werke posierte, ist gut gealtert.
Auch heute ist der Künstler, der 1988 im Alter von nur 27 Jahren verstarb, der Liebling von frisch zu Reichtum gekommenen Menschen – Milliardären in Turnschuhen, die mit Hip-Hop sozialisiert wurden wie der japanische Online-Modeshop-Begründer Yusaku Maezawa. Er hatte 2017 den Rekordpreis von 110 Millionen Dollar für ein Basquiat-Bild gezahlt und im heurigen Mai ein weiteres, 2016 um 57 Millionen erstandenes Werk um 85 Millionen Dollar weiterverkauft.
Vor diesem Hintergrund ist es das Verdienst von Museumsausstellungen wie jener der Albertina, dass sie ermöglichen, Bilder als Bilder und nicht als Aktien zu betrachten. Wobei angesichts der vielen in Wien gezeigten Werke, die bislang kaum ausgestellt waren, anzunehmen ist, dass manche Besucher exakt Zweiteres tun werden.
Dass die Kräfte des Marktes schon zu Lebzeiten an Basquiat zerrten und zehrten, merkte nicht zuletzt der Künstler selbst – es hinderte ihn aber nicht, ein tatsächlich geniales Werk zu schaffen. In zahlreichen Bildern nutzte er zum Ausdruck des Zwiespalts den Schriftzug „Ideal“, von dem das Wort „Deal“ (der Handel – womit auch immer) visuell abgegrenzt ist.
Es ist nur eine der unzähligen Mehrdeutigkeiten, auf die die Albertina-Schau – weniger durch überbordende Erklärtexte als durch ein kluges, zu Vergleichen anregendes Arrangement der Bilder – hinweist. „Von Symbolen und Zeichen“ handelt die Präsentation laut Katalogtitel, doch es ist eher eine Querschnittsausstellung als eine, die einem strikten Konzept folgt.
Der Referenzraum, in dem sich der Künstler bewegte, reichte dennoch weit über die Straße hinaus: Hinein in die etablierten amerikanischen Galerien und Museen, in die Box-Arenen und Jazzclubs, aber auch in Gebräuche des afrikanischen Kontinents und der karibischen Diaspora, wo Bilderzeugnissen oft ein Eigenleben und eine rituelle Rolle zugeschrieben wird.
Wie Basquiat all diese Dinge in scheinbar locker hingeworfenen, aber enorm kraftvollen, in sich stimmigen Bild-Text-Konglomeraten zu synthetisieren verstand, ist endlos faszinierend anzusehen. Wie ein Jazzmusiker bei der Improvisation „Licks“ – kurze, im Detail variierte Phrasen – nutzt, hatte auch Basquiat sein Formrepertoire, das aber nie still stand. Um seine Anspielungen zu entschlüsseln, braucht es schon Anleitung und/oder einige Kenntnisse – um so mehr fasziniert die Breite des Wissens, die sich der Künstler in seinem kurzen Leben aneignete.
Gleichsam ist das Ineinander, Übereinander und Nebeneinander in den Bildern von hoher malerischer Raffinesse und sinnlicher Qualität: Wie Basquiat Bildteile übermalte und Formen durch Kratzspuren einflocht, ist nicht weniger komplex als das, was Picasso und Braque mit dem Kubismus gelang. Dass der Künstler – zwischen Beat-Poeten, afroamerikanischen Malern wie Romare Bearden und der Sampling-Kultur des Hip-Hop – eine mit diesen Heroen vergleichbare Schlüsselstellung einnimmt, ist da keine Übertreibung. Auch wenn er den Beinamen „schwarzer Picasso“ hasste.
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