Schiele und Basquiat: Die Stars der postmusealen Epoche
So ziemlich alles in der Fondation Louis Vuitton sagt laut „Reichtum“: Die Lage im Nobelviertel Neuilly, der beim Stararchitekten Frank O. Gehry bestellte, kunstvoll aufgeschichtete Bau, der Name des Luxuslabels als Financier – und natürlich die Kunst, die im Inneren des Gebäudes zur Schau gestellt wird.
Nun ist also Egon Schiele hier gelandet – in der größten Schau, die bisher in Paris gezeigt wurde, wie Kurator Dieter Buchhart betont. Dass dies im 100. Jahr nach Schieles Tod geschieht, sei eher Zufall. Doch da man in Österreich damit befasst ist, die musealen Bestände in diversen Jubiläumsausstellungen an Wände zu hängen, hat die Welt der privaten Schiele-Sammler noch mehr Gelegenheit zu zeigen, wie wenig sie auf Österreich und generell auf öffentliche Museen angewiesen ist.
Die neue Kunstelite
Dass die mit sensationellen Werken ausgestattete Schiele-Schau mit einer großen Retrospektive von Jean-Michel-Basquiat kombiniert wurde, hat da nur vordergründig inhaltliche Gründe: Basquiats Rang verdankt sich maßgeblich dem neuen Kapital am Kunstmarkt, die Museumswelt hat seine Relevanz lange schlicht verschlafen (und kann sich seine Werke nun nicht mehr leisten). Und so lässt sich die Pariser Doppelschau (bis 14. 1. 2019) fast nicht anders deuten denn als Demonstration jener Machtverschiebung, die sich in der Kunstwelt der letzten Jahre vollzogen hat.
Kurator Buchhart – der Wiener verantwortete zuletzt auch die Keith Haring-Schau in der Albertina sowie eine große Basquiat-Retrospektive, die in London und Frankfurt gezeigt wurde – oblag dennoch die Aufgabe, die jung verstorbenen Künstler (Basquiat wurde 27, Schiele 28) inhaltlich zu verknoten. Er argumentiert, dass beide sich durch ihren speziellen Einsatz der Linie auszeichnen – eine These, die man auch mit „jo, eh“ quittieren kann.
Die Hauptrolle spielen ohnehin die einzelnen Werke – und hier kann man nicht umhin, angesichts der versammelten, auch von geübten Schiele-Schauern selten bis nie gesehenen Kostbarkeiten zu staunen. Unglaublich etwa die Darstellung der Schwester Gerti von 1910, bei der Brüste und Beine in exaltierten Farben wiedergegeben sind und der Rest des Körpers fast verschwindet. Ungewöhnlich das stille Gemälde einer verlassenen Brücke von 1913. Faszinierend das Doppelselbstporträt mit der Muse Wally aus dem selben Jahr, in dem Künstler und Modell dem Betrachter einen Wald expressiver Finger entgegenstrecken.
Viele Glanzstücke kommen aus den USA, was wohl der New Yorker Expertin Jane Kallir geschuldet ist, die mit Buchhart kooperierte. Aus Wien lieferte das Leopold Museum wichtige Werke, der Anwalt Ernst Ploil und die Händler Wienerroither & Kohlbacher sind prominente Leihgeber bzw. Vermittler. Doch dass die Schiele-Welt viel größer ist, ist unübersehbar – etwa beim famosen Selbstporträt oder dem ungewöhnlich langen Bild mit Schiele als Hl. Franziskus, die beide der türkische Sammler Ömer Koç lieferte.
Der Sammlerliebling
Es ist mitunter schwierig, angesichts dieser Fülle privater Sammlermacht die Kunst und nicht das Geld zu sehen. Das gilt erst recht für die Basquiat-Schau, die just mit jenem Bild eröffnet, für das der Japaner Yusaku Maezawa im Vorjahr 110 Millionen US-Dollar bezahlte.Die rund 120 Werke umfassende, chronologisch gegliederte Überblicksschau lässt dennoch keinen Zweifel, dass der Amerikaner mit karibischen Wurzeln zu den Großen der jüngeren Kunstgeschichte zu zählen ist. Wie Buchhart sagt, nahm Basquiat die „Copy-Paste-Gesellschaft“ von heute vorweg.
Die Elemente aus der Popkultur, der afrikanischen Mythologie, des Jazz und der afroamerikanischen Literatur, die Basquiat in seinem kreativen Furor zu großartigen Bildern verband, kamen im westlichen Bildungskanon lange nicht vor. Wie der Schweizer Galerist Bruno Bischofberger im Gespräch mit dem KURIER erzählt, sei Basquiat in den 80er Jahren eine exotische Figur gewesen, die Nachfrage nach seinen Werken überschaubar.
Eine neue Generation von Sammlern aber hat sich den Künstler längst einverleibt. Manche – wie der US-Verleger Peter Brant, Immo-Magnat Eli Broad, die Kunsthändlerfamilien Nahmad und Mugrabi oder der Schweizer Unternehmer Carl Hirschmann – sind als Leihgeber genannt, viele bleiben anonym. Dass die Pariser Basquiat-Schau sich laut Buchhart nur minimal mit jenen in London und Frankfurt überschneidet, ist ein Zeichen dafür, dass diese Menschen noch viel mehr Bilder im Depot lagern haben. Und, ja – einige sammeln auch Werke von Egon Schiele.
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