Von angestauten Aggressionen, die sich auf den Straßen entladen.
Im Mittelpunkt steht die junge Rachel. Sie ist wieder einmal spät dran. Mit ihrem Sohn Kyle auf der Rückbank steckt sie im täglichen Verkehrschaos auf dem Weg zur Schule, als ihr auch noch ihre wichtigste Klientin kündigt.
Und dann das: Als der Autofahrer vor ihr hartnäckig die grüne Ampel ignoriert, zieht Rachel nach lautem Hupen an ihm vorbei. So wird sie zur Zielscheibe der geballten Wut eines Mannes, der nichts mehr zu verlieren hat.
Russel Crowe spielt diesen Mann: Existenz weg. Haus weg. Abgefackelt mitsamt dem Liebhaber der Ex-Frau. Die danach immer noch überquellenden Wutreserven entladen sich über Rachel – jener Frau, die ihn überholt hat – noch dazu rechts.
Ursprünglich wollte Russell Crowe diesen mordlüsternen Unsympathler auf keinen Fall spielen. Er tat es schließlich doch – wegen der brennenden Aktualität, wie er in einem Interview meinte. Crowe, der in der Vergangenheit selbst ein paar Wutausbrüche in der Öffentlichkeit hatte und einmal sogar in Handschellen abgeführt wurde, fühlt sich inzwischen geläutert. Und dementsprechend schwergewichtig (im buchstäblichen Sinne) spielt er den Berserker. Ein Blick in sein bärtiges, leicht verquollenes Gesicht spricht Bände: Das kann nicht gut gehen.
Vor allem würde ohne ihn der ganze Film nicht gut gehen. Denn allzu blass sind all die Figuren gezeichnet, die sich ihm in den Weg stellen wollen. Crowe schafft es mit seiner Performance sogar, dass man als Zuschauer zuweilen über die offensichtlichen Schwächen des Drehbuchs hinwegsieht. Darauf setzt auch der Film – und auf Schockeffekte, Verfolgungsjagden und die darauffolgenden Schrottberge.
„Wie wär’s mit einer Entschuldigung?“, fragt der von Crowe verkörperte Wutbürger durchs offene Autofenster. Eine höfliche Floskel hätte vielleicht viel Kunstblut und Dutzende Autowracks erspart. Eine Lektion lernt man dabei bestimmt: Am besten drückt man gar nicht – oder zumindest nicht zu lange auf die Hupe.
INFO: USA 2020. 93 Min. Von Derrick Borte. Mit Russell Crowe, Caren Pistorius, Gabriel Batemam.
"Guest of Honour": Ungewöhnliche und berührende Vater-Tochter-Beziehung
Der britische Schauspieler David Thewlis spielt einen Restaurant-Inspektor, der seine Arbeit sehr ernst nimmt. Er findet jedes Haar in jeder Suppe. Er hat Dienst, auch wenn er nicht im Dienst ist. Er ist streng – aber nicht ohne Mitgefühl. Seine Schwäche heißt Veronica – und sie ist seine Tochter.
Einst war sie Musiklehrerin an einer Highschool. Bis sie wegen sexuellen Missbrauchs im Gefängnis landete. Zwar ist beinahe jedem klar, dass sie das Verbrechen nicht begangen hat, aber nach kanadischem Recht kann man sich schuldig bekennen und die Höchststrafe fordern, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden.
Veronica wollte damit eine „Sünde“ sühnen, die auf einem Missverständnis beruhte. Einem, an dem ihr Vater beteiligt war. Egoyan jongliert die zeitlichen Bälle der Handlung deutlich sichtbar. Die fließenden Grenzen zwischen Veronikas Wahrnehmung und einer Realität, die davon in einem winzigen, aber entscheidenden Ausmaß abweicht, bleibt dem Zuschauer stets schmerzlich bewusst.
Veronica erweist sich als weiblicher Don Quijote im Kampf gegen die (Wind-) Mühlen von Justiz und Gesellschaft. Thewlis’ Darstellung des Vaters, dessen Hingabe an seine Tochter ihn zwingt, seine eigene Ethik zu verwerfen, ist spektakulär. Er entwirft einen Charakter, der leicht zu karikieren wäre, aber Thewlis geht nie zu weit. Obwohl zuweilen allzu verspielt in seiner gewollten Künstlichkeit, gehört „Guest of Honour“ zu den stärkeren Egoyan-Filmen.
INFO: CAN 2019. 15 Min. Von Atom Egoyan. Mit David Thewlis, Lysla De Oliveira.
"Das Beste kommt noch": Liebeserklärung an lebenslange Freundschaft
Die Geschichte beginnt so, wie viele Komödien gern beginnen: Arthur leiht seinem Freund César seine Krankenversicherungskarte für eine Durchuntersuchung.
Festgestellt wird Lungenkrebs im Endstadium. Jeder glaubt nun vom jeweils anderen, dass er sterben muss. Eine tragikomische Liebeserklärung an eine Männerfreundschaft.
INFO: 105 Min. Von Matthieu Delaporte, A. De La Patellière. Mit F. Luchini.
"Marie Curie": Ein Leben für Wissenschaft und Forschung
Die iranisch-französische Comic-Zeichnerin Marjane Satrapi, die mit ihrem Iran-kritischen Film „Persepolis“ Aufsehen erregte, setzt nun der zweifachen Nobelpreisträgerin, die dem Chauvinismus die Stirn bot, ein filmisches Denkmal. Der engagierte und gut gespielte Film segelt etwas zu vordergründig unter feministischer Flagge.
INFO: GB 2019. 110 Min. Von Marjane Satrapi. Mit Rosamund Pike.
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