Filmkritik zu "The Hole In The Ground": Engel oder Monster

Horror im Wald: Eine tolle Seána Kerslake als Mutter, die sich Sorgen um ihren Sohn macht
Effektvoller Horror um eine alleinerziehende Mutter und ihren Sohn, die am Waldrand leben.

Familie ist der Horror. Das wissen wir spätestens, seit Jack Nicholson in „The Shining“ den eigenen Sohn mit der Spitzhacke erledigen wollte. Auch Mütter können ganz schön unheimlich werden; davon haben uns Veronika Franz und Severin Fiala in „Ich seh Ich seh“ erzählt; oder Jennifer Kent in „Der Babadook“, wo eine überforderte Mutter an die Grenze ihrer Mutterliebe stößt. Ganz zu schweigen von Kindern, die sich als wahrer Satansbraten entpuppen: Man denke nur an den sinistren Knaben in „Das Omen“.

Lee Cronin, irischer Drehbuchautor und Regisseur, ist bei der Geschichte des Familienhorrorfilms in die Schule gegangen und hat sich dort reichlich inspirieren lassen.

The Hole In The Ground

Gleich zu Beginn seines Langfilmdebüts fährt ein einsames Auto durch eine waldige Landschaft, während die Kamera aus der Vogelperspektive zusieht. Ein Verweis auf „The Shining“ liegt nahe, weitere werden folgen.

Tatsächlich könnte, wie in „The Shining“, auch hier der Vater ein Problem sein. Allerdings ist er abwesend. Einzig eine Narbe auf der Stirn seiner Ex-Frau wäre ein Hinweis dafür, dass die Ehe nicht im Frieden geschieden wurde. Doch all das bleiben Vermutungen. Fix ist, dass die Alleinerzieherin Sarah mit ihrem jungen Sohn Chris ein einsames Haus in der irischen Pampa bezieht. Die Bude sieht ziemlich herunter gerockt aus: Klassischer Fall für altmodischen „Haunted House“-Grusel. Quietschende Türen, knarrende Fußböden und flackernde Glühbirnen sind im Mietvertrag inbegriffen. Auch die bewaldete Umgebung wirkt wenig einladend. Eine irre Alte im weißen Nachthemd (Kati Outinen, eine Veteranin aus dem Kino des Aki Kaurismäki!) spukt durch die Umgebung, knallt ihren Kopf gegen das Autofenster und stößt wirre Worte aus. Außerdem befindet sich mitten im Wald ein riesiges... Loch.

Sarah hat berechtigte Sorge, ihr Sohn könnte in das Loch fallen. Und als er eines Abends tatsächlich kurz verschwindet, kommt er ihr danach verändert vor, irgendwie kälter und herzloser.

Milchschaum

Kinder sind abwechselnd Engel und Monster, sagt eine weise Mutter zu der besorgen Sarah, doch der bietet diese Einsicht nur wenig Trost. Ihr Sohn erscheint ihr unheimlich, ja monströs.

Oder bildet sie sich etwas ein? Lösen die neuen Medikamente gegen Schlaflosigkeit Wahnvorstellungen aus?

Den sensiblen Eltern-Kind-Bereich zwischen Mutterliebe und Mutterwahn, rebellierenden Kindern und echten Dämonen, lotet Lee Cronin effektvoll im Schattenbereich zwischen Heim und unheimlich aus. Die freundlich leuchtende Stehlampe wirkt plötzlich geisterhaft, der Milchschaum im Kaffee bedrohlich. Dämmerung kämpft mit Dunkelheit, Finsternis siegt.

Solange sich Cronin in diesen Zwischenräumen der Vermutungen, Albträume und (Eltern-)Ängste bewegt, bleibt sein schlankes Mutter-Sohn-Drama – vor allem auch wegen seiner tollen Hauptdarstellerin Seána Kerslake – eindringlich und düster. Doch seine abrupte Auflösung fühlt sich an, als würde plötzlich jemand das Licht aufdrehen. Blinzelnd – und ein wenig enttäuscht – bleibt man zurück.

INFO: IRL 2019. 90 Min. Von Lee Cronin. Mit Seána Kerslake, James Quinn Markey.

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