Eine hysterische Dauerparty

The Great Gatsby
Die Filmfestspiele in Cannes eröffnen am Mittwoch mit Baz Luhrmanns "Der große Gatsby" - und einer "geballten Ladung greller Effekthascherei".

Warum die 66. Filmfestspiele von Cannes, die Mittwochabend beginnen, mit „Der große Gatsby“ eröffnen, ist leicht erklärt: Der Film garantiert gleich zum Auftakt Staraufgebot an der Croisette.
Mit Leonardo DiCaprio, zum Beispiel, der als Titelheld Gatsby wohl persönlich an der Côte d’Azur vorbeischauen wird.

DiCaprio mit Schmalzlocke

Ansonsten lassen sich nur wenige Gründe nennen, warum Baz Luhrmanns synthetischer Ton- und Bilderrausch unbedingt in Cannes laufen muss – wenn auch außer Konkurrenz. Bereits 2001 eröffnete der australische Regisseur mit seinem übersteuerten Pop-Musical „Moulin Rouge!“ die Festspiele und wurde damals umjubelt. Ob ihm das mit „Der große Gatsby“ (Kinostart: Donnerstag) erneut gelingen wird, ist fraglich.

Eine hysterische Dauerparty
The Great Gatsby
Zwar ist Leonardo DiCaprio ein formidabler Gatsby und braucht sich aussehensmäßig hinter seinen Film-Vorgängern, etwa Robert Redford, keineswegs zu verstecken. Aber Luhrmann wäre nicht Luhrmann, müsste er nicht sein ästhetisches Heil im Dauerexzess suchen. Allein Gatsbys Landsitz sieht aus wie ein Märchenschloss von Disney. Dort werden hysterische Partys veranstaltet, die zwar in den 20er-Jahren spielen, aber an Schaumpartys in Ibiza erinnern. Wogende Menschenmassen, aufgetakelt mit Glitzerkostümen (von Prada!) verrenken sich zu Rap-Musik von Jay-Z. Der Champagner fließt in Strömen. Hinter allem steht mit Schmalzlocke der geheimnisvolle, neureiche Jay Gatsby, der seine mittlerweile verheiratete Jugendliebe Daisy Buchanan (Carey Mulligan) zurückgewinnen will.

Leblos

Eine hysterische Dauerparty
The Great Gatsby
Warum Luhrmann den großen amerikanischen Gesellschaftsroman von F. Scott Fitzgerald unbedingt in 3-D verfilmen musste, erscheint ebenfalls rätselhaft. Denn während sonst seine Filme meist fiebrige Hektik verströmen, bleibt „Gatsby“ trotz viel Kamera-Gefuchtel merkwürdig statisch. Immer wieder fliegt dem Zuschauer etwas entgegen – Champagnerkorken oder Buchstaben aus dem „Gatsby“-Roman, zum Beispiel. Trotzdem wirken die Bilder wenig dynamisch, sondern vollgeräumt – mit Konfetti, Menschen oder Buchstaben. Leonardo DiCaprio selbst ist immer ein Hingucker – egal, ob er seine Geliebte im Liebesrausch mit Hemden bewirft oder im Regen steht. Aber auch er bleibt leblos inmitten der offensichtlich vom Computer generierten Kulissen.

„Der große Gatsby“ – bei Fitzgerald ein großartiger Roman über die Pervertierung des amerikanischen Traums. Bei Baz Luhrmann eine geballte Ladung greller Effekthascherei.

Es könnte das Jahr des Leonardo DiCaprio werden – wieder einmal. Die Rolle in „The Great Gatsby“, der am Mittwoch das Filmfestival in Cannes eröffnete, scheint dem Kalifornier auf den Leib geschnitten zu sein. Wie der braungebrannte Jay Gatsby zeigt sich auch DiCaprio immer im feinen Zwirn, inklusive Seitenscheitel und Modelfreundin. Nur die abgründige Seite scheint dem Saubermann zu fehlen. Während Gatsby in der glitzernden Partywelt der hochstilisierten 20er-Jahre sein Vermögen für Parties ausgibt, spendet DiCaprio sein Geld lieber für wohltätige Zwecke. Erst kürzlich erzielte eine von ihm initiierte Kunstauktion für Artenschutz mehr als 38 Millionen Dollar.

Saubermann

Dem Hype aus Titanic-Zeiten ist längst einer skandalfreien Karriere gewichen. Für Aufreger sorgt Leonardo DiCaprio höchstens mit seinen Rollen. Zuletzt als grundböser Sklaventreiber in Quentin Tarantino’s „Django Unchained“. Eine viel-gelobte Performance, mit der er seinen Ruf als wandelbarer Charakterdarsteller festigen konnte. Trotzdem musste er bei den Oscars seinem Filmkollegen Christoph Waltz den Vortritt lassen.

Und das nicht zum ersten Mal. Bereits vier Mal war der 38-Jährige für einen Oscar nominiert. Und immer ging er ohne die begehrte Statue nach Hause. Magere Ausbeute bisher: Ein Golden Globe für „Aviator“.

DiCaprios Karriere im Rückblick

Im letzten Jahr gingen im Wettbewerb von Cannes gleich zwei Österreicher im Hauptwettbewerb an den Start. Einer davon, Michael Haneke, errang sogar die Goldene Palme. Heuer gibt es keinen österreichischen Film im Bewerb jenes Festivals, das weltweit als das bedeutendste gilt. Dafür sitzt der aus Wien gebürtige Schauspieler und zweifache Oscar-Preisträger Christoph Waltz in der Preis-Jury – neben Kollegen wie Nicole Kidman, Regisseur Ang Lee oder Frankreichs Schauspiel-Star Daniel Auteuil. Präsident der Jury ist der dreifache Oscar-Preisträger und Hollywood-Grande Steven Spielberg.

Who's who

Insgesamt zwanzig Produktionen konkurrieren um die Goldene Palme – und trotz heftiger Kritik im Vorjahr hat es auch heuer nur eine Frau in den Bewerb geschafft: Valeria Bruni Tedesci, ältere Schwester von Carla Bruni-Sarkozy, tritt mit ihrer Arbeit „Un château en Italie“ für Frankreich an. Claire Denis, eine der spannendsten Regisseurinnen der Gegenwart, hat es nur in die Nebenschiene „Un Certain Regard“ geschafft.
Ansonsten liest sich das Wettbewerbsprogramm wie ein Who’s who der letzten Jahre. Stark vertreten sind die Amerikaner und Franzosen, viele davon Festival-Veteranen. Dazu zählen beispielsweise die Coen-Brüder, die in „Inside Llewyn DavisJustin Timberlake durch die Folkmusikszene der 1960er-Jahre schicken. François Ozon und Roman Polanski sind ebenso vertreten wie der amerikanische Oscar-Preisträger Alexander Payne, Jim Jarmusch und Steven Soderbergh.

Österreichische Beteiligung

Zwei Filme mit österreichischer Produktionsbeteiligung gibt es aber doch im Programm: Claude Lanzmanns Doku „Der Letzte der Ungerechten“ läuft im Wettbewerb außer Konkurrenz; und Rebecca Zlotovskis Film „Grand Central“ ist in einer Nebenschiene zu sehen. Dafür, dass der rote Teppich nicht leer bleibt, sorgen angekündigte Stars wie Ryan Gosling, Matt Damon, Michael Douglas, Marion Cottilard und Joaquin Phoenix.

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