Filmdrehs in der Pandemie: "Das Risiko hätte niemand tragen können"
Es war höchste Zeit. Der sogenannte „Comeback-Zuschuss“, um Ausfallskosten für Covid-19-bedingte Drehunterbrechungen aufzufangen, wäre nur noch bis Ende Juni gelaufen. Kürzlich wurde die Möglichkeit, die Übernahme von Ausfallhaftungen zu beantragen, bis Ende des Jahres verlängert. Ausgezahlt wird laut Kulturministerium bis Ende Juni 2022.
Die österreichischen Produzentenverbände jubeln und fertigten sogar ein Video an, um ihren Dank für die Verlängerung auszudrücken. „Das international viel beachtete Modell stützt die Filmwirtschaft im Kampf gegen die Pandemie“, heißt es darin. Es sei ein Produktionsvolumen von weit über 100 Millionen Euro gesichert worden. Rund sechzig Film- und Serienproduktionen haben so in Österreich seit dem Beginn der Pandemie produziert werden können.
In der traditionell kritischen Filmbranche ist solcher Beifall für die Politik selten. „Geraunzt wird tatsächlich genug, und es gibt auch nach wie vor viele politisch ungelöste Themen für unsere Branche. Aber in diesem Fall muss man auch einfach mal sagen: Ehre, wem Ehre gebührt“, sagt Filmproduzent John Lueftner. Er ist Präsident des Produzentenverbandes AAFP, der gemeinsam mit anderen Verbänden, dem Kultur-, Wirtschafts- und Finanzministerium im Mai 2020 den Ausfallfonds aushandelte.
Keine Versicherung
Gemeinhin sind Film- und Serien-Produktionen gegen gesundheitliche oder wetterbedingte Risiken versichert – für pandemiebedingte Schadensfälle kommt aber derzeit keine Versicherung auf. Daher springt die Republik – zu maximal 75 Prozent – ein.
„Das war eine Erfolgsgeschichte“, sagt Lueftner. „Es hat uns das Arbeiten ermöglicht. Hätte es das nicht gegeben, wäre es zu einem Kahlschlag, zu einer Katastrophe gekommen. Im Falle einer Infektion mit 14 Tage Quarantäne für systemrelevante Schauspielerinnen, Schauspieler oder Kreative, steht alles und das verursacht schnell einen großen Schaden.“
Das kann Produktionsfirmen in die Pleite führen, weil in der Filmbranche in kurzer Zeit viel Geld aufgewendet wird. Lueftner: „Privatwirtschaftlich hätte dieses Risiko niemand tragen können, keine Chance.“
Bereits Anfang Juni 2020, also kurz nach der Einigung, konnten die Dreharbeiten wieder aufgenommen werden. Damit lag man vor den meisten anderen Staaten. Gestützt wurde das durch ein 3-Zonen-Sicherheitskonzept, das vom Mediziner Hans-Peter Hutter ausgearbeitet wurde. In Zone 1 befinden sich die Schauspieler, die freilich Körperkontaktszenen drehen müssen. „Es ist nicht viel passiert“, sagt Lueftner, „der festgesetzte Rahmen und das, was davon ausgeschöpft wurde, hat letztlich perfekt gepasst. Die Kosten hielten sich in Grenzen, dafür wurde ein Vielfaches an Wertschöpfung erzielt.“
Fünftel ausgeschöpft
Die bisherigen Förderkosten beliefen sich auf rund 4,4 Millionen Euro, wie die AWS, die den Comeback-Zuschuss im Wirtschaftsministerium abwickelt, dem KURIER bestätigt. 20,6 der insgesamt bereitgestellten 25 Millionen sind also noch im Topf – bei günstiger Pandemielage.
29 Anträge seien bisher genehmigt worden. Der bisher prominenteste Fall war der coronabedingte Ausfall von Robert Dornhelm als Regisseur der ORF/ZDF-Serie „Vienna Blood“ (MR Film).
"Das wäre der Todesstoß für alles"
„Wäre die Regelung mit 30. Juni ausgelaufen, hätten wir wieder das gleiche Problem, egal ob alle geimpft sind oder nicht, egal, welche super Konzepte wir haben. Das wäre der Todesstoß gewesen für alles, was bis zum Jahresende in Planung ist.“
Denn an der Situation habe sich vorerst nichts geändert, erklärt Lueftner, „weil es nach wie vor keinen Versicherungsschutz für Personenausfälle in Zeiten der Pandemie gibt.“ Das Problem ist erst nachhaltig gelöst, wenn die WHO die Pandemie für beendet erklärt.
Einstweilen ist das aber nicht der Fall und Mutationen wie die Delta-Variante stellen weiterhin einen Risikofaktor dar. Dementsprechend werden die Testkonzepte, deren Einhaltung auch Bedingung für die Berechtigung zum „Comeback-Zuschuss“ ist, wohl nicht so schnell zurückgefahren.
Das mit gemeinsam mit der MedUni Wien ausgearbeitete Testkonzept wurde laufend adaptiert, berichtet Lueftner, „am Anfang gab es zum Beispiel noch keine Antigen-Schnelltests. Wenn die Verordnung sagt, es gibt keine Masken mehr, es muss kein Abstand gehalten werden und 3-G gilt, dann könnte man das Ausfallskonzept adaptieren, natürlich entlang der Verordnungslage.“
Hohe Testkosten
Einen Teil der Mehrkosten für die teuren Tests (im vergangenen Sommer pro Kopf und Woche 200 Euro, Anm.) hat der ORF übernommen, „und zwar heldenhaft und unkompliziert“, sagt Lueftner. Weiters gibt es für Kinoproduktionen eine Coronakosten-Extra-Pauschale.
Für seine Superfilm gesprochen, sagt Lueftner: „Wir konnten in der heißen Pandemiephase des Vorjahres eine ,Stadtkomödie‘, einen ,Tatort‘ und eine ganze Serie abdrehen. Wir haben 7000 Tests durchgeführt und hatten keinen einzigen Treffer.“
Ab August plant man, wieder zu drehen: den Landkrimi „Der Schutzengel“ mit „Revanche“-Regisseur Götz Spielmann im Waldviertel.
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