Die Werkschau „Africa: Visions of Light and Color“, die die Albertina in Kooperation mit der 2012 gegründeten Baumgarte-Stiftung zeigt, kommt zu einer guten Zeit und ist zugleich komplett unzeitgemäß. Denn einerseits boomt Kunst von Personen aus Afrika und der afrikanischen Diaspora (siehe dazu auch die aktuelle Schau der Kunsthalle Krems), und überall kochen Debatten über die „richtige“ Repräsentation von Menschen des „globalen Südens“ jenseits kolonialistisch geprägter Vorstellungen.
Baumgartes Malerei, in der die Körper von Afrikanerinnen und Afrikanern aus Farbexplosionen auf der Leinwand hervortreten, entstammt aber einer anderen Zeit und lässt sich nur mit viel Gewalt in diesen Referenzrahmen zwängen. Statt schnell über den Blick der weißen Reisenden auf das ihr Fremde zu urteilen, gibt ihr Werk Anlass, eigene Reflexe im aktuellen Meinungsklima zu hinterfragen.
Baumgartes Malerei will demnach vor allem als Malerei gesehen werden. Und tatsächlich: Die Art und Weise, wie die von systemkonformen Malern im Berlin der 30er-Jahre trainierte, später als Trickfilmzeichnerin und Illustratorin geschulte Künstlerin in den 1990ern Farben setzte und schichtete, ist durchaus imposant.
Der Reiz offenbart sich allerdings primär in der Nahsicht der Gemälde. Mit ein paar Schritten Abstand rücken die Motive in den Vordergrund: Adler über zerklüfteten Felsen, wassertragende Frauen oder Abbildungen dörflicher Zusammenkünfte ergeben Werke, die im besten Sinn als traditionell, im schlimmsten als kitschig zu bezeichnen sind.
Die Frage, ob sie exotisieren, lässt sich ohne erneute Bevormundung der Dargestellten wohl nicht beantworten: Eine dahingehende Absicht ist Baumgarte aber nicht zu unterstellen. Der Fokus schwenkt also von Repräsentation und Identität hin zur Frage, ob Ruth Baumgarte eine große, der Albertina würdige Künstlerin war. Ihre „Entdeckung“ geschieht im Windschatten eines von ihr gestifteten, durchaus renommierten Preises: William Kentridge, Kader Attia oder Nan Goldin erhielten ihn bereits, zuletzt wurde der Südafrikaner Athi-Patra Ruga prämiert. Einige seiner Wandteppiche sind in der Schau zu sehen, sie passen zur aktuell favorisierten afrikanischen Kunst.
Dass der Baumgarte-Preis ein strategisches Vehikel für das Werk der Künstlerin darstellt, ist klar und per se nicht verwerflich. Wenn Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröders die Afrikareisen der Malerin mit den „Erweckungserlebnissen“ Vincent van Goghs in der Provence vergleicht, darf man aber doch fragen, wo retrospektive Kunstgeschichtsneuschreibung an Grenzen gerät und wo sich Institutionen zu weit hinauslehnen. „Africa: Visions of Light and Color“ erzählt jedenfalls mehr über den Kontinent Kunst als über den zweitgrößten Erdteil.
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