Eurofighter: Millionenrechung für den ORF

Im Fokus: Der ehemalige zentrale Chefredakteur
Schwere Vorwürfe gegen früheren Chefredakteur. Update: ORF dreht Dokuprojekt ab

*Update 21.41 Uhr*

Ein langer Schatten in Form eines Eurofighters liegt auf dem ORF: Laut profil ist bei Hausdurchsuchungen beim Jet-Hersteller EADS ein brisantes Dokument zur Öffentlichkeitsmanipulation aufgetaucht. In der damaligen Nachmittagsschiene "Willkommen Österreich" (nicht zu verwechseln mit der heutigen, gleichnamigen Satireshow) sollte, so wollte es das Papier, guter Wind für den umstrittenen Flugzeugdeal gemacht werden – etwa, indem Fluggeräte des Bundesheeres möglichst oft in TV-Beiträgen gezeigt und diese damit ein Stück weit sympathischer gemacht werden.

Kolportiert: Eine Million Euro für redaktionelle Beeinflussung verrechnet

Update: Wie profil am Mittwoch berichtete, sollen die Verbindungen zwischen dem Rüstungskonzern EADS und dem ORF noch viel enger gewesen sein als bisher angenommen. So sei eine Rechnung eines österreichischen EADS-Lobbyisten an EADS aus dem Jänner 2003 aufgetaucht. "Mit Datum 22. Jänner 2003 fakturierte der Berater der deutschen EADS Military Aircraft ein 'Honorar laut Vereinbarung' in der Höhe von einer Million Euro", schreibt das Magazin Rechnungszweck: „Werbliche Betreuung Eurofighter Kampagne f. d. österr. Bundesheer“.

Konkret werde in der Rechnung ausgeführt: „Für die werbliche Betreuung Januar bis Dezember 2002 erlauben wir uns wie folgt in Rechnung zu stellen: Öffentlichkeitsarbeit mit dem ORF – Gespräche und Veranstaltungen mit den Redakteuren und Sendungsgestaltern zwecks Produktion und Sendung von Reportagen über EADS, EUROFIGHTER und OFFSET (Anm. Gegengeschäfte), Ausstrahlung in Sendungen wie z.B. 'Zeit im Bild', 'Report', 'Euro', 'Am Schauplatz', 'Modern Times', 'Thema', etc.“

Seledec im Fokus

Kolportierter Autor des Strategiepapiers zur Öffentlichkeitsmanipulation war kein EADS-Stratege, sondern Walter Seledec, seines Zeichens freiheitlicher Bezirksrat und zur damaligen Zeit in leitender Funktion im ORF – er ging als zentraler Chefredakteur in Pension.

Ist es möglich, dass ein führender ORF-Mann inoffiziell einen Flugzeughersteller berät, wie er die Medienorgel ORF missbraucht?

Immer wieder Zuschüsse

ORF-Insider bestätigen dem KURIER, dass es für die später abgesetzte Sendung immer wieder Produktionskostenzuschüsse von außen gegeben habe, um bestimmte Themen zu pushen – auch wenn das der ORF nach außen verneint.

Update: ORF-Sprecher Martin Biedermann präzisierte dazu am Mittwochvormittag: "Der ORF hat nie verneint, dass es regelmäßig Produktionskostenzuschüsse bei 'WKÖ' gegeben hat, sondern auf Basis des bisherigen Kenntnisstands keiner von EADS oder Verteidigungsministerium vorgelegen ist."

Werner Mück, der im Mai 2003 zum inhaltlich verantwortlichen Chefredakteur avancierte, verweist auf KURIER-Anfrage darauf, dass er keine Wahrnehmung in dieser Sache gehabt habe. Allerdings sei er erst zwei Monate nach der Erstellung des kolportierten Papiers ins Amt gekommen.

Ob die Lobby-Leistung von Seledec, der als Miliz-Offizier den Rang eines Brigadiers bekleidet, über das Konzeptpapier hinausging, wagt niemand zu beurteilen – schließlich war die Stimmung damals in mehrfacher Hinsichtaufgeheizt. Massive Pro-Eurofighter-Berichterstattung hätte jedenfalls sicher einige Fragen aufgeworfen. (Der ORF will nun prüfen, wie am Mittwoch bekannt wurde.)

Seledec macht sich rar

Seledec selbst macht sich seit Tagen rar. Auf Anfragen des KURIER reagiert er vorerst nicht.

Dafür antwortete er via Zur Zeit. Seledec ist Mit-Herausgeber der rechtsrechten, bisweilen deutschtümelnden Wochen-Zeitung.

Und eben dort zieht er auffallend emotional und scharf über die "selbst ernannten Aufklärer", "Intriganten" und "Naiven" her, die sich mit der Aufklärung des Eurofighter-Deals in "selbstmörderischer Manier" ein "internationales Eigentor schießen".

Aufklärung als Eigentor? Das klingt, nun ja, doch irgendwie seltsam.

Dazu passt, dass Seledec dem Vernehmen nach im ORF ein großes Dokumentationsprojekt umsetzen soll.

Ein ORFIII-Dreiteiler zu einem brisanten Thema: Die Wehrmacht. Freigegeben von "ganz oben".

Dazu muss man wissen,dass Seledec als Herausgeber von Zur Zeit nicht nur immer wieder in direktem Kontakt mit politisch bedenklichen Autoren ist, er hat während seiner ORF-Funktion 2007 auch den "Verein zur Pflege des Grabes von Walter Nowotny" mitbegründet. Die Grabstätte des NS-Kampfpiloten gilt als Pilgerstätte von Rechtsextremen. Nicht von ungefähr hat die Stadt Wien dem als Kriegsheld gehandelten Soldaten das Ehrengrab aberkannt.

ORF: Budgets noch nicht erstellt

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ORF-Sprecher Martin Biedermann erklärte auf KURIER-Anfrage, dass die Doku "eines von vielen Projekten im Evaluierungsstadium" sei. "Von einer Auftragsvergabe kann keine Rede sein." Schließlich gebe es für 2018 noch keine Budgets. Und: "Für Produktionsvergaben sind die jeweiligen Sender zuständig und nicht 'oberste Stellen' bzw. der Generaldirektor."

Dass Seledec als Herausgeber von Zur Zeit und Fliegergrab-Aktivist vielleicht nicht die richtige Besetzung für eine Wehrmachtsdoku sein könnte, empfindet man im ORF nicht so: "Die politische Position von Herrn Seledec ist dem ORF bekannt, grundsätzlich sei aber darauf hingewiesen, dass er schon zahlreiche, auch zeitgeschichtliche Dokumentationen gestaltet hat, die keinen Anlass zu politisch motivierter Kritik gegeben haben, weder ORF-intern noch in der Öffentlichkeit."

Update: Diese Haltung wiederum bringt den Grünen Bildungssprecher im Nationalrat, Harald Walser, auf die Palme. Er sei "fassungslos" über den ORF, twitterte er am Mittwoch in Reaktion auf die KURIER-Story:

Doku: ORF macht Rückzieher

Der ORF wird seinen früheren Chefredakteur und nunmehrigen FPÖ-Bezirkspolitiker und „Zur Zeit“-Herausgeber Walter Seledec nicht mit einer Dokumentation über die deutsche Wehrmacht beauftragen. Man habe von dieser Überlegung Abstand genommen, erklärte der Geschäftsführer von ORF III, Peter Schöber, in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Angedacht sei eine mehrteilige Serie über Österreicher, die in unterschiedlichen Armeen gedient haben, so Schöber. „Eine Überlegung war, Walter Seledec, der in der Vergangenheit für den ORF zahlreiche zeitgeschichtliche Dokumentationen ohne jegliche Beanstandung realisierte - unter Leitung der ORFIII Zeitgeschichte-Redaktion - mit der Umsetzung zu betrauen. Von dieser Überlegung haben wir Abstand genommen.“

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