"Einiges schief gelaufen": Wichtige Filmförderstelle hat kein Geld mehr
Die Förderschiene FISA war bereits Ende März de facto ausgeschöpft, wie nun bestätigt wurde. Die Filmbranche betrachtet das als existenzielles Problem, wenn nicht bald gehandelt wird.
Von Peter Temel
Eine wesentliche Säule der österreichischen Filmförderung droht nicht nur zu bröckeln, sie ist für das laufende Jahr bereits in sich zusammengefallen.
Das im Wirtschaftsministerium angesiedelte Förderprogramm FISA (Filmstandort Austria) hat kein Geld mehr. Die jährlichen Mittel von 7,5 Mio. Euro wurden für 2022 bereits im ersten Quartal, also mit Ende März, komplett ausgeschöpft, wie nun auch aus dem Ministerium zu erfahren war. Betroffene schilderten dem KURIER, dass bereits im März keine neuen Anträge mehr entgegengenommen werden konnten.
Das Problem dabei: FISA erstattet 20 Prozent der in Österreich getätigten Ausgaben einer Kino-Produktion zurück (25 Prozent für österreichischen Koproduktionsanteil). Das bedeutet, dass jene Produktionen, die für 2022 nicht mehr berücksichtigt werden können, um ein Fünftel ihres Finanzierungsbedarfs umfallen.
„Ich glaube, da ist einiges schief gelaufen“, kommentiert Helmut Grasser, Chef des Produzentenverbandes Film Austria, im KURIER-Gespräch. Aufgrund der vielen Anmeldungen hätte schon länger klar gewesen sein müssen, dass es Anfang des Jahres 2022 knapp werden könnte, meint er. „Es wäre vernünftiger gewesen, einfach nur 18 Prozent auszuschütten und zwar nicht im Einzelfall, sondern gemäß Richtlinie, und damit vorsorgend zu agieren“, sagt Grasser.
Bei anderen Fördereinrichtungen, wie dem RTR-Fernsehfonds, der vor einem ähnlichen Andrang steht, wurde die Förderquote pro Projekt um ein paar Prozentpunkte verringert. Das ist im Fall von FISA nicht geschehen.
Eindringliche Warnung
Am 9. April wurde die aktuelle Unterdotierung von FISA erstmals öffentlich beklagt. Die Warnung aus der heimischen Filmbranche war eindringlich. „Der Österreichische Film ist eine Weltmarke und diese ist nun bedroht, da kein Geld mehr zur Verfügung steht", sagte Schauspielerin Verena Altenberger in ihrer Funktion als Präsidentin der Akademie des Österreichischen Films beim Filmfestival Diagonale.
Laut dem Fachverband der Film- und Musikwirtschaft der Wirtschaftskammer wären heuer 15 bis 20 Produktionen betroffen, was ungefähr der Hälfte der österreichischen Jahresproduktion entspreche. Da die Produktionsfirmen die FISA-Förderung als letzten Finanzierungsbaustein schon eingepreist haben, könnte dies zu Produktionsstopps führen.
Ein Blick auf die FISA-Statistik bestätigt diesen Eindruck: Im Vorjahr wurden 24 Produktionen gefördert. Dieses Jahr ist offenbar nach nur neun Produktionen, die öffentlich ausgewiesen sind, das Budget ausgeschöpft. Das für diese Filme zugesagte Fördervolumen beträgt 5,093 Mio. Euro.
Branche wurde informiert - aber erst im März
Die Branche sei „über den Ausschöpfungsgrad der Fördermittel informiert“ worden, bestätigt die Austrian Business Agency (ABA), die die FISA-Gelder fürs Wirtschaftsministerium verwaltet, auf KURIER-Anfrage. „Dieser Stand ergibt sich aus den bereits genehmigten Anträgen, die auf der Homepage bereits veröffentlicht sind und der Höhe der Förderanträge, die sich in Bearbeitung befinden.“
Laut KURIER-Informationen setzte sich dieses Wissen erst in der zweiten März-Hälfte auf breiter Basis in der Branche durch, wenngleich Insider bereits früher derlei Befürchtungen hatten.
Durch den Automatismus eines „First come, first served“-Prinzips können auch nur jene Projekte berücksichtigt werden, die vor der Verkündung des Cuts angesucht haben.
Größere Filmprojekte
Dass bereits Ende März Schluss war, erklärt man bei der ABA damit, dass „vermehrt Anträge für größere Filmprojekte und deshalb höhere Fördersummen gestellt“ worden seien.
Darunter ist auch der neue Film von Josef Hader, „Andrea lässt sich scheiden“, mit 490.000 Euro. Die drei größten Projekte sind „Bachmann und Frisch“ (Margarethe von Trotta) mit 881.000 Euro, „Ein ganzes Leben“ (Hans Steinbichler) mit 970.000 Euro und, besonders auffällig, der Netflix-Actionreißer „Extraction 2“, für den die absolute Höchstsumme von 1,5 Millionen Euro locker gemacht wurde. Die außertourliche Erhöhung der eigentlich mit 1,125 Mio. Euro gedeckelten Fördersumme wurde argwöhnisch beobachtet, auch weil FISA grundsätzlich für Filme mit Kinoauswertung gedacht ist.
Zwar sind 1,5 Mio. des Topfes ohnehin für internationale Produktionen reserviert, aber wenn dieser Anteil in einem Jahr nicht ausgeschöpft wird - wie 2020 geschehen - würden die Gelder österreichischen Produktionen zufließen.
Mit den aktuellen Nachrichten, dass nun kein Geld mehr da ist, wird der Unmut nicht kleiner. Vor allem, weil die Politik (in der Person von Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer) sich mit Hauptdarsteller Chris Hemsworth publicitywirksam ablichten ließ.
Förderzusagen sukzessive gestiegen
Die brutto 7,5 Millionen Euro sind also bereits de facto ausgeschöpft, wobei aus dem Geld auch die Administration und andere Handlungskosten getragen werden müssen. Was laut Schätzungen einen jährlichen Netto-Förderungsbetrag zwischen 6,5 und 7 Millionen Euro bedeutet.
Bis 2019 wurde dieser Rahmen großteils eingehalten. Dann wurden plötzlich 7,3 Millionen Euro vergeben. In den vergangenen beiden Pandemiejahren stiegen die Förderzusagen dann auf insgesamt 8,03 Millionen Euro (2020) und 7,75 Mio. Euro (2021).
Dass Budget-Vorgriffe gemacht wurden, wollte man bei der im Wirtschaftsministerium angesiedelten ABA nicht bestätigen. Man erklärt die Summen so: "Dass in den vergangenen Jahren eine höhere Fördersumme genehmigt werden konnte als die vorgesehenen 7,5 Mio. Euro liegt daran, dass Rückflüsse aus den Vorjahren - also nicht in Anspruch genommene Fördermittel - wieder in zusätzliche Filmprojekte als Fördermittel fließen konnten.“
Und man macht Hoffnung, dass auch dieses Jahr wieder Budgetmittel freiwerden könnten: „Sofern 2022 Rückflüsse aus den Vorjahren nach Endabrechnung bereits abgeschlossener Filmprojekte entstehen, würden diese ebenfalls weiteren Filmprojekten als zusätzliche Fördermittel zur Verfügung gestellt werden und damit die budgetierten 7,5 Millionen FISA-Mittel erhöhen.“
Opfer des eigenen Erfolgs
Die Branche wird diese Aussicht, die auch noch nicht abschätzbar ist, nicht besänftigen können. Regisseurin Marie Kreutzer („Corsage“) sagte bereits beim Diagonale-Pressegespräch: "Sollte diese Finanzierung wegfallen, dann steht eine ganze Berufsgruppe vor dem Nichts. Und ab dem nächsten Jahr wird sich die Situation im Festival- und Kinobetrieb niederschlagen. Die Marke des österreichischen Films wäre international nicht mehr vertreten.“
Die Filmbranche, die die schwierige Pandemiezeit bisher - dank eines rasch ausgearbeiteten Hygienekonzepts und des von der Bundesregierung gefüllten Corona-Ausfallsfonds - eigentlich auffallend gut überstanden hat, wird nun offenbar Opfer des eigenen Erfolgs mit budgetstarken Filmen.
Alexander Dumreicher-Ivanceanu vom Wirtschaftskammer-Fachverband drückte es bei der Diagonale so aus: „Wir fahren in einem sehr erfolgreichen Jahr plötzlich an die Wand.“
Aufstockung gefordert - und mehr
Nun geht es darum, klaffende Budgetlöcher zu stopfen. Dumreicher-Ivanceanu forderte eine „sofortige und unbürokratische Aufstockung der Mittel zur kurzfristigen Lösung des FISA Problems“.
Auf Anfrage gab es dazu aus der ABA, einer Stelle des Wirtschaftsministeriums, noch kein politisches Bekenntnis.
Längerfristig fordern die Branchenvertreter neben einer Valorisierung der FISA-Mittel die Einführung eines Steueranreizmodells, wie es in vielen europäischen Konkurrenzmärkten bereits zum Einsatz kommt.
Wie beim Corona-Ausfallsfonds, der Ende Juni auszulaufen droht, ist auch hier ein Handeln der Politik mehr als überfällig.
Mehr dazu lesen Sie hier:
(kurier.at, tem)
|
Kommentare