Eine Krise, aber keine Katastrophe: Klima-Biennale will Wege aufzeigen
Ab 4. April soll man in Wien spüren, wie sich Leben in der Klimakrise anfühlt. Dem Leitungsduo ist daran gelegen, auch Visionen fürs Wohlergehen zu finden
Das Denkzentrum für Wiens neues Klima-Kunst-Festival liegt in einem unscheinbaren Büro im ehemaligen Gebäude der Wirtschaftsuniversität. Die Studie über die „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome, dessen Österreich-Ableger ebenfalls in dem Bau residiert, liegt auf dem Kaffeetisch, daneben das neue Buch der Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb: „Für Pessimismus ist es zu spät“. Claudius Schulze hat sichtlich Inspiration daraus bezogen.
„Wir stehen heute mit der Erkenntnis da, dass der Klimawandel real ist – wir können nicht mehr sagen, wir wollen die Klimakrise abwenden, denn sie wird passieren“, sagt der gebürtige Münchner, der bereits zahlreiche Projekte im Schnittbereich von Dokumentarfotografie, Wissenschaft und Kunst realisierte. „Die Frage ist jetzt: Wie schaffen wir es trotz der Katastrophen, die damit einhergehen werden, Wohlstand, Zuversicht und eine lebenswerte Zukunft zu erhalten?“
Es sind Fragen, die sich auch das „Climate Art Fest“ stellte, das Schulze mit seiner aus Graz stammenden Projektpartnerin Sithara Pathirana 2022 in Hamburg realisierte. Ebenso die vom einstigen MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein initiierte „Vienna Biennale for Change“, die von 2015 – 2021 lief. Die „Klima Biennale“, organisatorisch ans Kunst Haus Wien angedockt und von der Stadt Wien für den Zeitraum 2023/’24 mit 1,5 Millionen Euro Budget ausgestattet, soll den Umschlagplatz der Zukunftsideen weiterführen – und, so betont das Leitungsduo, „jenseits der Bubble funktionieren“.
Jenseits des Klebens
„Es ist vielleicht schön dahergesagt, wenn wir postulieren, wir holen die Klimakleber mit denen zusammen, die ihnen über den Fuß fahren“, sagt Pathirana. „Aber wir müssen Räume schaffen, um diese Extreme zusammenbringen.“
Das Festival soll dabei „auch toll und bunt sein“, erklärt das Leitungsduo. Zwei Ausstellungen bilden dabei die Ankerpunkte – im Kunst Haus Wien wird die Gruppenschau „Into The Woods“ künstlerische Ansätze rund um das Ökosystem Wald zusammenbringen, in fürs Festival aktivierten Hallen am ehemaligen Nordwestbahnhof soll die Gruppenschau „Songs for the Changing Seasons“ eine „Zukunftsvision real werden lassen“, wie Schulze sagt: „Es ist 2050, die Klimakrise ist real, aber sie ist zu keiner Klimakatastrophe geworden. Was haben wir damals, 2024, alles richtig gemacht?“
Pathirana und Schulze sind sich bewusst, dass die Stärken der Kunst nicht unbedingt in präzisen Antworten oder in der Illustration wissenschaftlicher Erkenntnisse liegen. Eher reüssiert sie darin, Veränderungen spürbar zu machen. Auch die Gefahr, dass Kunst für eine vorderhand „gute Sache“ eingespannt und dabei ihrer Autonomie beraubt wird, ist dem Duo durchaus präsent. „Als jemand, der schon lange in diesem Feld unterwegs ist, sage ich: Es gab immer schon großartige Kunst, die sich mit dem Thema Umwelt auseinandergesetzt hat“, sagt Schulze. „Dann kam irgendwann der Moment, wo jeder dachte, wir müssen jetzt auch was mit Natur machen. Nun sind wir an einem Punkt, wo es sich ausdifferenziert und Künstler sich mit dem Thema auf dem globalen Markt etabliert haben.“
Wissenschaft und Bildung seien aber doch auch integrale Bestandteile des Programms, betont Pathirana, die auf eine Vielzahl von Kooperationen, u. a. mit der Vienna Design Week oder der Uni Wien, verweist. Ein „Open Call“ sollte zuletzt auch noch kleine Initiativen in der Stadt einbinden – das Detailprogramm wird kommende Woche präsentiert.
Einiges, weiß das Duo schon jetzt, wird wohl erst in der zweiten Ausgabe 2026 Platz finden, denn die Dichte der bereits bestehenden Initiativen hat die beiden „Zugereisten“ überrascht, wie Schulze zugibt: „Der Nährboden ist wirklich da, um mit einer Biennale so etwas wie eine Themenführerschaft zu beanspruchen und auszubauen.“
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