Kunstsammler und Unternehmer Klaus Ortner zeigt bei der Langen Nacht der Museen seine private Sammlung.
25.09.22, 05:00
Von Barbara Beer (Text) und Jürg Christandl (Fotos)
Kann man eine lebensverändernde Begegnung mit einem Menschen haben, den man schon lange kennt?
Eines Tages traf der Unternehmer und Kunstsammler Klaus Ortner den Kunsthändler Wolfdietrich Hassfurther zufällig auf der Straße. Der Händler fragte den Sammler: „Herr Ortner, wann bringen Sie Ihre Sammlung zur Versteigerung?“ Der Sammler antwortete: „Ich verkaufe nicht. Ich werde die Sammlung vererben.“ Darauf antwortete der Händler: „Man kann eine Sammlung nicht vererben. Nehmen Sie das zur Kenntnis!“
Klaus Ortner hat lange darüber nachgedacht. Und ist draufgekommen, dass der Kunsthändler recht hat. Eine Erkenntnis, die ihn verändert hat. „Ich weiß heute, dass man zwar Bilder vererben kann, aber nicht die Erinnerungen, die damit verbunden sind. Wann man sie wo und warum erworben hat. Das macht doch die Sammlung eigentlich aus. Ich kann Ihnen bei jedem meiner Bilder sagen, wann, wo und warum ich sie gekauft habe. Was hat mir daran gefallen, wer hat mir zugeredet, wer hat mir abgeraten. Dieses Sammlergefühl, dieses Erlebnis lässt sich nicht vererben.“
40 Jahre, 6 Etagen
Gute vierzig Jahre Sammlerleben finden knapp auf sechs Etagen Platz: 170 Arbeiten vor allem österreichischer Künstler der Zeit von 1800 bis in die Gegenwart sind in Ortners Privatmuseum in Wien-Liesing in der Nähe der barocken Bergkirche Rodaun versammelt. Von Oskar Kokoschka bis Maria Lassnig, Alfred Kubin bis Carl Moll, Egon Schiele bis Arnulf Rainer. 800 Quadratmeter groß ist das 2021 fertiggestellte Haus, das nach den Plänen der Architekten Franz Gschwantner und Werner Neiger errichtet wurde. Und wenn mehr Bilder dazu kommen? „Vielleicht bekomme ich noch ein paar Räume“, sagt Klaus Ortner vorsichtig. Er kennt sich ja. „Nackte Wände finde ich schwierig, darum hängt bei mir daheim fast genauso viel wie hier“, bekennt der Unternehmer.
Prestige und Emotion
Aus dem Innsbrucker Installationsbetrieb seines Vaters hat der 78-jährige Tiroler ein international agierendes Technologieunternehmen mit mehr als 24.000 Mitarbeitern und einem jährlichen Umsatz von rund sechs Milliarden Euro aufgebaut. Doch darum soll es in dieser Geschichte nicht gehen. Auch nicht um ihn als Person, ausschließlich über die Sammlung will Ortner heute reden.
Dass er sie am kommenden Samstag im Rahmen der Langen Nacht der Museen herzeigen kann, macht ihn stolz. Man sammelt schließlich auch aus Prestigegründen. „Man will zeigen, was man hat. Wenn jemand sagt, das spiele keine Rolle, dann glaube ich das nicht. Mich freut’s, wenn jemand meine Bilder anschaut.“ Außerdem: Kunst tut den Menschen gut. „Ich habe auch in meinen Betrieben Bilder hängen. Weil ich weiß, dass das Menschen Kraft gibt, ich kann nicht genau beschreiben, warum das so ist, aber es ist so. Ich bin ja ein Techniker. Ich kann nicht alles einordnen oder kunsthistorisch reden. Aber ich weiß: Das innere Verhältnis zur Kunst spürt jeder.“
Eine lange Nacht
Am Samstag, dem 1. Oktober, 18 bis 1 Uhr, können im Rahmen der „Langen Nacht der Museen“ Ausstellungen und Museen in ganz Österreich mit nur einem Ticket besucht werden. Darunter auch solche wie das Museum Ortner, die normalerweise nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind. Ticketverkauf und alle Informationen über Ausstellungsorte unter: langenacht.orf.at
200 Jahre österreichische Kunst
Im Museum Ortner sind u. a. Ferdinand Waldmüller, Karl Moll, Egon Schiele, Alfred Kubin, Oskar Kokoschka, Albin Egger-Lienz, Max Weiler, Arnulf Rainer, Adolf Frohner, Maria Lassnig zu sehen.
Willergasse 47, 1230 Wien
Auch wenn Ortner lieber nicht über sich sprechen möchte: Die Sammlung lässt sich nicht vom Sammler trennen. In ihr steckt eine ganze Biografie. Wenn Ortner durch sein privates Museum, das er mithilfe des Kunsthändlers Herbert Giese aufgebaut hat, führt, dann fällt ihm zu jedem Bild eine Geschichte ein. Nur er weiß, unter welchen Umständen er es gekauft hat und wie sich seine Beziehung dazu im Laufe der Zeit verändert hat. „Ich liebe alle meine Bilder. Aber jene Bilder, für die ich besonders lang gebraucht habe, bei denen ich mich besonders schwer entschließen konnte, die habe ich heute umso lieber. Weil ich sie mir erarbeitet habe. Was man sich erkämpft hat, hält oft länger.“
Das erste Bild, das Ortner gekauft hat, stammte von dem Wiener Maler Ludwig Ferdinand Graf (1868 -1932). „Ich bin damals nach Wien in eine leere Wohnung gezogen, die ich gerade renoviert hatte. Da bin ich beim Kunsthändler Giese in der Krugerstraße vorbeigekommen, hab’ dieses Bild gesehen, es hat mir sofort gefallen und ich hab’s gekauft. Aus dem Bauch heraus.“
So macht Ortner das heute noch. Einzig seine Frau oder Kunstberater Giese könnten ihn davon abbringen. „Ich kaufe Bilder ausschließlich, weil sie mir gefallen. Niemals aus finanziellen Gründen.“ Trotzdem, Kunst ist natürlich „keine schlechte Anlage. Gescheiter, als sich eine Jacht zu kaufen“.
Hin und wieder stellt sich Klaus Ortner die Frage: Was bleibt von all dem? „Als Karl Lagerfeld gestorben ist, gab es vier Versteigerungen bei Sotheby’s. Wer weiß, was meine Kinder eines Tages mit meinen Bildern machen werden. Aber ich hoffe doch, dass ich etwas für die Zukunft geschaffen habe. Etwas, an dem auch andere teilnehmen können. Das wäre mir die größte Freude.“