Theaterbesucher wissen, wie es bei Tschechow zugeht: Menschen sitzen auf russischen Landgütern gelangweilt in der Gegend herum und laborieren an ihren missglückten Leben, während sie Wodka trinken, damit die Zeit vergeht. Alle sehnen sich nach Veränderung, die aber nie kommt – obwohl die Revolution bereits am Himmel wetterleuchtet.
Insofern hat Susanne Kennedy Tschechows Atmosphäre sehr genau erfasst, obwohl ihre Arbeit „Drei Schwestern“ mit dem großen russischen Dramatiker nur den Titel gemeinsam hat.
Die Theatermacherin, die an den Münchner Kammerspielen bekannt wurde, hat eine ganz eigene, unverwechselbare Sprache erfunden. Sie arbeitet mit Licht- und Bild-Installationen, Verfremdungen durch Masken und Kostüm und mit Playback.
Die Bühnenbildnerin Lena Newton, der Sound-Designer Richard Janssen, der Video-Designer Rodrik Biersteker, der Lichtkünstler Rainer Casper und die Kostümbildnerin Teresa Vergo sind hier gleichberechtigte Partner auf der Suche nach dem Gesamtkunstwerk. „Drei Schwestern“ – 2019 in München bereits ein großer Erfolg – ist nun ans Volkstheater gewechselt, die Aufführung soll der Auftakt für eine längere Zusammenarbeit sein.
Kennedy – Motive von Tschechow, Nietzsche und des Religionswissenschaftlers James Carse aufgreifend – zeigt Menschen, die in einer Zeitschleife gefangen sind. Ein selbstbestimmtes Leben ist Illusion. Die Figuren sind dazu verdammt, bestimmte Situationen und Gesprächsfetzen immer und immer wieder zu erleben.
Die Darsteller sind durch Masken unkenntlich gemacht, sie sprechen nicht selber, die Texte wurden von Laien eingesprochen und werden zugespielt. Insofern ist es hier auch völlig egal, wer spielt – das Starprinzip des Theaterspielens wird konsequent abmontiert.
Die Aufführung, in der die Bild- und Toneffekte dominieren, fordert dem Zuschauer einiges ab, sie entwickelt aber einen meditativen, sehr starken Sog.
Viel Applaus nach 120 Minuten.
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